Kompakt, flexibel und revolutionär in der Wirkung: Die Leica wird 100. Die Hamburger Deichtorhallen würdigen jetzt die erste Kleinbildkamera der Welt mit einer grandiosen Jubiläumsschau.
Henri Cartier-Bressons elegant gekleideter Herr, der über eine Pfütze springt. Alfred Eisenstaedts Matrose, der am Tag der japanischen Kapitulation auf dem Times Square spontan eine Krankenschwester küsst. Und Nick Úts Aufnahme des unbekleideten vietnamesischen Mädchens Kim Phúk, das vor einem Napalm-Angriff flieht. Jede dieser drei Fotografien gilt heute als Medienikone, die sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat. Alle drei Bilder haben aber noch etwas gemeinsam: Sie wurden mit einer Leica aufgenommen.
Zufall? Schließlich gibt es viele Kamerahersteller, mit deren Produkten sich ganz passable Fotos machen lassen. Eher schon ein Glaubensbekenntnis, denn eine Leica stellt bis heute für viele Fotografen so etwas wie eine Legende dar.
Mit diesen handlichen und immer zuverlässigen Kameras wurde im 20. Jahrhundert Fotografiegeschichte geschrieben. In diesem Jahr wird die erste Kleinbildkamera der Welt 100 Jahre alt.
Die Hamburger Deichtorhallen nehmen das zum Anlass, die Technik-, Kultur- und Kunstgeschichte der kompakten Kamera einmal ausführlicher zu beleuchten. „Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografie“ versammelt rund 500 Aufnahmen von 140 teils weltberühmten, teils unbekannteren Fotografen, darunter Barbara Klemm, Thomas Hoepker, William Klein oder Nobuyoshi Araki.
Daneben sind aber auch Kamera-Prototypen, Magazine, Bücher, Zeitschriften und historische Werbemittel der Firma Leitz zu sehen.
Für Hans-Michael Koetzle, den Kurator der Schau, markiert die Leica einen Paradigmenwechsel in der Alltagskultur: „Mit der bequem in der Manteltasche zu tragenden Leica war das Fotografieren zum selbstverständlichen Teil des Alltags geworden.“
Im Jahre 1914 erfunden hat die Kamera Oskar Barnack (1879-1936), damals Entwicklungschef in der optischen Fabrik Leitz im hessischen Wetzlar. Der Erste Weltkrieg verzögerte aber die Markteinführung, so dass die revolutionäre Konstruktion erst 1925 ihre ersten Käufer fand. Doch dann gab es quasi kein Halten mehr. Die Leica beförderte die Kreativität von anspruchsvollen und experimentierfreudigen Fotografen in aller Welt.
Die Hamburger Schau beleuchtet in 14 Kapiteln alle wichtigen Aspekte in der Geschichte der legendären Kleinbildkamera. Ausgehend von Konstruktionszeichnungen und Prototypen, vermittelt sie Einblicke in die Technikgeschichte. Am Beispiel von László Moholy-Nagy, Ilse Bing oder Alexander Rodtschenko zeigt sie, wie die begabtesten Avantgardekünstler mit ihr eine vollkommen neue Ästhetik entwickelten.
Dem Boom der Illustrierten in den 1920er und 1930er Jahren ist mit Aufnahmen von Robert Capa, Erich Salomon oder Gisèle Freund ebenso ein eigenes Kapitel gewidmet wie der zweiten Blütezeit des Bildjournalismus zwischen 1945 und 1975. Prominent vertreten ist auch die Bildreportage „Die Deutschen“ (1960) des vor wenigen Tagen verstorbenen Schweizers René Burri.
Andere Kameras ausprobiert haben viele, so auch Henri Cartier-Bresson. Doch am Ende ist er seiner Leica treu geblieben: „Jeder Versuch in eine andere Richtung hat mich zu ihr zurückgebracht. Ich sage nicht, dass das für einen anderen auch gelten muss. Für mich ist sie nun mal die einzige Kamera, die in Frage kommt.“
Auf einen Blick
Ausstellung: Augen auf! 100 Jahre Leica Fotografiegeschichte
Ort: Deichtorhallen Hamburg/Haus der Photographie
Zeit: 24. Oktober 2014 bis 11. Januar 2015. Di-So 11 − 18 Uhr
Jeden 1. Donnerstag im Monat: 11 − 21 Uhr (außer an Feiertagen) 1. und 2. Weihnachtsfeiertag
sowie Neujahr 13 − 18 Uhr. Heiligabend und Silvester geschlossen
Katalog: Kehrer Verlag, 564 S., ca. 1.200 Farb- und S/W-Abb., 98 Euro
Internet: www.deichtorhallen.de