Fundamentale Einsichten: In der Italienischen Botschaft in Berlin stellte der Rotterdamer Architekt und Kurator Rem Koolhaas jetzt sein Konzept für die 14. Architektur-Biennale Venedig vor.
Die Architektur-Biennale in Venedig stand bislang im Schatten ihrer Schwesterbiennalen, welche der Bildenden Kunst und dem Kino gewidmet sind. Erst 1980 gegründet, kann sie auf keine allzu lange Tradition zurückblicken. Auch die wesentlich kürzere Laufzeit von Ende August bis Anfang November statt wie bei der Kunstbiennale von Juni bis November bescherte der Architektur-Biennale eine geringere Aufmerksamkeit bei Presse und Publikum.
In diesem Jahr wird sich daher einiges ändern. So wird jetzt erstmals auch die Architektur-Biennale über eine sechsmonatige Laufzeit verfügen, und mit dem 1944 geborenen niederländischen Architekten und Architekturtheoretiker Rem Koolhaas als Kurator ist es den Organisatoren gelungen, einen der inhaltlich reflektiertesten Superstars zeitgenössischer Architektur zu verpflichten. Koolhaas, der im Jahr 2000 den renommierten Pritzker-Architektur-Preis erhielt, hat 2013 in seiner Heimatstadt Rotterdam sein bisheriges Meisterstück, das 44-stöckige, dreiteilige Hochhausensemble „De Rotterdam“, errichtet und damit seine Vision einer stark verdichteten, vertikalen Stadt, wie er sie in weithin beachteten Bestsellern der Architekturtheorie wie „Delirious New York“ (1978) oder „S, M, L, XL“ (1995) theoretisch vorweggenommen hat, in die gebaute Realität umgesetzt.
Nach anderthalb Jahren Vorbereitungszeit hat Rem Koolhaas jetzt in der Italienischen Botschaft in Berlin seine Planung für die am 7. Juni 2014 beginnende Architektur-Biennale der Presse vorgestellt. Unter dem Oberbegriff „Fundamentals“ werden drei Themenblöcke zu sehen sein. „Absorbing Modernity: 1914-2014“ versteht Koolhaas als Aufforderung an alle 65 Teilnehmerländer, sich in ihren Pavillons individuell mit der Problematik der in den letzten 100 Jahren zu beobachtenden Auslöschung nationaler Architekturen zugunsten einer internationalen Moderne und Postmoderne zu beschäftigen. Wie lassen sich „nationale“ Eigenarten angesichts einer globalisierten Einheitsarchitektur aufrechterhalten? Wie kann man sie zurückerobern, ohne chauvinistischen Ethno-Kitsch zu produzieren?
Die Sektion „Elements of Architecture“ im zentralen Pavillon auf dem Giardini-Gelände widmet Koolhaas den Grundelementen der Architektur, wie sie zu jeder Zeit von jedem Architekten genutzt werden: Dach, Tür, Fenster, Treppe, Balkon… Wie haben sie sich historisch entwickelt? Welche nationalen Besonderheiten gibt es? Wie lassen sie sich auf Funktionalität und Ästhetik hin untersuchen? Aber auch: Welche Rolle spielt etwa der Balkon als Schauplatz von Geschichte für unser historisches Gedächtnis?
Auf dem weitläufigen Arsenale-Gelände wiederum untersucht die ebenfalls von Koolhaas selbst kuratierte Sektion „Monditalia“ am Beispiel Italiens das Hin- und Hergerissensein eines Landes zwischen nationaler Identität, starker Zuwanderung und globaler Architektursprache. Gezeigt werden soll etwa, wie sich der Zuzug von Nicht-Christen auf die sakrale Architektur Italiens auswirkt. Der 400 Meter lange Ausstellungsparcours, ausgehend von einer Italienkarte aus dem 13. Jahrhundert, zeigt aber nicht nur Beispiele aus der Architektur. Aufgelockert wird er durch zahlreiche Bühnen. Erstmals in der Geschichte der Architektur-Biennale lädt Koolhaas die anderen Biennale-Disziplinen Film, Tanz, Theater und Musik ein, integraler Bestandteil der Ausstellung zu werden.
Von dem Intellektuellen Rem Koolhaas als Kurator der 14. Architektur-Biennale ist also eine multidisziplinäre Ausstellung zu erwarten, die nicht etwa preisgekrönte architektonische Highlights und Investorenprojekte aus aller Welt versammelt sondern grundlegende, auch zutiefst politische Fragen an das Zusammenleben aller auf diesem Planeten stellt. Koolhaas, der die Privatsphäre des Menschen im Zeitalter von Big Data gefährdet sieht, begreift Architektur auch als Rückzugsort für das bedrängte Individuum: „Was wir alle gemeinsam haben, ist das Grundbedürfnis nach Komfort und Sicherheit, und das spiegelt sich eben auch in der Architektur.“