Von antiken Prachtkoranen bis zu provokanten TV-Serien aus dem Pakistan der Gegenwart: Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hat seine umfangreiche Sammlung islamischer Kunst jetzt vollkommen neu aufgestellt
Hamburg. Die Horrormeldungen kommen fast täglich rein. Selbsternannte Gotteskrieger des Islamischen Staates, von Al Qaida oder Boko Haram zerstören jahrhundertealte Bibliotheken, schänden die Grabstätten von Heiligen und Propheten oder stürzen antike Türhüterfiguren vom Sockel, um sie anschließend mit dem Presslufthammer weiter zu zerkleinern. Ins Kreuzfeuer geraten ist in Syrien, im Irak oder Mali nicht nur das kulturelle Erbe von Christen, Babyloniern, Mesopotamiern, Assyrern oder afrikanischen Stämmen sondern auch das islamische Erbe selbst. Der IS duldet keine „Götzenbilder“. Sein Ziel ist die völlige Auslöschung der kulturellen Vielfalt in seinem Einflussbereich.
Unter anderem auch vor diesem Hintergrund hat sich das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) jetzt entschlossen, seine Sammlung islamischer Kunst ganz neu und in stark erweiterter Form zu präsentieren. Rund 270 Exponate sind in der frisch aufbereiteten Dauerausstellung zu sehen. Darunter Architektur-fragmente, Teppiche, Stoffe, Gold- und Silberarbeiten, Keramik und Buchkunst.
Geografisch umfasst der Begriff Islamische Kunst die einst oder noch heute vom Islam geprägten Länder: Die mehrere Jahrhunderte von den Mauren beherrschte iberische Halbinsel gehört ebenso dazu wie bestimmte Gebiete Indiens, Nordafrikas und Zentralasiens. Ein zentrales Anliegen der Schau ist es daher, auch den kulturellen Austausch zwischen den teils durch die Seidenstraße verbundenen islamisch geprägten Regionen untereinander, aber auch die Wechselwirkungen mit China und Europa aufzuzeigen. Wertvolle Bankettgefässe aus Gold und Silber, aber auch prachtvolle Glas- und Keramikarbeiten machen etwa die Vielfalt islamischer Tischkultur erfahrbar.
Dass man die Neukonzeption einer Sammlung, die das Etikett „islamisch“ trägt, angesichts der aktuellen Konflikte nicht ausschließlich auf kunsthandwerkliche Artefakte reduzieren kann, liegt für Sabine Schulze, die Direktorin des MKG, auf der Hand: „Wir klammern überhaupt nicht aus, dass die islamisch dominierten Länder heute oft Krisengebiete sind, und gerade da sind die zeitgenössischen Positionen wichtig.“
Gezeigt werden daher neben Comics und Graphic Novels von jungen muslimischen Zeichnerinnen auch Ausschnitte aus der pakistanischen Fernseh-Serie „Burka Avenger“, in der eine mit Stiften, Büchern und Schultaschen bewaffnete, Burka tragende Superheldin bildungsferne Taliban und korrupte Politiker gleichermaßen bekämpft.
Überhaupt wird die umfangreiche Präsentation immer wieder durch filmische Intermezzi aufgelockert. Ausschnitte aus dem 1926 entstandenen Silhouetten-Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ von Lotte Reiniger lassen idealisierende europäische Orientvorstellungen aufscheinen, die von der Märchensammlung „Tausendundeine Nacht“ inspiriert sind. Ebenfalls gezeigt wird der auf Festivals in aller Welt gefeierte 3D-Animationsfilm „Simorgh“ des jungen, in den USA lebenden iranischen Regisseurs Meghdad Asadi Ladi. Der zu Freiheit und Selbstbestimmung aufrufende Film setzt die im 12. Jahrhundert verfasste, mystische Dichtung „Konferenz der Vögel“, eines der bedeutendsten Werke der persischen Literatur, in eine sehr poetische, mit zeitgenössischer persischer Musik unterlegte Bilderzählung um.
Mit der Eröffnung der Islam-Sammlung ist die Neupräsentation der vier großen Weltreligionen im Museum für Kunst und Gewerbe jetzt abgeschlossen. Die dem Christentum, Judentum und dem Buddhismus gewidmeten Abteilungen waren bereits in den vergangenen Jahren vollkommen neu konzipiert worden.
Nicole Büsing und Heiko Klaas 9.3.2015
Auf einen Blick:
Ausstellung: Neueinrichtung der Sammlung Islamische Kunst
Ort: Museum für Kunst und Gewerbe (MKG), Hamburg
Zeit: Dauerausstellung ab 12. April 2015. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr
Katalog: zur Neupräsentation der Sammlung islamischer Kunst erscheint keine gesonderte Publikation.
Empfehlenswert ist aber der Ende 2014 erschienene Sammlungskatalog des MKG „Objekte erzählen Geschichte – Die Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg“, Hatje Cantz Verlag, 288 Seiten, 220 Abbildungen, 29,80 Euro