Wie so viele Ausstellungen in dieser Zeit, findet auch die Ausstellung „CREEP COOL“ der in Berlin lebenden Künstlerin Stef Heidhues unter erschwerten, zuvor noch nicht erprobten Bedingungen statt. Bedingungen für künstlerische Produktion, für die Arbeit einer Institution und für das professionelle und alltägliche Leben insgesamt. Mit ihrem Ausstellungstitel nimmt Heidhues subtil Bezug auf diese Situation, in der wir uns alle gemeinsam finden. Der Titel erinnert an den Ausspruch „keep cool“, verfremdet diesen jedoch, indem statt „keep“ ein „creep“ hinzugefügt wird. Ich denke an Radiohead und finde diese Musik nicht unpassend, wenn es darum geht, unsere derzeitige Gegenwart zu untermalen. Auch für die Künstlerin erscheint diese wohl recht unheimlich, weil ungewiss und ganz gewiss unsicher.
Stef Heidhues Ausstellung wurde extra für die Räume des KVJ entwickelt. Uns Besucher:innen erwartet eine feinsinnig komponierte Schau, die auf spannende Weise die Architektur vor Ort mit einbezieht. Der KVJ ist mit seinen räumlichen Gegebenheiten kein klassischer White Cube. Im Eingangsbereich des ehemaligen Bankgebäudes empfängt uns eine Treppe ins Untergeschoss (wo sich noch ein alter Tresorraum befindet). Das Geländer wird, wie auch die Fensterfront, von schwarzen Streben gebildet. Im Hinteren Teil des Ausstellungsraums befindet sich eine Plattform, die knapp einen halben Meter höher gelagert ist, als der übrige Raum. Diese Plattform, lässt sich, wie eine Bühne, über drei Stufen betreten. In ihrer präzisen Bespielung dieses Raumes, nimmt Stef Heidhues auf all diese Bedingungen Bezug. Dennoch gelingt es ihr, allen Arbeiten auch losgelöst vom vorhandenen, räumlichen Kontext ihre eigene, besondere Wirkung zu verleihen.Die Art und Weise der Setzung ihrer skulpturalen Arbeiten wirkt unangestrengt, lässt aber dennoch auf das feine Gespür der Künstlerin für Inszenierung schließen, sowie auch auf ihr Talent, Räume subtil aber nachhaltig für ihre Kunst einzunehmen.
Während ich mich durch den Ausstellungsraum bewege, fallen mir die speziellen Eigenschaften des Raumes deutlich auf, insbesondere deswegen, weil Heidhues Skulpturen diese noch einmal auf eine neue Weise in meine Wahrnehmung rücken.
Zunächst fällt mir ein größeres schwarzes, metallenes Objekt ins Auge, welches mich an einen stummen Diener oder eine andere Art von Garderobe erinnert. Viele dünne schwarze Fäden hängen auf der einen Seite herunter wie ein Vorhang, der allerdings Durchsicht ermöglicht. Sofort will ich die Fäden berühren, sie sind glatt und verhältnismäßig schwer, was den Eindruck eine fließenden Vorhangs noch verstärkt. Ob der Corona-Lage ist der Ausstellungsraum gut durchlüftet. Mit dem Luftzug bewegen sich die Fäden sanft. Das Objekt greift die strenge schwarz-weiße Gestaltung des Treppenabgangs sowie auch die der Fenster auf. Je nachdem wo ich stehe, tritt die Arbeit mit den übrigen Skulpturen und dem Raum in Dialog, lässt mich meinen Blickwinkel in Hinsicht auf kompositorische Aspekte hin verändern.
Ebenfalls fließend wirkt der silber glänzende Vorhang, aus Lametta, welcher trotz der eigentlichen Auffälligkeit seiner Wirkung, erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt. Sicherlich ganz einfach deswegen, weil man ihn erst sehen kann, wenn man den Raum bereits betreten hat und fast in der Mitte angelangt ist. Dieser Vorhang lässt einen an eine Art „Revue“ denken, Tänzerinnen und Tänzer könnten vor einem solchen Vorhang auftreten, in den 50er Jahren oder vielleicht auch heute. Allerdings bleiben heute die Bühnen leer. Wir haben Lock Down.
Stef Heidhues stellt zwei Skulpturen vor den Vorhang. Wobei dies nicht ganz korrekt formuliert ist – sie lehnt die Arbeiten an den Vorhang, hinter dem sich eine weiße Wand verbirgt. Auch wenn die Setzung der beiden Arbeiten recht beiläufig wirkt, kommen sie keines Falls so daher, als habe sie jemand‚ nur kurz dort stehen gelassen‘.
Wie auch einige andere Arbeiten der Künstlerin, vermitteln diese beiden Objekte den Eindruck, sie wären vielleicht einem anderen Kontext entnommen worden, hätten womöglich einem anderen Zweck gedient, für welchen sie allerdings irgendwie anders hätten montiert werden müssen. Dann widerum scheinen sie trotzdem extra angefertigt worden zu sein, um als reine Skulpturen zu wirken. Das gelingt ihnen sehr gut. Aber sie haben ein Geheimnis.
Alle Arbeiten von Stef Heidhues besitzen diese Unausdeutbarkeit, hinterlassen mich in einem gedanklichen Schwebezustand. Manchmal bin ich versucht die Objekte zu verschieben, gar mitzunehmen.
Gegenüber vom Vorhang aus Lametta wurde die Wand in einem sehr dunklen graublau gestrichen. An dieser Wand finden sich zwei hängende Objekte, die mich an abgelegte Kostüme erinnern. In schichten liegen Bahnen übereinander, es könnte sich bei dem Material um PVC-Folie handeln, oder um gewachstes Papier. Die Art und Weise ihres Arrangements verleiht beiden Objekten auch eine bildhafte Wirkung.Alle Arbeiten gemeinsam lassen mich an eine verlassene Bühne denken und dann eben doch wieder an unsere Situation, in welcher die Bühnen schließen müssen. Auch wenn dies wahrlich keine erheiternden Gedanken sind, stimmt mich die Ausstellung von Stef Heidhues nicht betreten. Vielmehr zeigt sie mir, wie viel künstlerische Objekte erzählen und bewirken können. Ich freue mich darüber, dass es möglich war, diesen Ausstellungsraum zu betreten. In meinen Gedanken spielen sich so viele unterschiedliche Dialoge ab – zwischen den einzelnen Objekten, zwischen den Objekten und dem Raum, den Objekten und mir selbst, mir selbst und der gesamten Ausstellung. Es macht Spaß, immer wieder den Standort zu verlagern und neue Blickwinkel einzunehmen. Auch in mir finden verschiedene Dialoge statt. In einem stelle ich mir die Frage, wie die Künstlerin es schafft, eine gewisse Wehmut entstehen zu lassen, indem sie mich in ihrer Ausstellung an die zur Zeit leeren Theaterbühnen denken lässt, und gleichzeitig auch ein positives Raumerlebnis ermöglicht.
So ist die Ausstellung für mich in der Lage, auch das auszulösen, was viele von Heidhues Objekten auch auszulösen vermögen – ein Oszillieren im Denken. Es hält einen in Bewegung, es hält einen in der Schwebe, aber es beschwingt einen eben auch.