Jeder, der die Daily Show schaut, kann sich allabendlich aufs neue beweisen lassen, dass die politische Apokalypse längst Realität geworden ist. Humor wird trotzdem, oder vielleicht sogar gerade deswegen, essentiell. Jon Stewart ist glänzender Everyday-Entertainer und einer der Wenigen, die es vermögen, jedem medialen wie politischen Realitätsverlust noch einen letzten, vernünftigen Scherz abzugewinnen. Und selbst angesichts des normalisierten Chaos glaubt er, dass er das muss. Weil investigativer Humor die alltäglichen Ausnahmezustände, den grassierenden Nonsens vermeintlicher Eliten zu dekonstruieren vermag.
Stewarts Humor ist damit weder nur reines Zeitphänomen einer post-politischen Spätmoderne, die sich dem Amüsement ergibt, noch eine nihilistische Antwort auf eine Gegenwart, in der nur, wie Adorno erklärt „[darüber] gelacht wird […], das es nichts zu lachen gibt.“
Dieser Humor ist vielmehr eine kritische Praxis, dessen genealogisches Grundgerüst sich mithin bis in die frühe Aufklärung zurückverfolgen lässt: einer seiner wichtigsten Vorväter heißt Anthony Ashley Cooper, Third Earl of Shaftesbury.
Bereits im Jahre 1709 formulierte er einen kategorisch zu praktizierenden Imperativ: „Je größer der Druck ist, desto ätzender wird die Satire sein. Je härter die Sklaverei, desto erlesener die Possenreißerei.“ Cooper war besorgt, dass die kritische Analyse im Heer der religiösen Dogmen und politischen Meinungen untergehen könne, und so wählte er den Spott, um das Dunkel der Absurditäten aufzuhellen, das Erfundene zu entlarven – kurz: aufzuklären. In seiner einflussreichen Denkschrift „Sensus Communis“ bestimmte er also die wohlgesetzte Pointe zum treffsichersten Werkzeug der Wahrheit, bemühte sich – wie Stewart heute – mit der „Freiheit des Witzes und der Laune“ den herrschenden Widersprüchen und regierenden Alternativlosigkeiten lächelnd entgegenzutreten.
Heute findet das befreiende und zur Mündigkeit ermutigende Programm Shaftesburys im Spektakel der US-amerikanischen Medienlandschaft erstaunlichen Wiederhall. Ausgerechnet Amerika! Ist nicht jenes Amerika Schuld an dem ganzen Unwahren der Kulturindustrie, dem grenzenlosen „infotainment“ der postdemokratischen Kakophonie; belegt es nicht täglich die baudrillardsche Hyperrealität, deren Schizophrenie das einzig Verlässliche zeitigt?
Vielleicht. Die dürftige, mithin radikal apolitische Konstitution US-amerikanischer Medien Anfang des 21. Jahrhunderts ist in jedem Fall ein Grund dafür, dass man Shaftesburys Forderung nach „erlesener Possenreißerei“ Folge leistet. Das unseriöse, aber vertrauenswürdige Nachrichtenformat der Daily Show nimmt sich der frühaufklärerischen Aufgabe erneut an, übersetzt den „Sensus communis“ in eine medial hochgerüstete Zeitgenossenschaft und richtet viermal wöchentlich das Spotlight des Lächerlichen auf die signifikanten Ungereimtheiten der Welt – im Interesse der Öffentlichkeit und zu seiner Unterhaltung.
Anchorman Stewart sitzt dabei jeden Abend zentriert vor einer lichtspendenden neonblauen Weltkugel, kritzelt kurz vor seinen Einstiegssätzen letzte Notizen hyperaktiv auf ein Blatt Papier. Ein Singen, Klatschen und Raunen begleitet das einleitende „Welcome to the Daily Show“ – Stewart, der Pseudo-Nachrichtensprecher mit shiny Krawatte und graumeliertem Haar, Stewart, der Comedian; er gilt als „most trusted newscaster“.
Sein immer flüchtiges Minenspiel verspricht keine philosophische Kontemplation, sondern spiegelt den Irrwitz jener Neuigkeiten, die er dem Publikum gleich verkünden wird. Es geht hier nicht tatsächlich darum, das Geschehen des Tages in neutraler Informativität nachzuzeichnen, vielmehr will man es aus dem porösen Material der sensationslustigen „Latest-News-Kultur“ befreien. Stewart gelingt dies mit einem Humor, der aus investigativer Recherche und Vernunft schöpft, der Wahlversprechen und eherne (Verfassungs-)Grundsätze referiert und die daily news kontextualisiert.
