Gerwald Rockenschaub zählt zu den international renommiertesten bildenden Künstlern Österreichs und ist zugleich als Techno-Musiker und DJ erfolgreich. Ein Porträt.
Gerwald Rockenschaub trat Mitte der 80er Jahre mit seiner Malerei im Kontext der Neo Geo – Tendenzen in der internationalen Kunstszene hervor. Bereits seine frühen kleinen Ölbilder auf Leinwand zeigten rudimentärste Formen, die eher an Piktogramme erinnerten und sich nicht aus gegenständlicher Abstraktion herleiteten. Bald entstanden Arbeiten wie die durchsichtigen Acrylglasplatten an der Wand (Galerie Paul Maenz, Köln, 1989), die mit einer anderen Logik zu arbeiten begannen.
Nicht mehr das Kunstobjekt stand im Mittelpunkt des Blicks, sondern der architektonische und räumliche Kontext, aus dem es hervorging. Nachdem das Bild als Instrument erprobt worden war, das den Blick auf den Ort lenkte, begann Rockenschaub erneut sein Spielfeld zu erweitern und bezog den gesamten Ausstellungsraum als Bildraum mit ein. Parallel hierzu entstanden dreidimensionale aufblasbare Objekte, die auf der einen Seite transparent und unsichtbar waren und auf der anderen Seite in ihrer Positionierung irritierten, störten oder gar blockierten.
Rockenschaub gehört zu einer Generation von österreichischen Künstlern wie Franz Graf, Birgit Jürgenssen, Peter Kogler, Brigitte Krowanz, Ingeborg Strobl, Heimo Zobernig und weiteren, die ihre konzeptuellen Ansätze im Gegensatz zum Mainstream der neuen wilden Malerei in den frühen 80er Jahren entwickeln konnten. Heute scheinen die Spielarten einer Aktualisierung reiner konkreter Farbmalerei bzw. abstrakter Skulptur, die nichts darstellen und nichts bedeuten will, auch vor dem kunsthistorischen Hintergrund der 60er und 70er Jahre weitgehend ausgeschöpft.
Es ist bemerkenswert, dass in den jüngeren Installationen von Gerwald Rockenschaub zunehmend „Leere“ zu einem Thema geworden ist, wenn er mit einer Kordel den Zutritt zu Räumen verwehrt, Stühle an die Außenfenster positioniert und zu einem Blick weg von der Kunst aus dem Ausstellungsraum auffordert oder mit drapierten farbigen Stoffbahnen Räume und Wände verschleiert. Dennoch hat sich der Künstler mit dem Einbezug aktueller mechanischer und technischer Herstellungsverfahren und der Verwendung von Industrie- und Designmaterialien eine ungewöhnliche Frische bewahrt. Es wirkt, als würde der Künstler mit seinen Arbeiten ein Einstiegserlebnis inszenieren, um letztlich für die Kunst schlechthin zu werben, ohne hierfür gleich die Produkte bereitzustellen.
Werbung, die vorgibt, Kunst zu sein, gleicht im günstigsten Fall einem gewinnenden Lächeln dessen, der etwas von einem will, schreibt David Foster Wallace in seiner Kreuzfahrtreportage „Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich“. Werbung funktioniert völlig anders als Kunst. Sie hat sich, was ihren Wahrheitsgehalt angeht, nur an bestimmte formaljuristische und mit etwas rhetorischem Geschick leicht zu umgebende Regeln zu halten – und kennt darüber hinaus nur ein einziges Ziel: Umsatzsteigerung. Ganz gleich, was Werbung zur Ergötzung des Betrachters alles inszeniert, es geschieht nie zu seinem Nutzen. Wir wissen natürlich, dass der Unterhaltungswert von Werbung einem Geschäftskalkül folgt und begegnen ihr entsprechend mit Vorsicht. Wir alle nehmen Werbung nur gefiltert wahr.
Werbung war von Beginn an eine der verschiedenen, wichtigen Quellen für das Werk von Gerwald Rockenschaub, das bezieht sich weniger auf ihre textliche als ihre formale Sprache, die Möglichkeiten des Designs. Und sie wurde bereits in die frühe Neo-Geo-Malerei hineingefiltert. Text kommt in seiner Malerei, in seinen Skulpturen und Rauminstallationen konsequenterweise nicht vor.
