Aufnahmen zwischen Lakonie und Redseligkeit: Anlässlich seines bevorstehenden 70. Geburtstags zeigt das Düsseldorfer Museum Kunstpalast jetzt den Filmemacher Wim Wenders als weit gereisten Fotografen.
Düsseldorf. „Paris, Texas“, „Der amerikanische Freund“ oder „Buena Vista Social Club“. Mit Wim Wenders‘ filmischem Œuvre ist das deutsche Publikum bestens vertraut. Dem vergleichsweise unbekannten fotografischen Werk des 1945 in Düsseldorf geborenen Regisseurs, der am 14. August 70 Jahre alt wird, widmet das Düsseldorfer Museum Kunstpalast jetzt unter dem Titel „4 REAL & TRUE 2“ eine umfangreiche Ausstellung mit rund 80 meist großformatigen Bildern. Wenders sieht sich, auch wenn er mit dem Fotoapparat agiert, in erster Linie als Bildermacher. Obwohl er als Filmemacher technischen Neuerungen sehr offen gegenüber steht, lehnt er als Fotograf die digitale Technik ab. Störendes schleppt er schon mal persönlich aus dem Bild. Seine Assistenten lässt er zu Hause. Seine weltweiten Fotostreifzüge unternimmt er ganz allein.
Als Fotograf arbeitet Wenders ausschließlich analog – je nach Aufnahmesituation mit drei verschiedenen Kameras. Und er „optimiert“ seine Negative auch nicht nachträglich mit Bildbearbeitungssoftware. Wenders hat zu Beginn seiner Karriere ein Jahr lang Malerei studiert. Seinen Filmen ebenso wie seinen Fotografien sieht man das an. „In weiter Ferne, so nah!“, oder „Bis ans Ende der Welt“: Wenders‘ Filmtitel eignen sich perfekt, um auch die weltentrückte und melancholische Atmosphäre seiner Fotografien zu beschreiben. Er sei Landschaftsfotograf, sagt er. Menschen interessierten ihn als Regisseur, nicht als Fotografen. Sobald eine menschliche Figur auf dem Bild sei, ziehe sie alle Aufmerksamkeit auf sich. „Ich sehe mich als so eine Art Dolmetscher zwischen Orten, die etwas erzählen wollen, und Menschen, die in der Lage sind, das zu sehen“, so Wenders.
Die Düsseldorfer Schau versammelt Reisefotografie, Architektur– und Landschaftsaufnahmen, die zwischen 1976 und 2014 entstanden sind. Wim Wenders’ Neugier auf narrativ aufgeladene Orte treibt ihn in die entlegensten Winkel dieser Erde. Ein verrostendes Riesenrad irgendwo in Armenien fesselt seinen Blick ebenso wie ein gottverlassener Indianer-Friedhof unter tief hängenden, schwarzen Wolken in Montana, ein Schrottplatz voller ausgedienter VW-Käfer im australischen Outback oder eine menschenleere Hotellobby mit roten, gelben und blauen Kunstledersesseln in Arizona. Roadmovie-Ästhetik trifft in diesen Aufnahmen auf die ambivalente Attraktion verfallender und morbider Orte. Mal dezente, mal ganz augenfällige Anspielungen auf Malerei verorten seine Bilder weit eher im Kontext amerikanischer Maler wie Edward Hopper, Andrew Wyeth oder Barnett Newman als im streng konzeptuellen Kosmos der Düsseldorfer Photoschule à la Becher, Gursky, Ruff und Struth.
So weit, so gut. Wenders aber scheint der visuellen Kraft seiner Aufnahmen nicht vollständig zu vertrauen. In seinen Filmen und augenscheinlich auch in seiner Fotografie beständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Seele der Orte, strapaziert er den Betrachter mit einer Überdosis gutmeinender Fürsorglichkeit: Fast jede Fotografie wird von einem mal poetischen, mal anekdotenhaften, mal rührseligen Wandtext flankiert. Wenders’ sehr subjektive, allzu redselige und manchmal ins Esoterische abdriftende Kommentierungen engen den Betrachterblick an vielen Stellen unnötig ein. Vielleicht sollte man sich dieser zweifellos sehenswerten Ausstellung daher lieber als Betrachter oftmals grandioser Fotografien und nicht als Leser von mitunter aufdringlichen Wandtexten nähern. Die Fremdheit und die Stille der aufgesuchten Orte sind auf den Aufnahmen vortrefflich eingefangen. Der vielen Worte hätte es da gar nicht mehr bedurft.
Auf einen Blick
Ausstellung: 4 REAL & TRUE 2. Wim Wenders. Landschaften. Photographien
Ort: Museum Kunstpalast Düsseldorf
Zeit: bis 16. August 2015, Di–So 11–18 Uhr, Do 11–21 Uhr, Feiertage 11–18 Uhr
Katalog: Schirmer/Mosel Verlag, 352 S., 163 Tafeln, 29,80 Euro (Museumsausgabe)
Internet: www.smkp.de