Nach dem Abpfiff an die Gursky-Bar: Ins deutsche WM-Quartier Campo Bahia hat die Kunst Einzug gehalten. Doch nicht nur eine extravagante Bar mit Fußball-Motiven soll die verwöhnten Starkicker bei Laune halten.
Die große Fußball-Samba hat begonnen. Und damit die deutsche Mannschaft von Joachim Löw sich gut auf den Ernst des Turniers vorbereiten kann, hat der DFB sich bei der Auswahl des Quartiers so richtig viel Mühe gegeben. Schweinsteiger & Co residieren auf „Campo Bahia“, einem 15.000 Quadratmeter großen Sport- und Naturresort im Dorf Santo André im Bundesstaat Bahia. Dort stehen 14 zweigeschossige Häuser mit 65 Wohneinheiten für den DFB-Tross bereit. Doch damit die vielbeschäftigten Kicker neben Elfmetern, Gelben Karten und Abseitsfallen auch noch auf andere Gedanken kommen, wurden sieben brasilianische und sieben Künstler aus Deutschland eingeladen, jeweils ein Gebäude mit ihren Arbeiten zu bestücken. Die Auswahl übernahm der renommierte Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach, zu dessen Klienten unter anderem das Museum of Modern Art in New York gehört.
In einem binationalen Workshop direkt vor Ort realisierten die Künstler bereits einige Wochen vor der WM ihre Arbeiten. Eine „Deko-Oase“ war ausdrücklich nicht erwünscht. Allen wurde die Aufgabe gestellt, sich mit kulturellen und gesellschaftlichen Identitäten auseinanderzusetzen. Ein Brasilien-Bezug war aber nicht zwingend.
So spielt der Düsseldorfer Chris Succo in seiner Serie „Dirty Mirrors“ auf durch Fingerabdrücke und Kritzeleien verunreinigte Spiegel in Michael Jacksons letzter Unterkunft in Los Angeles an. Diango Hernandez, ebenfalls aus Düsseldorf, baute Skulpturen und Installationen aus einfachen Gegenständen wie Möbelteilen, Antennen und Radioelementen, mit denen er zementierte gesellschaftliche Systeme hinterfragt. Der Performancekünstler Rodrigo Braga aus Rio de Janeiro thematisiert in seinen Fotografien und Videos das Verhältnis zwischen Mensch, Landschaft und Tier. Karikaturen wiederum steuert Loredano bei. Er sammelte Erfahrung als politischer Zeichner in Deutschland für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Heute arbeitet er unter anderem für Brasiliens älteste Tageszeitung „O Estado de S.Paulo“.
Wenn Jogis Jungs dann abends auf ihren Sieg anstoßen wollen, tun sie das am besten in der von Andreas Gursky und Claus Föttinger gestalteten Bar. Die beiden Düsseldorfer Künstler haben schon mehrfach kooperiert. Für die WM-Bar auf „Campo Bahia“ hat Fußballfan Gursky seine Fotografie „Amsterdam, Arena“ von 2003 in eine Bodenarbeit umgewandelt. Claus Föttinger hingegen übernahm die Gestaltung des Tresens und der Lampen mit Fotos von Fußball-Ikonen wie Franz Beckenbauer und Sepp Herberger. Ob Spielanalyse oder Strategiebesprechung für das nächste Match: In diesem Umfeld der künstlerischen Inspiration auf „Campo Bahia“ kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Und nach der WM? Das attraktive Resort soll zum Touristenort für kulturinteressierte Brasilien-Urlauber werden. Einzelne Kunstwerke aber werden versteigert, um mit dem Erlös soziale Projekte in Brasilien zu fördern. Angesichts der Einkommensunterschiede zwischen der deutschen Nationalelf und ihren bitterarmen Gastgebern im 800-Seelen-Dorf Santo André eine durchaus ehrenwerte Idee.