Die Einzelausstellung „Machen Sie Auch Passfotos?“ des Fotografen Daniel Josefsohn wird am 24.04.2014 im Kunsthaus Jesteburg eröffnet.
Daniel Josefsohn ist seit 1995 als freischaffender Fotograf tätig und gehört heute zu den wichtigsten Fotografen der deutschen Gegenwart. Er arbeitete bereits für zahlreiche Magazine wie Die Zeit, das Magazin der Süddeutschen Zeitung, Jetzt, Brand Eins, Art oder Monopol. Seit Dezember 2013 erscheint seine Fotokolumne „Am Leben“ regelmäßig im Zeit-Magazin. In dieser Serie gewährt Josefsohn, nachdem er 2012 einen Schlaganfall erlitt, Einblicke in das „Davor“ und „Danach“ dieses Ereignisses, verarbeitet eine neue Lebensrealität auch indem er dem „Jetzt“ Kontur verleiht. Aktuell sind Arbeiten des Fotografen auch in der Ausstellung „New Ideals: the Image of the „New Woman“ in Photography“ im „Haifa City Museum“, Haifa, zu sehen. Dem fotografischen Werk Daniel Josefsohns widmet der Kunstverlag Hatje Cantz 2014 eine große Buchpublikation.
Die Ausstellung „Machen sie auch Passfotos?“ die am 24.04.2014 im Kunsthaus Jesteburg eröffnet wird, versammelt eine Auswahl Josefsohns umfänglichen wie eindringlichen Werks. „Machen sie auch Passfotos?“ ist 2014 die zweite Ausstellung im Kunsthaus Jesteburg, dessen Jahresprogramm in vier Hauptausstellungen verschiedene Aspekte des Themas „Fremdheit“ näher beleuchten wird.
Das Andere, das Fremde ist in Josefsohns Werk stets eingeflochten, es wird zum Teil des Selbst. Abseits vorgegebener Repräsentations- oder Traditionslinien verbinden sich die vermeintliche Gegensätze und zeichnen ein zeitgenössisches Gesellschaftsbild, dass sich mehr durch Viel- als durch Einheit beschreiben lässt. In seinem Projekt „Landnahme“, spielt Josefsohn beispielsweise mit urdeutschen Symboliken und mit einer als „deutsch“ empfundener Ästhetik. Viele dieser Symbole und ästhetischen Eindrücke finden sich auch in Jesteburg und um das Kunsthaus herum wieder.
Der Fotograf versteht es, diese Ästhetik nachdenklich, ironisch und vielleicht auch manchmal harsch aufzubrechen, so dass es dem Betrachter gelingt einen anderen Blick auf die ihm vertrauten Bildwelten zu gewinnen. Daniel Josefsohns Arbeiten, die sich im Spannungsfeld zwischen Kunst und kommerzieller Fotografie verorten lassen, sind entweder Ergebnis minutiöser Choreografien und elaborierter Inszenierungen oder entstehen ohne strenge Vorgaben im Prozess selbst als impulsives Ergebnis konkreter durchlebter Situationen. Sie spiegeln die Viel- und Unstimmigkeiten, das Schöne, das Absurde und Fremde unserer Gesellschaft, kurz: eine intensiv gelebte Zeitgenossenschaft wider.
Josefsohns Fotografien versammeln sich in der Ausstellung zu einem Abbild von Wirklichkeit, das sich durch vielschichtige, subjektive Realitäten beschreibt und in dem zwischen Konformität und Individualität ein Ausgleich und Austausch stattfindet. Eine fragile, aber intensive Konstellation, die das Leben, die singuläre wie kollektive Identität als das veranschaulicht, was sie ist: ein Puzzle aus Widersprüchen, jenseits einer Anästhesie des Konsens. Josefsohn hat eine Formsprache gefunden, deren Klarheit Widersprüchlichkeiten pointiert hervorhebt und damit konstitutiv macht. Sie erzeugt eine Spannung, die den herkömmlichen Sehgewohnheiten entgegensteht, mit Ideologismen kokettiert, sie schürt, in ihrer Brüchigkeit und Latenz demaskiert und damit eine Wahrheit konstruiert, die abseits vorgegebener Pfade, ihre Wegmarken findet.
Markantes, wiederkehrendes Thema in seinem Werk ist das Jüdisch-sein heute. Der Fotograf porträtiert jüdisches Selbstbewusstsein und bildet zeitgleich die Ablehnung authentischer, kultureller Repräsentation ab. Sein Werk dokumentiert die Affinität zur produktiven Reflexion der eigenen Identität, ohne diese Reflexion zum Selbstzweck werden zu lassen und ohne die eigene Identität als statisch zu begreifen. Josefsohns fotografische Arbeiten sind als Gradmesser für eine alternative, neue Verhandlung jüdischer Identität begeifbar, da seine Arbeit zwar an gewohnte Attribuierungen anknüpft, diese aber analog unterwandert, Ambivalenzen klar herausstellt und auf ihnen aufbaut. So strebt die Architektur aus Referenzen auf das Judentum in Daniel Josefsohns Fotografien nicht an, ein neues eigentliches Wesen des Juden zu porträtieren, sondern ist vielmehr Josefsohns eigene Weise der zeitgenössischen Illustration von kultureller Zugehörigkeit generell.
Der Fotograf bildet in seinen Arbeiten klar die ihm nahen Themenkomplexe ab, vermeidet es aber dennoch stets, dem Betrachter eine Haltung aufzudrängen. Dieser wird in Josefsohns Arbeit zum konstitutiven, substanziellen Teil des Werks, vor dem Bild stehend fügt er diesem etwas Eigenes hinzu. So entsteht bei der Betrachtung von Josefsohns Bildern etwas, was man mit Jacques Lacan eine “intime Exteriorität” nennen könnte. Mit zielsicherem Feingefühl sammelt der Fotograf Impressionen, die er uns zum eigenen Umgang überlässt. Unsere Meinung bildet Daniel Josefsohn bewusst nicht für uns.
Auf einen Blick
Daniel Josefsohn „Machen Sie auch Passfotos?“
Kunsthaus Jesteburg
Eröffnung:24.04.2014 um 19 Uhr
Laufzeit: 24.04 – 07.07.2014
www.kunsthaus-jesteburg.de