Das Ernst Barlach Haus in Hamburg zeigt den Dresdner Maler Conrad Felixmüller. Der Schwerpunkt der Werkauswahl liegt auf den avantgardistischen Werken aus der Zeit der Weimarer Republik.
Ein rußgeschwärzter Arbeiter mit stahlblauen Augen steht vor einem brodelnden Stahlungetüm, seine Mütze tief ins Gesicht geschoben. Hinter ihm sprühen, einem Feuerwerk gleich, die Funken. Das Gemälde “Hochofenarbeiter” von Conrad Felixmüller (1897-1977) stammt aus dem Jahr 1927. Mit seinen Bildern aus der Arbeitswelt, die überwiegend im Ruhrgebiet und im Erzgebirge entstanden sind, aber auch mit seinen politischen Bildern, Radierungen und Holzschnitten, ist der Dredner Maler berühmt geworden. Das Ernst Barlach Haus in Hamburg präsentiert jetzt mit rund 80 Werken aus den Jahren 1914 bis 1933 die erste Retrospektive zum Werk Conrad Felixmüllers seit knapp 30 Jahren. Direktor Karsten Müller konzentriert sich vornehmlich auf die produktive Zeit der Weimarer Republik, in der Felixmüllers Werk zu großer formaler und inhaltlicher Reife gelangte.
Zum Auftakt werden im ersten Raum der Schau Bilder aus dem familiären Umfeld des Malers präsentiert. Diese harmonisch anmutenden Porträts seiner Frau Londa und seiner beiden Söhne Luca und Titus zeigen den frühen Einfluss der Brücke-Maler und des Kubismus, aber auch die Verbindung zum Spät-expressionismus, zum Realismus und seinen allmählichen Übergang zur Neuen Sachlichkeit. “Kunstgeschichtlich ist Felixmüller schwer greifbar”, stellt Karsten Müller fest. “Es ist eine Kunst, die aus der Familie Energie schöpft, aber auch nach außen wirkt und politisch aktiv agiert.” Felixmüller galt schon mit 13 als Frühbegabter, dessen Talent für stimmige und einfühlsame Porträts auffiel. Mit 15 besucht er bereits die Dresdner Akademie.
Besonders bemerkenswert sind seine Darstellungen von Künstlerkollegen. So porträtiert er 1920 Raoul Hausmann mit Monokel wie einen Maschinenmenschen. Betrachtet man Felixmüllers Werke aus der frühen Weimarer Republik, die vom politischen Engagement des zeitweiligen KPD-Mitglieds ebenso zeugen wie von seiner Virtuosität im malerischen Erfassen industrieller Arbeitswelten, erlebt man einen Maler der Leidenschaft und der Lebendigkeit. “Das sind mit Biss durchgearbeitete, emphatische Werke, die Kunstgeschichte geschrieben haben”, so Karsten Müller. Felixmüller fertigte damals auch immer wieder Holzschnitte für die Titelblätter politischer Zeitschriften.
1920 bereiste er das Ruhrgebiet. Es entstanden Ölgemälde, Druckgrafiken, Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen von Schächten und Zechen, Fabrikschloten, Gasometern und den Menschen davor und darin, die all dies durch ihre Arbeitskraft in Gang hielten – eine Art mitfühlender Realismus. Eine Tuschezeichnung zeigt aber auch ein verliebtes Paar eng umschlungen vor einer Industrielandschaft. 1924 trat Felixmüller aus Enttäuschung aus der KPD aus. Bald darauf zerstörte er auch einen Teil seiner avantgardistischen Werke. Während der NS-Zeit wurden 150 seiner Werke als “entartet” beschlagnahmt. Nach dem Krieg lebte Felixmüller zunächst in der DDR, wo ihm, dem zeitlebens unangepassten Individualisten, die Anerkennung als Staatskünstler allerdings versagt wurde. 1967 siedelte er nach West-Berlin um, wo er 1977 starb.
Die sehenswerte Ausstellung beleuchtet vor allem die avantgardistische Schaffensperiode Conrad Felixmüllers in den 1920er Jahren. Sie macht den Spagat zwischen der Intimität des Familienglücks und politisch engagierter und innovativer Malerei deutlich und vermittelt so auch ein Bild von der Zerrissenheit des Menschen in politisch bewegten Zeiten.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Conrad Felixmüller: Glückseligkeit und Kampfesmut
Ort: Ernst Barlach Haus, Hamburg
Zeit: bis 2. Februar 2014, Di-So 11 bis 18 Uhr
Katalog: Wienand Verlag, 272 Seiten, 254 Farbabb., 28 Euro
Internet: www.barlach-haus.de