Neben der Art Basel nicht zu verpassen: Die Satellitenmesse LISTE schärft im 18. Jahr ihres Bestehens nochmals ihr Profil.
Die intensive Messewoche in Basel ist vorbei – Zeit, Bilanz zu ziehen. Für viele der aus aller Welt angereisten Art Basel-Besucher stand wie immer der ein oder andere Besuch auf den Nebenmessen auf dem Programm. In diesem Jahr war die Meinung einhellig: Die LISTE, die wie gewohnt in unmittelbarer Laufnähe vom Messeplatz im alternativ genutzten Gebäude der ehemaligen Warteck-Brauerei stattfand, ist mit Abstand die beste Nebenmesse der Art Basel. Kein Wunder, denn die LISTE, die als erste Satellitenmesse überhaupt 1996 von jungen Galeristen gegründet wurde, behauptet ihre kontinuierliche Qualität aufgrund strenger Auswahlkriterien. Eine Jury aus Kuratorinnen und Kuratoren hat aus über 300 Bewerbungen 66 vielversprechende internationale Galerien ausgewählt. 48 davon waren auch im Vorjahr vertreten. Die LISTE gilt nach wie vor als das wichtigste Sprungbrett für die Hauptmesse Art Basel. Doch auch der umgekehrte Weg ist möglich. In diesem Jahr waren auf der LISTE zehn Rückkehrer nach einem Zwischenspiel in den Sektionen Statements oder Feature der Art Basel zu verzeichnen. Hinzugekommen sind acht neue Teilnehmer. Das Erscheinungsbild und der Name der LISTE wurden erstmals angepasst: Statt „The Young Art Fair in Basel“ wie bisher nennt sich die Satellitenmesse jetzt selbstbewusst im Untertitel „Art Fair Basel“. Ist die LISTE im 18. Jahr ihres Bestehens erwachsen geworden? Besucher der Messe waren sich einig: Die Präsentation in den normalerweise als Werkstätten von der Basler Alternativszene genutzten Räumen der ehemaligen Brauerei ist seriöser und klarer geworden. Und die Kunst? Man konnte auch in diesem Jahr auf der LISTE an vielen Ständen junge Nachwuchskünstler entdecken, die gerade auf dem Sprung sind, im internationalen Ausstellungsbetrieb kräftig mitzumischen. Aber erstmals wurden auch einige historische Positionen gezeigt. Die Macher der LISTE um den langjährigen Messedirektor Peter Bläuer sind von der strengen Vorgabe abgewichen, nur Künstler zu zeigen, die jünger als 40 Jahre alt sind. So präsentierte etwa die Galerie Monitor aus Rom abstrakte Gemälde aus den 1960er und 1970er Jahren des 1937 geborenen italienischen Künstlers Claudio Verna.
Auffällig waren in diesem Jahr die vielen Einzelpräsentationen. Gleich im Erdgeschoss überzeugte die Pariser Galerie Schleicher/Lange mit einer präzisen Solo Show der 1977 geborenen Italienerin Meris Angioletti. Die in Paris lebende Newcomerin setzt sich in verschiedenen Medien mit dem so genannten „Expanded Cinema“ der 1970er Jahre sowie alchimistischen Transformierungen auseinander. So untersucht sie in einer Diaprojektion die Geheimsprache der Vögel oder entwickelt auf einem von der Decke hängenden, handgeknüpften Teppich ein abstraktes Storyboard (Arbeiten zwischen 5.000 und 12.000 Euro). Einen Raum weiter traf man auf die beachtenswerte Solopräsentation der Galerie Non aus Istanbul. Die 1983 geborene türkisch-schwedische Künstlerin Meriç Algün Ringborg setzt sich in ihrer Arbeit mit den Hürden der Einreiseformalitäten, speziell für Nicht-EU-Bürger auseinander. Auf der LISTE zu sehen war unter anderem die formal elegante Installation „Destination Kiribati“ von 2009. Ringborg arrangiert hier verschiedene Gegenstände von Golfschlägern, über Tabak und Weinflaschen bis zur Reiseschreibmaschine, die man laut den Einreisebestimmungen des Zwergstaates in das pazifische Inselreich einführen darf (8.500 Euro, Auflage: 3).
Einen weiteren überzeugenden Stand mit einer Solopräsentation konnten die LISTE-Besucher dann im ersten Stock finden. Hier zeigte die neuerdings in Düsseldorf ansässige, ehemals in Karlsruhe beheimatete Galerie Kadel Willborn die in Berlin lebende Künstlerin Natalie Czech, Jahrgang 1976. Die Konzeptfotografin verbindet in ihrer neuen Serie „Poems by Repetition“, die sich auf Gertrude Stein bezieht, Elemente des allgemeinen kulturellen Gedächtnisses mit gefundenen Magazintexten etwa aus dem Rolling Stone Magazine, aus denen sie mittels Markierungen neue Sinnzusammenhänge kreiert. Gerade bei internationalen Sammlern kamen die sowohl ästhetisch als auch inhaltlich überzeugenden Großformate mit ihren wiedererkennbaren Codes von Robert Longo über Pink Floyd bis Yoko Ono sehr gut an. Mehr von Natalie Czech wird es in den nächsten Monaten in ihren beiden institutionellen Einzelausstellungen im Kunstverein in Hamburg und im Braunschweiger Kunstverein zu sehen geben.
