Einhundert Jahre Überfluss: Die Ausstellung „Fette Beute – Reichtum zeigen“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe versammelt fotografische Selbst- und Fremdinszenierungen der feinen Gesellschaft von 1913 bis Heute.
Yachthäfen, Pferderennbahnen, Spielcasinos, Hotellobbys, Kunst- und Luxusgütermessen – und nicht zuletzt die möglichst extravagant ausgestatteten eigenen vier Wände. Sei es das ererbte Schloss aus altem Familienbesitz in Good Old Europe oder aber ein 1000 Quadratmeter großer Marmorpalast am Mulholland Drive in Hollywood.
Refugien der globalen High Society gibt es viele. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch der beschränkte Zugang für Normalsterbliche. Der wird in der Regel durch hohe Mauern, Hecken, Überwachungskameras, Sicherheitsleute und andere Maßnahmen penibel reguliert. Fotografen jedoch ist es zu allen Zeiten gelungen, in die Reservate der oberen Zehntausend vorzudringen – und sei es nur, weil die so eitel sind, dass sie ihren Reichtum gern öffentlich zur Schau stellen.
Die Ausstellung „Fette Beute – Reichtum zeigen“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe versammelt jetzt rund 150 Arbeiten von 20 internationalen zeitgenössischen Künstlern, die die Inszenierung von Reichtum nicht nur im westlichen Kontext sondern gerade auch in Schwellenländern wie China, Russland, Brasilien, Nigeria oder dem Kongo in den Medien Fotografie und Video untersucht haben.
Prominent vertreten sind Fotografen wie Martin Parr, Juergen Teller oder Louise Lawler. Daneben sind aber auch historische Aufnahmen wie etwa Edward Steichens Anfang des 20. Jahrhunderts in Paris entstandene Porträts von den Besuchern eines Pferderennens zu sehen.
Doch die stellen fast schon eine Ausnahme dar. Lange Zeit nämlich widmeten sich Reportagefotografen eher der Dokumentation der Armut. „Niemand hat, soweit ich weiß, das soziale Phänomen des Reichtums fotografiert“, wunderte sich noch 1964 die Fotografin Dorothea Lange. „Das exzessive Vorzeigen von Reichtum ist etwas, was in dieser Form und in diesem Umfang früher nicht gezeigt wurde“, konstatiert auch Esther Ruelfs, die Kuratorin der Schau.
Erst seit den 1980er Jahren hätten sich Fotografen mit diesem Phänomen intensiver beschäftigt. Auf das Thema gestoßen ist sie eher zufällig im Internet. „Rich Kids of Instagram“ heißt eine 2012 gegründete Seite, auf der sich der zeigefreudige Nachwuchs der Highsociety auf Papas Bentley rekelt oder Jahrgangschampagner aus Magnumflaschen schlürft. Schlimm genug. Bei ihrer Recherche entdeckte Esther Ruelfs dann ganz unterschiedliche soziologische Grundmuster, die sie jetzt in sechs thematische Kapitel aufgefächert hat.
Mit Lisette Models in den 1930er Jahren entstandenen Aufnahmen von der „Promenade des Anglais“ in Nizza heftet sich die Schau ebenso auf die Spuren der feinen Gesellschaft wie mit Martin Parrs entlarvenden Nahaufnahmen neureicher Russen auf der Moskauer Millionärs-Messe im Jahr 2007. Die amerikanische Künstlerin Tina Barney wiederum untersuchte in ihrer Serie „The Europeans“ die theatralischen Posen traditionsbewusster Adels- und Patrizierfamilien.
Spannend wird die Schau insbesondere da, wo sie ihren Blick auf die alten und neuen Eliten in Südamerika, Asien oder Afrika wirft. Der Niederländer Paolo Woods etwa zeigt, wie sich reiche Chinesen in Nigeria als Neokolonialherren inszenieren. Und Lamia Maria Abillama stellt uns in ihrer Serie „Ladies of Rio“ eine brasilianische Oberschicht vor, die sich, das Hauspersonal immer dezent im Hintergrund, aus Angst vor Kidnapping und Straßenkriminalität in ihre opulenten Behausungen zurückgezogen hat.
Die Ausstellung „Fette Beute“ demonstriert, wie sich die Zurschaustellung von tatsächlichem Reichtum oder seinen bloßen Insignien im Lauf der Jahrzehnte gewandelt hat. Sie führt uns die stilvolle Eleganz und die arroganten Machtgesten der alten Eliten ebenso vor wie die exhibitionistische Zeigefreude und Menschenverachtung der neuen. Und sie macht uns zu Komplizen, die – hin- und hergerissen zwischen Voyeurismus und Widerwille – am Ende dennoch hinschauen.
Auf einen Blick
Ausstellung: Fette Beute – Reichtum zeigen
Ort: Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
Zeit: 17.10.2014 bis 11.1.2015. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr
Katalog: Kerber Verlag, 200 S., 72 farbige und 38 s/w Abbildungen, 24,50 Euro (Museum), 39,95 Euro (Buchhandel)
Internet: www.mkg-hamburg.de