Der Kunstverein in Hamburg zeigt die erste instutionelle Einzelausstellung der dänischen Konzeptkünstlerin Nina Beier in Deutschland. Für ihre ebenso konsumkritischen wie ästhetisch überraschenden Arbeiten erhielt Beier 2014 in Bremen den renommierten Kunstpreis der Böttcherstraße.
Ein Paar weiß-blauer Basketballschuhe, Größe 55 steht im Ausstellungsraum, als hätte jemand sie gerade ausgezogen und wäre auf Socken davongelaufen. Um die Schuhe herum hat sich eine kleine Pfütze gebildet. Klare Flüssigkeit, die an den Rändern bereits langsam wieder eintrocknet. „Human Resource Industries“ (2013) ist ein Werk der 1975 in Aarhus geborenen dänischen Künstlerin Nina Beier. Überdimensionierte Schuhe wie diese fertigen Sportartikelhersteller zu Präsentationszwecken. Getränkt sind sie mit einer Mischung aus künstlichem Schweiß und künstlichen Tränen. Beides wird von der Industrie eingesetzt, um Farbechtheit und Verschleiß zu untersuchen.
Unter dem Titel „Cash for Gold“ präsentiert jetzt der Kunstverein in Hamburg die erste institutionelle Einzelausstellung der in den letzten Jahren international immer bekannter gewordenen, heute zwischen Berlin, New York und London hin- und herpendelnden Dänin. Im vergangenen Herbst erst wurde Beier in Bremen der renommierte Kunstpreis der Böttcherstraße verliehen.
Beier untersucht den visuellen Fundus unserer von Kapital- und Warenströmen, Billigimporten und Luxusartikeln, globalen Werbe-kampagnen und dubiosen Wertschöpfungsketten charakterisierten Gegenwart. Welchen Wahrheitsgehalt haben die oft anonymen Bilder, die uns auf Plakatwänden, Magazinanzeigen oder im Internet auf Produkte und Dienstleistungen aufmerksam machen sollen? Wo kommen sie her? Wer hat sie produziert? Und transportieren sie bei aller Austauschbarkeit und dem gewinnorientierten Kalkül, mit dem sie in die Welt gesetzt werden, vielleicht doch noch so etwas wie einen metaphorischen Gehalt?
Nina Beier hat im Hamburger Kunstverein einen Parcours der subtilen Kontextverschiebungen aufgebaut. Typische Neureichen-Accessoires wie handbemalte Porzellanhunde und -vasen mit gängigen chinesischen Motiven begrüßen den Besucher gleich am Eingang.
Doch so ganz intakt sind die kostspieligen Dekoobjekte nicht mehr: Die Künstlerin hat ihnen mit einer Präzisionsfräse markante Bisswunden verpasst, die ernüchternde Einblicke in ihr substanzloses Inneres gewähren. Was im echten Leben vielleicht für Reichtum und Weltläufigkeit stehen soll, entlarvt Beier als das, was es ist: ein hohles Versprechen. Einen Raum weiter konfrontiert uns die Künstlerin mit zwei akkurat aufgeschichteten Teppichstapeln.
Der in monatelanger Handarbeit geknüpfte Perserteppich stand einst für gutbürgerliche Behaglichkeit. Heute jedoch gilt er vielen als antiquierter Firlefanz. Indem Beier die jeweils oberen Exemplare mit ausgespuckten Kaugummis verunstaltet, verweist sie einmal mehr auf den Wandel gängiger Wertvorstellungen. Gleichzeitig jedoch errichtet sie den anonymen und unterbezahlten Teppichknüpferinnen eine Art Denkmal. Ihre längst verflossene Lebens- und Arbeitszeit wird hier körperlich erfahrbar gemacht.
In anderen Arbeiten presst Beier die unterschiedlichsten Objekte unter schwere Glasplatten: edle, jedoch mit gefälligen Allerweltsmotiven bedruckte Hermès-Krawatten und angegraute Daunenschlafsäcke, mit Geldscheinreproduktionen bedruckte Strand-tücher und vertrocknete Palmwedel, Echthaarperücken und Muster-teppiche verschmelzen zu mehrdeutigen Kompressionen, die die weltweite Zirkulation von Bildern, exotischen Pflanzen, menschlichem Haar und Kapital reflektieren.
Was aber haben leicht lädierte Porzellanhunde, Teppichstapel voller ausgespuckter Kaugummis, überdimensionierte Basketball-schuhe, Seidenkrawatten und bedruckte Badetücher miteinander gemeinsam? „Alle Arbeiten, die ich hier zeige, kreisen um die Vorstellung, dass da etwas zwischen der Bedeutung einer Sache und der Sache selbst liegt“, sagt Nina Beier. Wer der tieferen Bedeutung ihrer nicht unbedingt immer selbsterklärenden Arbeiten auf die Schliche kommen möchte, tut daher gut daran, sich mit dem am Eingang ausliegenden Glossar auszurüsten und die Wandtexte sorgfältig zu lesen.
Auf einen Blick
Ausstellung: Nina Beier – Cash for Gold
Ort: Kunstverein in Hamburg
Zeit: bis 26.7.2015. Di-So 12-18 Uhr
Katalog: erscheint im Herbst
Internet: www.kunstverein.de