“Die Kunst siegt immer” heißt es auf einem atelierfrischen Gemälde von Jonathan Meese. Zu sehen ist dieses Bild mit dem optimistischen, vielleicht sogar programmatischen Spruch am Stand der Pariser Galerie Daniel Templon auf der diesjährigen Art Brussels. Viel Optimismus verbreitet auch die neue Messeleiterin, die in Brüssel lebende griechische Kuratorin Katerina Gregos. Sie ist als künstlerische Direktorin verantwortlich für die Neuausrichtung und Verjüngung der Messe, die sie zu den fünf wichtigsten internationalen Kunstmessen weltweit zählt. Ihre Vorgängerin, die langjährige Messedirektorin Karen Renders, die die Art Brussels in ihrer fünfzehnjährigen Direktorenschaft fest im internationalen Messekontext verankert hat, starb im vergangenen Jahr nach schwerer Krankheit im Alter von nur 54 Jahren. “Es ist schwer, in ihre Fußstapfen zu treten”, räumt Katerina Gregos ein. Sie bezeichnet Brüssel als Europas aufstrebendste Kunststadt mit vielen Galerien, Museen, Off Spaces, Privatsammlungen und zahlreichen vor Ort arbeitenden Künstlern. “Eine Kunstmesse ist wie das Rad”, sagt sie. “Man kann es nicht neu erfinden, man kann es nur immer wieder verbessern.”
So ist die Grundstruktur der Messe weitgehend erhalten geblieben. Von 450 Bewerbern wurden 189 Galerien ausgewählt, davon 117 für den Hauptsektor mit den etablierten Galerien, der Rest verteilt sich auf die Kategorien Young Talents und Solo Show. Erstteilnehmer werden von einem aus Sammlern, Galeristen und Kuratoren zusammengesetzten First-Call-Committee bestimmt und dann eingeladen. 75% der Händler kommen aus dem Ausland, und zwar aus 26 Ländern. Der Anteil an deutschen Galerien ist gegenüber den Vorjahren zurückgegangen. Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich der dichte Terminplan der Messen Art Brussels und Art Cologne. Einen Tag nach der Vernissage in Brüssel am Mittwoch folgte schon die Eröffnung der Art Cologne am Donnerstag. Während es für die professionellen Sammler noch gut möglich ist, auf beiden Hochzeiten zu tanzen, schaffen nur wenige Galeristen mit einem großen Team den Doppelschlag. So ist die Berliner Galerie Zink auf beiden Messen vertreten – ein Kraftakt, der sich hoffentlich lohnen wird. “Wir sind hier schon so lange in Brüssel dabei und haben gute Kontakte zu belgischen Sammlern aufgebaut”, erklärt Michael Zink. “Aber in Deutschland muss man auch eine gute Messe machen, daher sind wir in Brüssel und in Köln präsent.” Am Stand in Brüssel setzt Michael Zink vor allem auf Malerei und Zeichnung. Ein Hingucker ist eine große Kohlezeichnung des Belgiers Rinus Van de Velde für 18.000 Euro. Zu sehen ist eine fiktive Atelierszene mit Künstlern wie Jimmie Durham, Kara Walker und Sol LeWitt. Ein ironischer Text erläutert die Szene. Die Person des Künstlers verbindet sich in einer Art erweitertem Selbstporträt mit den Protagonisten seiner Darstellung.
Eine pessimistische Parabel auf den Kunstbetrieb hat der US-Fotograf David LaChapelle inszeniert. Sein Foto zeigt einen Raum voller zerstörter Kunstwerke nach einem Erdbeben. Jeff Koons “Balloon Dog” schwimmt im Wasser, die Hai-Vitrine von Damien Hirst ist zerbrochen. Louis-Vuitton-Künstler-handtaschen von Takashi Murakami treiben im brackigen Wasser. Die Fotografie “Seismic Shift” von 2012 hat eine Auflage von fünf und wird am Stand der Galerie Maruani & Noirhomme aus Brüssel und Knokke präsentiert.
