Alle sind im Einkaufsstress – auch eine Ausstellung in der Kunsthalle Münster widmet sich jetzt unserer ambivalenten Liebe zu den Dingen.
Münster. Wie viele Waren sich in der durchschnittlichen Privatwohnung von heute anhäufen, hätte in vorindustrieller Zeit wahrscheinlich selbst die wohlhabende Oberschicht verblüfft. Und noch mehr, dass in der Gegenwart die Lust daran mitunter als Last empfunden wird. Der Berliner Künstler Florian Slotawa hat schon 1995 akribisch seinen gesamten Besitz auf 162 Fotos festgehalten. In einer Art Diashow formt sich aus Küchenutensilien, Matchbox-Autos, Jeanshosen und Schallplatten ein vermeintliches Selbstporträt. Neben Slotawas Arbeit zeigt die Ausstellung „Die Liebe zu den Dingen“ in der Kunsthalle Münster Werke von elf weiteren Künstlern, die sich mit unserem ambivalenten Verhältnis zu alltäglichen Gegenständen auseinandersetzen.
Passend zur Weihnachtszeit gibt es natürlich auch einen geschmückten Tannenbaum zu bestaunen. Der Schweizer Künstler Roman Signer hat ihn allerdings mit einem Rotationsmechanismus ausgestattet. Von Zeit zu Zeit gerät der seiner natürlichen Umgebung beraubte Waldbewohner in so heftige Umdrehungen, dass er all seine Kugeln in die Ecke schleudert und am Ende wohl wieder nackt da stehen wird. Zurück zur Natur eben.
Doch allzu plumpe Konsumkritik ist heute nicht mehr angesagt. Zu manchen Objekten darf man gerne auch ein etwas innigeres Verhältnis entwickeln. Das beweist schon der Eyecatcher der Schau: die „Emotional Machine“ von Surasi Kusolwong. Der Thailänder hat dafür einen weißen VW-Käfer in eine Schaukel für Verliebte umgebaut. Im Inneren des von der Decke hängenden Gefährts läuft eine DVD mit einem Sonnenuntergang über dem Eiffelturm, ergänzt um Installationen mit Pkw-Teilen, Zeitungen und Fundstücken aus dem Münsteraner Hafen, wie um dem Auto einen Altar zu errichten.
Keine Malerei, keine narrative Fotografie, kaum bewegte Bilder: Susanne Düchting, Gail Kirkpatrick und Julia Wirxel, die drei Kuratorinnen der Schau, verzichten auf allzu Erzählerisches. Dafür sind Installationen und Skulpturen zu sehen, die dem Fetisch huldigen – oder aber ihn entzaubern. In bester Readymade-Tradition präsentiert Alexandra Bircken Küchenarbeitsplatten in gefakter Holzoptik. Sylvie Fleury inszeniert Einkaufstüten aus texanischen Luxusboutiquen auratisch unter Plexiglas. Und der Franzose Al Masson zeigt einen Umkleideraum mit Dutzenden unifarbener Handtücher aus einem Secondhandshop. Ein fast malerisches Arrangement. Dennoch glaubt man, den Schweißgeruch längst vergangener Schulsportstunden wahrzunehmen.
Anziehung und Abstoßung, der verführerische Reiz der Oberflächen und das manchmal schale Gefühl nach dem vollendeten Kaufakt: Geschickt lotet die fein ausbalancierte Schau unsere (Hass-) Liebe zu den Dingen aus.