Sehr früh verarbeitete Rockenschaub mediale Einflüsse aus Zeitschriften, Werbung, Fernsehsendungen, Comics, vor allem von Fotografien und Logos. Bisweilen kann man solche Bezüge erahnen, selten aber wirklich zurückführen, z.B. in dem Wandgemälde „Bucolia“, wo Rockenschaub eine der typischen rund geometrisierten Berglandschaften aus „South Park“ (2006) zitiert und verfremdet. Rockenschaub kennt keine Berührungsängste, wenn es darum geht, die Möglichkeiten des Bildes immer wieder aufs Neue auszuloten, ebenso wie das „Betriebssystem Malerei“ upzudaten. Das macht uns seine Werke so nah.
„Ich verwende in meinen Arbeiten einfache, klare Formen oder Elemente und starke Farbkontraste als Blickfang und entwickle damit ein Spiel visueller Bedeutungen, Assoziationen, Brüche usw. Ich versuche, meine diversen Arbeiten immer möglichst einfach und präzise einerseits und komplex andererseits zu konzipieren und dadurch eine höchstmögliche Prägnanz zu erzielen“ (aus einem Interview mit Ulrike Lehmann, 2007).
Wichtig für dieses Anliegen erscheint die radikale Entscheidung, seit 1987 nicht nur das Feld der klassischen Malerei zu verlassen und das Bild zu einem Raumbild zu verwandeln, sondern auch das Werkzeug des Computers einzusetzen, dessen technische Entwicklung im Laufe der 90er Jahre und bis heute immer komplexere und spektakulärere Formulierungen ermöglicht. Für die Arbeit Rockenschaubs entscheidend bleibt dabei die Fähigkeit, aus dem Feld der unbegrenzten Möglichkeiten, die sich bei der Arbeit mit einem solchen Werkzeug millionenfach erweitern, eine innere Logik und Konsequenz beizubehalten, die bereits sein Frühwerk aufweist. Ein Höchstmass an Reduktion und Abstraktion kennzeichnet alle Eingriffe, ebenso wie die Frage, was ein Bild heute überhaupt noch leisten kann.
Der Künstler bietet uns im Kontext heutiger Informations- und Bilderflut eine rasche Lesbarkeit der Bilder. Für den Besuch einer Rockenschaub-Ausstellung (wenn es nicht gerade eine der großen beeindruckenden Rückschauen der letzten Jahre wie im MUMOK 2004 war) benötigt man nicht unbedingt viel Zeit und kann dennoch Vieles und Schönes entdecken. Rockenschaub: „Fernsehen funktioniert beim Zappen so – ich sehe übrigens viel fern. Videoclips und die Werbung funktionieren so.
Ich denke schon, wenn Kunst zukünftig überhaupt eine Überlebenschance haben soll oder haben kann, sollte sie auch ähnlich funktionieren.“ Der schnelle Blick auf die Bilder verhindert zugleich eine tiefere Durchdringung. Man sinniert und meditiert nicht vor den Bildern Rockenschaubs wie z.B. vor denen der Maler des amerikanischen Abstraktionismus oder denen der Künstler der Minimal Art. Man kann und muss auch nicht in sie hineintauchen, sowohl visuell als auch diskursiv. „Simple Philosophy“ lautete einer seiner jüngsten Ausstellungstitel. Rockenschaubs Bilder sind plakativ im besten Sinne des Wortes, da sie – im Gegensatz zu Werbeplakaten – nichts versprechen, müssen sie auch nichts einlösen; eine entwickelte Strategie zur Garantie eines „Mehrwertes“ der Kunst. Das funktioniert allerdings nicht außerhalb des Kunstkontextes. Die signethafte Vordergründigkeit der Bilder, ihre Formenvielfalt und verführerische Farbwelt gründen auf geschulte Rezeption und die Kenntnis unserer heutigen visuellen Kultur und vor allem die kunsthistorischer Vorbilder.
