Rückzug in den Schmollwinkel: Mit finanzieller Unterstützung des Hamburger Unternehmers Alexander Otto und seines Einkaufscenter-Konzerns ECE soll die Hamburger Kunsthalle zukunftsfähig gemacht werden.
Den Hamburger Hauptbahnhof mit seinen rund 450.000 Reisenden täglich betrachtet Hubertus Gaßner, noch bis Sommer 2016 Direktor der Hamburger Kunsthalle, als „nicht attraktives Umfeld“. Da ist es aus seiner Sicht nur konsequent, dem Bahnhof und damit der ungeschönten, mitunter für Schöngeister vielleicht auch etwas anstrengenden und schmuddeligen Seite der Stadt in Zukunft den Rücken zuzuwenden. Als „Drehung zur Binnen- und Außenalster, also in die Stadt hinein“ jedenfalls verkauft der scheidende Direktor die Schließung und Verlegung sämtlicher Eingänge des Hauses.
In Zukunft soll die Hamburger Kunsthalle nur noch über ein zentrales Eingangsportal im ornamentgeschmückten Gründungsbau von 1869 verfügen. Seit 1919 war dieser Eingang nicht mehr zugänglich. Der dem Bahnhof zugewandte, jetzige Haupteingang wird geschlossen. Auch die 1997 eröffnete Galerie der Gegenwart, ein Bau des Kölner Architekten Oswald Mathias Ungers, wird dann nicht mehr separat zugänglich sein. Insgesamt kommen die Umbaumaßnahmen also eher einer Abwendung von der Stadt gleich. In Zukunft wird der Besucher also, begrüßt von Zierrat und Schnörkeln, im repräsentativen Foyer des Gründungsbaus empfangen. Die dortige Servicezone vereint Kassen, Infocounter und natürlich einen stark erweiterten Museumsshop.
Dieser Rückzug in den Schmollwinkel des 19. Jahrhunderts wird möglich gemacht durch eine 15-Millionen-Euro-Sachspende der Dorit und Alexander Otto-Stiftung. Mit weiteren sieben Millionen Euro beteiligt sich allerdings auch der Hamburger Senat an den Baumaßnahmen. So ist ein neues, längst überfälliges Depotgebäude ebenso geplant wie eine rollstuhlgerechte Umgestaltung der Wegeführung und der Außenanlagen. Vorgestellt wurden die Pläne jetzt anhand eines detailgetreuen, hydraulisch betriebenen Modells auf einer mit dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und weiteren Senatsmitgliedern hochkarätig besetzten Pressekonferenz im Hamburger Rathaus.
Der Hamburger Unternehmer Alexander Otto, 46, Betreiber der Einkaufscenter Entwicklungsgesellschaft ECE, die mit über 180 Shopping-Malls europaweit Branchenprimus ist, dürfte seine Millionen allerdings nicht ganz uneigennützig zur Verfügung stellen. Ihm geht es nicht zuletzt um Definitionsmacht. Einen Architektenwettbewerb, aus dem andernorts namhafte Büros wie Foster + Partners (Lenbachhaus, München), Kühn Malvezzi (MMK im Taunus Turm, Frankfurt) oder David Chipperfield Architects (Museum Folkwang, Essen) hervorgegangen sind, wird es in Hamburg nicht geben. Eine verpasste Chance. Schlimmer noch: Der Bauantrag ist bereits eingereicht. Eine öffentliche Diskussion offenbar unerwünscht. Sämtliche Planungs- und Bauleistungen werden von ECE gesteuert. Das Lichtkonzept verantwortet der für seine umstrittenen Illuminationen bekannte Hamburger „Lichtzauberer“ Michael Batz.
Die Rolle des extern hinzugezogenen Hamburger Büros LH-Architekten bleibt auch nach der Präsentation des Projekts unklar. Gleichwohl feiert Alexander Otto die zweckgebundene Sachspende als mäzenatische Tat. Auch über seine 2000 ins Leben gerufene Stiftung „Lebendige Stadt“ verteilt Otto immer wieder großzügig Geld an klamme Städte und Kommunen. Oberbürgermeister und Kommunalpolitiker werden durch die Übernahme von Sitzen in diversen Stiftungsgremien geschickt in die Stiftungsarbeit eingebunden. Das eigentliche Ziel: die Schaffung von positiv besetzten Konsumumfeldern und damit die schleichende private Überplanung des öffentlichen Raums. Vom 1. Juli 2014 bis zur geplanten Neueröffnung der modernisierten Kunsthalle am 29. April 2016 wird der Altbau-Trakt geschlossen bleiben.
Im Ungers-Bau werden allerdings weiterhin Highlights der Sammlung und Wechselausstellungen zu sehen sein. Hubertus Gaßner, der wenige Wochen nach Beendigung der Bauarbeiten in Pension geht, möchte den Hamburgern die von den auf Shopping-Malls spezialisierten ECE-Projektmanagern aufgehübschte Kunsthalle „als goldene Kugel“, deren Glanz sich auf die gesamte Umgebung übertragen soll, hinterlassen. Als nächstes, da waren sich auf der Pressekonferenz alle einig, ist dann wohl der ungeliebte Hamburger Hauptbahnhof dran.