Fotografie zwischen Repräsentation und Abstraktion, Autorschaft und Aneignung: Der Kunstverein in Hamburg zeigt die New Yorker Künstlerin Lisa Oppenheim in einer großen Einzelausstellung
Die New Yorker Künstlerin Lisa Oppenheim, Jahrgang 1975, arbeitet vorzugsweise mit zwei Medien: der Fotografie und dem Film. Die Tatsache jedoch, dass sie so gut wie nie einen Fotoapparat oder eine Film- oder Videokamera in die Hand nimmt und selbst auf den Auslöser drückt, macht die Angelegenheit schon etwas komplizierter.
Die in den USA bereits mit wichtigen Ausstellungen gefeierte Künstlerin, die jetzt in einer großen Einzelausstellung im Hamburger Kunstverein gezeigt wird, macht keine originär eigenen Fotos oder Filme. Sie unterzieht stattdessen Fotos so berühmter Fotografen wie Walker Evans oder Manuel Álvarez Bravo oder aber Videobilder aus dem Internet komplexen Transformations- und Übersetzungsprozessen, an deren Ende dann wieder statische oder bewegte Bilder herauskommen, die sie in Ausstellungen, wie etwa „New Photography“ 2013 im New Yorker Museum of Modern Art, präsentiert.
Ihre Arbeitsweise klingt kompliziert und ist es auch. Für ihre Ausstellung „Forever is Composed of Nows“, die jetzt im Kunstverein in Hamburg zu sehen ist, hat Oppenheim unter anderem die Kataloge von Malereiausstellungen des Hamburger Kunstvereins aus dem vergangenen Jahrhundert gesichtet. Ihr besonderes Augenmerk galt hier Darstellungen, die entweder den Mond oder die Sonne zeigten. So präsentiert sie jetzt, jeweils auf langen, weißen Holzleisten, einzeln stehend oder zu kleinen Gruppen zusammengestellt, je rund 30 Abbildungen der Sonne und des Mondes.
Die aus den Kunstwerken isolierten Himmelskörper hat Oppenheim für ihre beiden neuen Serien „Heliograms“ und „Lunagrams“ auf Fotopapier übertragen und dieses dann mit natürlichem Sonnen- oder Mondlicht unterschiedlich lange belichtet. Zu sehen sind jetzt die auf Aluminiumplatten kaschierten Schwarz-Weiß-Bilder in ganz unterschiedlichen Helligkeitszuständen und Abstraktionsstufen.
Eine ebenso konzeptuelle wie sinnliche Arbeit, die andererseits aber auch Erinnerungen an die dunklen Kapitel in der Geschichte des Kunstvereins wachruft. So wurde 1936 eine Ausstellung mit Werken von Künstlern wie Max Beckmann, Otto Dix, Lyonel Feininger und Ernst Ludwig Kirchner vom NS-Regime geschlossen und das damalige Gebäude des Vereins beschlagnahmt.
Wie gehen wir mit Bildern in unserem täglichen Leben um? Wie mit historischem Quellenmaterial? Oppenheim stellt Fragen wie diese, indem sie Dinge zunächst ganz wörtlich nimmt, in ihren Übertragungsprozessen dann aber zu durchaus bildhaften und poetischen Resultaten kommt. So zeigt sie in ihrer 2014 entstandenen Arbeit „Landscape Portraits (Some North American Trees)“ schwarz-weiße Silbergelatine-Abzüge von Holzmaserungen. Dünne Furniere typisch nordamerikanischer Bäume hat sie dafür direkt auf das Fotopapier gelegt und dieses kurz belichtet.
Elegant gerahmt sind diese Bilder mit dem gleichen Holz, dessen Struktur auch auf den Fotografien abgebildet ist. Einen ganz umgekehrten Weg beschreitet Oppenheim in ihren neuen Textilarbeiten. Ausgehend von historischen Fotovorlagen aus der Textilsammlung des 2013 verstorbenen New Yorker Kunsthändlers Seth Siegelaub, stellte sie mit mechanischen Jacquard-Webstühlen hochwertige Gewebe her.
Die dabei zur Mustergenerierung verwendeten Lochkarten manipulierte sie jedoch so, dass es zu Blockaden, Leerstellen und Motivverschiebungen kam. „Ich lege großen Wert darauf, dass das Material alle unterschiedlichen Spuren seiner Bearbeitung offenbart“, so die Künstlerin.
Lisa Oppenheim erweist sich auch hier als ebenso neugierige, wie unorthodoxe und experimentierfreudige Feldforscherin im Dickicht der Haupt- und Nebenwege der Fotografiegeschichte.
Auf einen Blick
Ausstellung: Lisa Oppenheim. Forever Is Composed Of Nows
Ort: Kunstverein in Hamburg
Zeit: bis 18.1.2015, Di-So 12-18 Uhr. 3.10., 25. und 26.12. geöffnet.
24. und 31.12 sowie am 1.1. geschlossen
Katalog: Sternberg Press, 160 S., 92 Farbabb., deutsch-englisch, 30 Euro