Bei ihm wird der American Dream zum konsumistischen Alptraum: Die Kunsthalle Bremen zeigt die überbordenden Installationen des 2006 früh verstorbenen Kaliforniers Jason Rhoades.
Die Welt als Sammelsurium. Alte Computer, Monitore, Overheadprojektoren, Plastikeimer, T-Shirts, Bücher, chirurgische Instrumente, Zeichnungen, Collagen, Pornohefte, Neonschriften, eine Nebelmaschine, Ventilatoren und viele andere Materialien mehr benutzte der US-amerikanische Installationskünstler Jason Rhoades, um daraus überbordende Referenzsysteme voller vieldeutiger Anklänge an die Mythen und Versprechungen der Warenwelt und die in Amerika allgegenwärtige Pop- und Trashkultur zu konstruieren. Der 1965 in Kalifornien als Sohn eines Farmers geborene Totalkünstler starb 2006 am Ende eines wilden Partyabends an Herzversagen, ausgelöst durch eine Überdosis.
Der Welt hinterlassen hat er eine Fülle von Großinstallationen, Materialassemblagen, Skulpturen, Multiples, Collagen und Zeichnungen. Die Kunsthalle Bremen unternimmt jetzt den Versuch, etwas Ordnung in die auf den ersten Blick chaotischen Hinterlassenschaften des provokanten Berserkers zu bringen.
„Four Roads“ lautet der Titel der ersten großen postumen Retrospektive des Künstlers in Europa. Erarbeitet wurde die jetzt in Bremen auf 900 Quadratmetern präsentierte Schau am Institute of Contemporary Art (ICA) in Philadelphia. Bremen ist die einzige deutsche Station der Ausstellung.
ICA-Kuratorin Ingrid Schaffner erschließt das ausufernde Werk über vier „Hauptstraßen“. Einerseits untersucht wird Rhoades’ Bedeutung als amerikanischer Künstler, fasziniert von PS-starken Autos, Waffen, Cowboys und dem unbändigen Drang zur permanenten Selbstverwirklichung.
Dann sein Denken in Systemen, seine tiefe Verwurzelung in der eigenen Kindheit und schließlich sein Hang zum provokanten Tabubruch und zur totalen Enthemmung. Zu sehen sind vier zentrale Großinstallationen sowie einzelne skulpturale Arbeiten, Multiples und Wandarbeiten, die über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren entstanden sind. Gleich im ersten Raum der Ausstellung lässt Rhoades den Betrachter Einblick in Mythos und Wirklichkeit des künstlerischen Schöpfungsakts nehmen.
Die aus vielen Hundert Einzelteilen bestehende Gerümpel-Installation „The Creation Myth“ von 1998 entpuppt sich bei näherer Betrachtung als bis ins kleinste Detail ausgetüfteltes und überaus humorvolles Modell des Künstlerhirns – inklusive einer Spielzeugeisenbahn, auf der sich endlos die Gedanken drehen. Ob blankpolierte Aluminiumrohre, blaue Kunststofffässer, Steckdosen, Kabel, Bohrmaschinen, ausgediente Fahrgestelle oder Achtzylindermotoren: Baumarkt- oder Schrottplatzbesitzer werden sich die Hände gerieben haben, wenn Rhoades auf Einkaufstour für eine neue Arbeit ging.
Gebrauchen konnte er fast alles. Und wenn er etwas nicht gleich fand, dann ging er selbst unter die Erfinder. So schuf er etwa Baumaterial namens „PeaRoeFoam“, eine eigentümliche Mixtur aus Erbsen, Fischrogen und Styropor-Kügelchen.
Und dann gibt es da noch die Arbeit „My Madinah: In pursuit of my ermitage“. Sie besteht aus 96 bunten Neonwörtern. Jedes davon gibt ein anderes Slangwort wieder. Alle aber bezeichnen das Gleiche: die Vagina.
Als Rhoades eine ähnlich provokante Installation mit Neonzeichen 2003 in seiner New Yorker Galerie David Zwirner zeigte, gab es noch eine schwarze Kaaba aus Legosteinen mittendrin, die während der Laufzeit der Ausstellung nach und nach von einem Galerieassistenten aufgebaut wurde. Für Rhoades war eben alles mit jedem verbunden, wenn auch manchmal auf etwas obskure Art und Weise. Jason Rhoades: „Mit unmöglichen Zusammenstellungen zu jonglieren, war immer ein Thema meiner Arbeit. Einfach drei Objekte wie einen Gummiball, eine Kettensäge und einen lebenden afrikanischen Elefanten zu nehmen und zu versuchen, damit zu jonglieren.“
Auf einen Blick
Ausstellung: Jason Rhoades – Four Roads
Ort: Kunsthalle Bremen
Zeit: bis 4.1.2015. Di 10-21 Uhr. Mi-So 10-17 Uhr
Katalog: Prestel Verlag, in englischer Sprache, 200 S., zahlreiche Farbabb., 39 Euro (Museum), 49,95 Euro (Buchhandel)