Vermeintlich kurzlebige Nachrichten werden mit rhetorischen Versatzstücken „seriöser“ Medien, Bildfolgen und O-Tönen angereichert, sodass aus bloßer Information ein aufklärendes Narrativ erwächst – manchmal ist das zynisch, mitunter maliziös, aber immer überparteilich komisch. Mehr noch: Es bringt die Widersprüche in Politik und Wirtschaft auf den Begriff: So wird aus Wahlkampfspenden an Hillary Clinton kein anzügliches Tanzen, sondern „Dirty Donating“ und der libertäre Opportunismus republikanischer Politiker führt, durch Hintergrundfakten ergänzt, über die „Majority Retort“ zur absoluten „Democalyse 2016“. Im stilistischen pars pro toto und durchdrungen von Verfremdungseffekten legt Stewart so das Handeln einzelner Akteure offen; macht das theatralische Schauspiel, das Große-Ganze erkenn-, aber vor allem begreifbar. Ein letzter Kommentar wird dabei zum Mantra: „It’s insane!“
Diesem kritisch-humoristischen Referenzspiel unterzieht der umfassend, aber unaufdringlich gebildete Comedian nicht nur Vorderbänkler oder dem „King of Democracy“ (Präsident Obama), sondern auch kommunal-politische ‚Größen’. Obwohl Stewart es nicht zum Geheimnis macht, dass er den Demokraten näher steht als den Republikanern, ist bei ihm niemand „too big“ oder „small to fail“ – das gesamte Politpanorama ist immer einem skeptisch-scherzhaften und gerade deshalb unabhängigem Blick ausgesetzt. Damit wirkt die Daily Show als Seelenschau der „greatest nation on earth“ in deren Gänze Themen wie Guantanamo, Waffenrecht oder der war on terror konfrontativ aufgearbeitet werden.
So agiert der Chefsatiriker gleichsam als Volkspsychologe, der im demokratisch-republikanisch gespaltenen Charakter der USA nicht nur das kollektive Ideal-Ich hinterfragt, sondern mit viel Analysearbeit erklärende Distanz schafft. Stewarts Diagnose eines Unbehagens in der Gesellschaft wird dabei zur Anleitung des eigenen Vernunftgebrauchs.
So geschehen auch 2013, auf dem Höhepunkt der Abhöraffäre „unter Freunden”. Der von NBC eingeblendete O-Ton („In einem offensichtlich peinlichen und schroffen Telefongespräch hat die deutsche Kanzlerin von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verlangt, nicht mehr ihr Telefon zu überwachen.“) ist an sich schon absurd genug, doch entfaltet er erst im Setting der Comedy-Show seine tatsächliche Wirkmächtigkeit. Sichtlich verlegen kann Stewart – der sich stellvertretend als US-Bürger ertappt fühlt – den Beitrag nur mit einem „Awk-waaaard?!“ kommentieren.
Auf der Suche nach plausiblen Erklärungsansätzen für diese (un-)diplomatische Peinlichkeit wird das offizielle Statement Jay Carneys, damals Sprecher des Weißen Hauses, eingespielt: „Ich kann ihnen sagen, dass der Präsident versichert hat, dass er die Kommunikation der Kanzlerin weder abhört noch abhören wird.“ Stewarts dialogische Entgegnung – unter gespielt gequältem Stirnrunzeln – lautet: „Hört nicht ab… Wird nicht abhören… Ich glaube, Sie haben da eine Zeit vergessen… Sie haben das present progressive verwendet, und das simple future – Where’s your past progressive tense, Jay Carney?!“ Stewart klimmt noch eine Metaebene höher und schließt mit: „By the way, that joke was brought to you by – Grammar. It’s the rules that make your mouth feel dumb““ Implizite Botschaft: Jeder, der die Regeln simpler Grammatik kennt, weiß, dass hier etwas intentional ausgelassen wurde, doch ganz offenkundig sind die Zeiten, in denen wir leben doppelzüngiger denn je –„Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Oder vielleicht doch?
Die Ursprünge Stewarts Grammatologie werden nachvollziehbar, wenn man sich einmal intensiver mit dem eingangs erwähnten Third Earl of Shaftesbury beschäftigt. Dessen vielzitierter Test of Ridicule ersetzte die aufklärerisch konventionelle Frage “Ist es wahr?” durch die Alternative “Ist es nicht lächerlich?”.
Shaftesbury wollte vorhandene Unwahrheiten aufspüren, doch wusste er zugleich, dass eine rationale Argumentation, die wohlsortierte Rhetorik nur allzu häufig im Morast der Dogmen stecken bleibt. Er schloss daraus, dass nur der aufklärende Scherz entdecken könne, “was in einem Gegenstand verspottenswert ist.” Für Shaftesbury avancierte das Is it not ridiculous? zum Kern kritischer Aufklärung, denn er wusste: “Nichts ist lächerlicher als das Ungestalte; nichts ist probefester gegen den Scherz als das Schöne und das Wahre.”
Die Leistung dieses Gentleman-Philosophen bestand vor allem darin, der Aufklärung das Lächeln zu lehren. Sein Wahlspruch lautete: “Ridentem dicere verem – quid vetat?” – “Lachend die Wahrheit sagen, wer verwehrt es?” So bewunderte Christoph Martin Wieland die Wohlgelauntheit Shaftesburys, erkannte in seinem Test of Ridicule das „Licht des Lächerlichen“, dem nichts Lasterhaftes verborgen blieb.