Kontrastprogramm: In einer architektonisch herausfordernden Koje im Durchgangsbereich zeigte die Berliner Galerie KOW die 2003 gegründete russische Künstlergruppe „Chto Delat?“ („What has to be done?“). Das auch publizistisch aktive Kollektiv setzt sich humorvoll, aber auch mit einem großen politischen Bewusstsein mit der auf den ersten Blick heilen Welt im properen Norwegen auseinander. Auf der LISTE zeigten sie eine Wandmalerei in Street Art-Manier mit sprechenden Tieren und für die Umwelt bedrohlichen Ölplattformen. Ein 50-minütiger Videofilm im lakonischen Stil eines Aki-Kaurismäki-Films thematisiert die in Norwegen oftmals rigide gehandhabte Praxis von Jugendämtern.
Ebenfalls humorvoll setzt sich der 1983 geborene Niederländer Feiko Beckers mit den sozialen Beziehungen in seinem familiären Umfeld auseinander. Die Amsterdamer Galerie Jeanine Hofland Contemporary Art zeigte die knapp achtminütige Videoprojektion „No chance of success whatsoever“, in der Beckers zusammen mit seinem Vater auftritt und auf ironische Weise die Misserfolge im Leben seines Vaters sowie das spezielle Vater-Sohn-Verhältnis thematisiert. Das Video basiert auf einer Performance, die Vater und Sohn Beckers während der Messe mehrmals live aufführten (2.800 Euro, Auflage: 5).
Zum zweiten Mal in Folge auf der LISTE vertreten war die ursprünglich in Pakistan gegründete Galerie Grey Noise aus Dubai. Grey Noise zeigte die in Berlin lebende Südtirolerin Ingrid Hora mit einer Skulptur, einem dreiminütigen Video und Papierarbeiten. Die 36-jährige Künstlerin, die auch einen Abschluss in Architektur hat, thematisiert in ihren Siebdrucken und bildhauerischen Arbeiten die Funktion und Funktionslosigkeit von Gegenständen, speziell von Trainingsgeräten oder Körperextensionen für Senioren. Als Eyecatcher war am Stand eine minimalistisch anmutende Skulptur aus fünf miteinander verschweißten metallenen Gehhilfen zu sehen (12.000 Euro).
Gleich nebenan erregte die Pariser Galerie Bugada & Cargnel große Aufmerksamkeit mit der bis an die Decke ragenden Skulptur „Jardin d’Hiver“ des 1981 geborenen Franzosen Adrien Missika. Der in Genf ausgebildete Preisträger der diesjährigen Swiss Art Awards setzt sich in seiner Arbeit mit dem brasilianischen Landschaftsarchitekten und Botaniker Roberto Burle Marx (1909-1994) auseinander. Missika kombiniert in seiner an überdimensionale Zimmerplanzendisplays erinnernden Skulptur architektonische Elemente der 1960er Jahre mit der ebenfalls seit dieser Zeit zu beobachtenden Verbreitung tropischer Pflanzen in den Wohnzimmern der nördlichen Hemisphäre.
Während die Galerie Bugada & Cargnel bereits zum sechsten Mal in Folge an der Messe teilnahm und bereits über gute internationale Kontakte verfügt, sind andere Teilnehmer der LISTE gerade noch dabei, sich zu vernetzen. Für entdeckungsfreudige Sammler spannend war die rumänische Galerie Sabot aus Cluj-Napoca, die zum zweiten Mal in Folge an der LISTE teilnahm. Hier gab es keine vorfabrizierten englischsprachigen Pressetexte oder routiniert vorgetragene Erläuterungen. Galeristin Daria Pervain beantwortete alle Fragen lieber im persönlichen Gespräch und berichtete begeistert von der Minimal Art und Abstraktion, die in den 1960er und 1970er Jahre neben der Figuration die Kunstszene in der Stadt Cluj (Klausenburg) prägte. Auf der LISTE zeigte Sabot unter anderem den 1975 geborenen Rumänen Radu Comsa, dessen abstrakte Kompositionen aus einem Materialmix aus Beton und Offsetdrucken für Aufmerksamkeit sorgten.
Nach Messeschluss bilanziert die LISTE sehr gute Verkäufe und eine stolze Zahl von rund 13.000 Besuchern. Treffpunkt, Kontaktbörse und Entdeckermesse zugleich, hat die etablierteste aller Satellitenmessen ihr Profil weiter geschärft und gleichzeitig die freundschaftliche Anbindung an die große Hauptmesse Art Basel beibehalten. So darf Messedirektor Peter Bläuer sich jetzt ganz entspannt zurücklehnen und in gewohnt unaufgeregter Gelassenheit mit den Planungen für die 19. Ausgabe der LISTE beginnen.