2007 wurde Gerwald Rockenschaub zur „documenta 12“ eingeladen, unter anderem, um für diese eine »Vermittlungsinsel« zu gestalten. Rockenschaubs Entwurf konnte direkter und konsequenter kaum sein: er platzierte eine grün-orange geometrische Skulptur in den Aue-Pavillon, »eine Bilderbuchschule mit unverrückbaren Sitzbänken und einer Schultafel« , deren Besonderheit darin lag, »den Blick der Verweilenden nicht auf das Kunstobjekt selbst, sondern auf dessen Umgebung zu lenken und so (über die Vermittlung von Inhalten hinaus) eine Abstraktion zu vermitteln.« Die Skulptur entbehrte nicht der Ironie, verkörperte sie zugleich den Inbegriff eines Playmobil-Sets oder den des Studiodisplays einer Kinderfernsehsendung.
Ohne den Kunstraum, ohne den situativen Ausstellungskontext könnten die Werke von Rockenschaub nicht existieren. Das gilt auch für die Arbeit für die „Temporäre Kunsthalle“ in Berlin, gebaut nach einem Entwurf des Architekten Adolf Krischanitz. Das Hervorstechende an dem Konzept des Architekten war, ausschließlich der Kunst und nicht der Architektur den Vorrang zu geben und zudem eine bespielbare Außenhaut für Künstler anzubieten. Drei Künstler, zunächst Gerwald Rockenschaub, dann Bettina Pousttchi und Carsten Höller erhielten den Auftrag, die Fläche von 1680 qm zu gestalten. Rockenschaub einzuladen, war klug, hatte er in den letzten Jahren großflächige architektonische Raumkonzepte realisiert, Messekojen in Skulpturen verwandelt und dabei Farbkompositionen von ungewöhnlicher Ästhetik entwickelt.
Rockenschaubs Außenhaut, die auf ein rechtwinkeliges Wandbild aus dem Jahr 2001 (Galerie Mehdi Chouakri, Berlin) zurückging, verwandelte die Ausstellungshalle in ein dreidimensionales Raumbild mit einer leuchtend himmelblauen Farbe und abstrakten weißen konkreten Formen, die den geschlossenen Baukörper visuell aufbrachen und die in abstrahierter Form mittels einer Computerpixelstruktur eine Wolke darstellten. „Wolken kann man nicht bauen. Und darum wird die erträumte Zukunft nie wahr“. Dieses Zitat von Ludwig Wittgenstein thematisierte auf eine für Rockenschaub ungewöhnliche Weise eine konkrete Vision. Universell lesbar, formulierte die computergenerierte Form auf dem historisch und politisch überladenen Schlossplatz ein urbanes Statement, das eine Projektion möglicher Bilder verhieß und „in der Wiederlegung der Behauptung die Notwendigkeit des Neuen beschwörte“.
Es ist bekannt, dass Rockenschaub zu Beginn seiner Laufbahn in Wien Philosophie studierte und sicherlich auch Vorlesungen über Wittgenstein hörte. Solche inhaltlichen Aufladungen seiner Arbeiten sind allerdings unüblich. Das unterscheidet ihn vielleicht auch von einer jüngeren Generation „abstrakter Konkreter“, die ihre Kunst wieder stärker in gesellschaftliche, soziale und politische Kontexte einzubinden versucht. Wer sich nicht auf eine poetische Betrachtung der Containerarchitektur einlassen wollte, konnte zu anderer Interpretation kommen: die dislozierte Kiste auf einer großen urbanen Baustelle warb um ihr Inneres wie die Gestaltungen einer Containerhalle in einem Industriegebiet. Doch um was hier genau geworben wurde, musste der Besucher selber herausfinden.
Rockenschaubs Kunst ist das Beispiel einer perfektionierten Ausarbeitung der Möglichkeiten, ein zeitgemäßes Bild zu schaffen, vor allem aufgrund der neuen technischen Entwicklungen. Sein Werk ist ein Remix der Formensprachen, und das der Diskurse über die abstrakte bzw. konkrete Malerei, ihre Ausweitung auf den Raum und die der populären Kultur. Es hinterfragt nicht zuletzt die Möglichkeiten, diese Strategien noch in das 21. Jahrhundert hineinzutragen. Perfektion, makellose Inszenierung und Pragmatik sind dabei ihre Kennzeichen. In diesem Sinne werben Rockenschaubs Werke für die Verführungsmöglichkeiten dieser Kunst, die nur dem Nutzen des Betrachters dient.
Titelfoto
Gerwald Rockenschaub, Variations on Classic, Portrait des Künstlers, © Reinhard Mayr/BAWAG FOUNDATION