Gute Aussichten 2013/14: Bereits zum zehnten Mal präsentieren die Hamburger Deichtorhallen jetzt prämierte Nachwuchsfotografen aus deutschen Kunst- und Medienhochschulen.
Ein kleines Jubiläum: Seit zehn Jahren gibt es jetzt den Fotografiewettbewerb „Gute Aussichten“, der die neuesten Trends in der jungen deutschen Fotografie aufspürt. Dafür werden jedes Jahr verschiedene Hochschulen aufgefordert, vielversprechende Nachwuchsfotografen zu nominieren. Eine siebenköpfige Fachjury wählte dann aus 100 Bewerbungen von 33 Kunst- und Fachhochschulen neun Preisträger aus, die jetzt in den Hamburger Deichtorhallen präsentiert werden. Die Kunstwissenschaftlerin Josefine Raab, die den Wettbewerb gemeinsam mit dem Autor Stefan Becht initiiert hat, ist zufrieden mit der Entwicklung: „»Gute Aussichten« ist eine Idee, eine Geisteshaltung, eine Philosophie, die sich in den letzten zehn Jahren immer weiter entwickelt hat.“
Welche Trends sind in diesem Jahr ablesbar? Abgesehen davon, dass einige Teilnehmer ihre Fotoprojekte eher aus bildhauerischen Ideen, kulturhistorischen Rechercheprojekten oder beim Sammeln fremder Bilder aus dem Internet entwickeln, fällt auf, dass bei den Nachwuchsfotografen, die tatsächlich noch mit der Kamera hinausgehen, die klassische Sozialdokumentation wieder auf großes Interesse stößt. So hat Stephanie Steinkopf, 36, von der Ostkreuzschule in Berlin über einen Zeitraum von vier Jahren immer wieder die Bewohner einer heruntergekommenen Plattenbausiedlung in Brandenburg aufgesucht, bis sie deren Vertrauen erlangte und sie ihre Wohnungen betreten durfte. Ein Kettenraucher sitzt traurig auf einem einfachen Sofa, den Kopf resigniert auf die Tischkante gelehnt, vor ihm ein Haufen ungeordneter Zigaretten. Entstanden sind einfühlsame, keineswegs voyeuristische Aufnahmen. Bilder zwischen Dokumentation und Inszenierung – inspiriert von der französischen Dokumentarfilmerin Agnes Varda.
Birte Kaufmann, 33, die ebenfalls an der Ostkreuzschule ausgebildet wurde, verfolgt einen ähnlichen Ansatz in einem anderen Langzeitprojekt. In Irland dokumentierte sie das Leben von Wanderarbeitern und Pferdehändlern, die ihre eigene Sprache sprechen und von der irischen Gesellschaft diskriminiert werden. Kaufmann ist es gelungen, Zugang zu den sehr auf Abschottung bedachten, so genannten „Travellers“ zu bekommen. „In der Arbeit war es mir wichtig, den Alltag darzustellen und nicht die spektakulären Momente im Leben der »Travellers«“, erläutert die Berlinerin ihren alles Sensationalistische vermeidenden Ansatz. Wie sich Einwanderer aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien am Rande von Lissabon illegale Gärten einrichten, um dort im kleinen Stil Landwirtschaft zu betreiben, hat wiederum die an der Fachhochschule Dortmund ausgebildete Lioba Keuck, 31, eindrucksvoll dokumentiert.
Die Ausstellung „Gute Aussichten“ ist nicht nur ein Gradmesser für die neuesten Trends im Bereich Fotografie, sie bildet immer wieder auch ein Sprungbrett für Nachwuchskarrieren. So konnten in den letzten zehn Jahren nicht wenige Teilnehmer im Ausstellungsbetrieb Fuß fassen. Josefine Raab blickt zufrieden auf die ersten zehn Jahre zurück und zieht, den Schriftsteller Rolf Hochhuth zitierend, ein erstes Fazit: „Nur die Gegenwart ist die Wirklichkeit.“
zufrieden auf die ersten zehn Jahre zurück und zieht, den Schriftsteller Rolf Hochhuth zitierend, ein erstes Fazit: „Nur die Gegenwart ist die Wirklichkeit.“
Auf einen Blick
Ausstellung: Gute Aussichten. Junge deutsche Fotografie 2013/2014
Ort: Deichtorhallen Hamburg, Haus der Photographie
Zeit: 7. Februar bis 23.März 2014
Di-So 11-18 Uhr, jeden 1. Donnerstag im Monat 11-21 Uhr
Katalog: Revolver Publishing, 224 S., 334 Abb., 20 Euro
Internet: www.deichtorhallen.de, www.guteaussichten.org