Eine aufgrund ihrer Materialfülle kaum zu bewältigende Schau in der Hamburger Deichtorhallen-Dependance Sammlung Falckenberg stellt den Beat-Literaten William S. Burroughs jetzt als bildenden Künstler und Zentralgestirn der Subkultur vor.
Alkohol, Marihuana, Opium, Heroin, Codein, Morphin und wer weiß, wie viele weitere Drogen prägten seinen Alltag. Erstaunlich nur, dass er mit diesem nicht eben gesundheitsfördernden Mix ein recht passables Alter von 83 Jahren erreicht hat. Die Rede ist von William S. Burroughs (1914-1997), neben Allen Ginsberg und Jack Kerouac einer der zentralen Vertreter der amerikanischen Beat Generation. Burroughs war Autor von Short Stories und bahnbrechenden Undergroundromanen wie “Junkie”, “Queer” oder “Naked Lunch”, gesuchter Interviewpartner, Pionier der Spoken Word Performance und unumstrittene Kultfigur für ganze Generationen von Lesern, Schriftstellern, Musikern und bildenden Künstlern.
Die Hamburger Deichtorhallen widmen diesem zentralen Mythos der amerikanischen Counterculture jetzt in ihrer Harburger Dependance, der Sammlung Falckenberg, eine materialreiche Retrospektive. In der drei Etagen einnehmenden Schau, die zuvor bereits im ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe zu sehen war, sind neben Schrift-, Text-, Foto- und Filmdokumenten vor allem auch Auszüge aus dem weitgehend unbekannten bildnerischen Werk Burroughs’ zu sehen. Rund 150 Gemälde, Papierarbeiten, Collagen, Fotocollagen und Spray-arbeiten stellen Burroughs’ wohl erstmals in dieser Fülle auch als bildenden Künstler vor. Entstanden sind diese Arbeiten während der letzten 15 Jahre seines Lebens. Dass der als experimenteller Schriftsteller vor Drastik, sexueller Eindeutigkeit und Vulgarität nicht zurückschreckende Burroughs als bildender Künstler keineswegs feingeistige Federstift-zeichnungen oder reduzierte Konzeptarbeiten abliefern würde, versteht sich wie von selbst. Burroughs’ Kunst ist ebenso von impulsiven Entscheidungen, plötzlichen Richtungswechseln, Zufallsprozessen und kontrastierenden Verfahren geprägt wie sein Schreiben. Da wird gemalt, abfotografiert, das Foto ins Gemalte integriert und manchmal das fertige Ergebnis zum krönenden Abschluss noch mit dem Gewehr beschossen.
Was sein Verhältnis zu Handfeuerwaffen anging, da war der Mann aus Lawrence, Kansas im Mittleren Westen keineswegs zimperlich. Mit dem illegalen Verkauf von Waffen finanzierte er teilweise seine Drogensucht. Und sein allzu leichtfertiger Umgang mit einer Pistole während seiner Zeit in Mexico City endete im September 1951 für seine Frau Joan Vollmer tragisch. Wieder einmal im Vollrausch erschießt er sie versehentlich beim vermeintlich harmlosen Wilhelm-Tell-Spiel.
Neben Werken von Burroughs sind in der Hamburger Ausstellung aber auch Arbeiten von Künstlern zu sehen, mit denen er befreundet war, kollaborierte oder die maßgeblich von ihm beeinflusst wurden: Robert Rauschenberg, Keith Haring oder John Giorno etwa. Burroughs als bis heute einflussreiches Zentralgestirn amerikanischer Subkultur in all seiner Zerrissenheit zwischen abgewirtschaftetem Junkietum und künstlerischer Genialität vorzustellen, gehört sicherlich zu den Verdiensten dieser Ausstellung. Störend wirken aber die Kleinteiligkeit und das schiere, oft in überflüssige Redundanzmomente mündete Überangebot der über 1600 Exponate. Udo Breger, Harald Falckenberg, Axel Heil und Peter Weibel, die vier Macher der Schau, versuchen zwar, durch ausführliche Wandtexte, Filmprojektionen und auftapezierte Großfotos für eine gewisse Rhythmisierung zu sorgen. So richtig gelingen mag das aber nicht. Weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.
Auf einen Blick:
Ausstellung: William S. Burroughs – Retrospektive
Ort: Deichtorhallen Hamburg – Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg
Zeit: bis 18. August 2013. Besichtigung nur im Rahmen einer Führung möglich. Informationen und Anmeldung unter www.sammlung-falckenberg.de/besuch oder Tel. 040-32506762
Katalog: Verlag der Buchhandlung Walther König, 164 S., zahlreiche Abb., 24,80 Euro
Begleitprogramm: Filmprogramm Deckname Burroughs im Metropolis Kino, Hamburg. Informationen unter www.metropoliskino.de
Internet: www.deichtorhallen.de
www.sammlung-falckenberg.de