Wie in jedem Jahr hat die Brüsseler Galerie Sorry We´re Closed einen monothematischen Stand eingerichtet. Diesmal lautet das Motto “The Naked Truth”. Das älteste Thema der Kunstgeschichte, der Akt, wird in allen Facetten, durchaus auch mit Humor beleuchtet. Von Hans-Peter Feldmann über Robert Mapplethorpe bis Bernard Buffet reicht das Spektrum. Man findet in der als “Terminal 1” bezeichneten Halle mit den etablierten Galerien viele Klassiker der Minimal Art und Konzeptkunst der 1960er Jahre, beispielsweise am Stand von Karsten Schubert aus London. Er zeigt Papierarbeiten von Bridget Riley, ein frühes Foto von Gilbert & George und Werkzeichnungen aus dem Frühwerk von Franz Erhard Walther. Katerina Gregos, selbst Kuratorin, hatte ihre Galeristen im Vorfeld der Messe in einem Brief ermuntert, keinen reinen Gemischtwarenladen zu präsentieren. “Die Idee des Supermarkts für Kunst ist in die Jahre gekommen”, sagt sie. “Das ist ermüdend für alle, für Besucher wie für Händler und Marktbeobachter.” Ganz ging ihr Ansatz im ersten Jahr ihrer Direktorenschaft jedoch noch nicht auf. Es ist offenbar doch zu verführerisch für die Galeristen, einen repräsentativen Querschnitt aus ihrem Programm zu zeigen und das Angebot auf die Vorlieben der Belgier abzustimmen. “Die belgischen Sammler stellen konkrete Fragen und kommen gezielt mehrmals an den Stand, bevor sie kaufen”, hat die Mailänder Galeristin Monica de Cardenas beobachtet, die zum zweiten Mal in Folge an der Art Brussels teilnimmt. Sie zeigt neben Klassikern wie Alex Katz und Stephan Balkenhol unter anderem die junge Italienerin Linda Fregni Nagler. Die Teilnehmerin der kommenden Venedig Biennale ist eine passionierte Sammlerin historischer Fotografien. Am Stand von Monica de Cardenas sind Reinszenierungen japanischer Studiofotografien aus dem späten 19. Jahrhundert zu sehen. Linda Fregni Nagler interessiert sich für den philosophischen und anthroposophischen Ansatz der Fotografiegeschichte. Die Barytabzüge haben eine Auflage von fünf und kosten 4000 Euro.
Zu den Neuerungen der Art Brussels gehört auch eine Intensivierung des inhaltlichen Programms mit vielen Talks, Diskussionen und Performances. Da darf dann auch die Rolle von Kunstmessen kritisch hinterfragt werden. Unter den Teilnehmern der Talks sind neben zahlreichen Künstlern und Sammlern auch international bedeutende Kuratoren wie Ute Meta Bauer, Hans Ulrich Obrist oder Chris Dercon. Der junge belgische Designer Tom Mares hat extra dafür “The Stage” entworfen, eine pavillonartige Bühnenarchitektur direkt neben dem Haupteingang. Ergänzt wird diese um “The Cinema”, eine kreisrunde Lounge mit bequemen Kinositzen, in der Besucher und Aussteller zwischendurch bei Filmen und Videos vom hektischen Messealltag abschalten können. Mares ist auch für das sonstige Re-Design der Messe verantwortlich. Er fasst die Art Brussels als eine Art internationalen Flughafen auf. Die beiden Hallen warden als Terminal 1 und Terminal 2 bezeichnet. Die Hostessen wurden in blaue Stewardessenuniformen im Stil der Sixties gesteckt. Ein Leitsystem mit farbigen Streifen auf dem Fußboden sorgt zudem für bessere Orientierung. Obwohl die Stadt Brüssel mit ihren Ausstellungen in Museen, Privatsammlungen und Galerien und der Nebenmesse Slick ein starkes Programm auffährt, soll die Art Brussels selbst im etwas abgelegenen Expo-Gebäude unweit des Atomiums der Kristallisationspunkt bleiben. “Ich habe mich entschlossen, meine ganze Energie in diese Messe zu stecken”, resümiert Katerina Gregos. Die erste Resonanz nach dem gut besuchten Vernissagetag war denn auch überaus positiv.