Der Test war eine der Skepsis verwandte Methode, er prüfte Wahr-/Falsch-Standards, vermeintlich feststehende Begriffe, Überzeugungen oder Anschauungen auf ihren Sinngehalt. Jeder Gegenstand sollte nach allen Seiten gewendet warden, sodass keine Delle, kein Makel, keine Lüge unentdeckt bleiben konnte. Die wechselnden Lichtverhältnisse würden den Anschein des Misstrauens zerstreuen; die Frage Is it not ridiculous? das Unwahre dekonstruieren, es der „grausamsten Verachtung der Welt“ ausliefern: dem Humor. Shaftesbury folgend musste diese Grausamkeit konsequent angewendet werden – auch auf die eigene Geisteshaltung, der (Selbst-)Erkenntnis zuliebe.
So etablierte sich die Probe des Lächerlichen zu einem Medium multiperspektivischer Weltdeutung, das den Schleier ernster Verblendung mit einem Lächeln herunterzureißen suchte.
Im England des 18. Jhd. fand Shaftesburys Test of Ridicule besonders in Glaubensdingen Anwendung: Dabei ging es dem toleranten und durchaus gläubigen englischen Gentleman nicht darum, Glaubenswahrheiten oder -inhalte unter dem Brennglas seines Tests zu negieren, sondern die Glaubwürdigkeit verschiedener Heilslehren zu hinterfragen, einseitig dogmatische Ansichten zu entlarven und unaufrichtige Betrüger in ihrer lachhaften Verbohrtheit zu demaskieren.
Dabei attackierte der frühe Aufklärer vornehmlich das, was er „gravitätischen Ernst“ nannte – einen irrational-übersteigerten „Geist des Märtyrertums“, den er besonders bei den French Prophets – Protestanten, die aus dem katholischen Frankreich 1706 nach England geflüchtet waren – zu erkennen glaubte. Nicht selten fielen diese Propheten während ihrer Scheinoffenbarungen in Trance, verlautbarten in Engelszungen Endzeitvisionen, gerieten angesichts der bevorstehenden Apokalypse in konvulsives Zittern und erratische Zuckungen.
Die Frage Is it not ridiculous? war hier geradezu maßgeschneidert, stülpte sie doch dem metaphysischen Körperschaudern ein gelasseneres Gewand über. Shaftesbury formulierte: „Ein ernsthafter und feierlich vorgetragener Angriff […] bedeutet für sie keine so große Gefahr. Nichts verabscheuen und fürchten sie mehr als Heiterkeit und Humor.“ Er machte die religiösen Schwärmer in der Folge lächerlich, unterstellte ihnen keine eschatologischen, sondern schauspielerische Qualitäten, erkannte ein „vorzügliche[s] Possen- und Puppenspiel“ und belustigte sich über die in göttliche Schwingungen versetzten Körper.
Es ging Shaftesbury dabei nicht um gemeines Auslachen; sein Witz diente nicht der überheblichen Bloßstellung, sondern dem Ideal der Humanität. Die Probe des Lächerlichen durfte weder den aufrichtigen Menschen noch den ehrlichen Gläubigen treffen; nur das theologisch Unlautere, an dem Gott kaum gelegen sein konnte, sollte erkannt und verlacht werden.
300 Jahre später erweitert Stewart das Anwendungsfeld der Lächerlichkeit, ist sich der Tatsache bewusst, dass heute besonders politische Überzeugungen der Aufklärung bedürfen. Wenn die Daily Show also verspricht, jede Nachricht als erste – „sogar noch bevor sie wahr ist“ – zu senden, dann verweist Stewart damit auf ein sich relativierendes Spielfeld, auf dem die Satire, Persiflage oder Travestie notwendige Mittel der Kritik darstellen, als Kompass dienen, der die scheinbar objektive Nachricht nochmals überprüft. So manches wird klar, wenn man sich und andere im Labyrinth postmoderner Wirklichkeiten die Frage stellt: Ist es nicht lächerlich?
Stewart erscheint so im besten Sinne als engagierter Aufklärer, als Humorist, der sich selbst zwar als „comedian in the first place“ bezeichnet, aber eben nicht „nur ein Komödiant“ ist. Er verweist auf allgemeine Missstände, moniert öffentlich die Verfehlungen von Exekutive, Legislative und Judikative, und auch die Medien selbst – als vierte Gewalt im Staate– werden zur Zielscheibe seines aufrichtigen Spotts. Stewart erkennt in der alltäglichen Berichterstattung den eigentlichen Kern seiner Aufklärungsarbeit, sieht er doch eine überhitzte Medien-Maschinerie am Werk, deren Nachrichtenformate häufig mehr Empörung als Information produzieren. Wenn er über den „Bullshit-Mountain“ medialer Hysterie sinniert, wird er zu einer der wenigen moderaten Stimmen im Fernsehen der USA, ist daher gern gesehener Gast in diversen Politsendungen, doch verläuft dies nicht immer reibungsfrei.
Im Jahr 2004 überrumpelte Stewart die Macher der CNN-Sendung Crossfire, als er ihnen während der Live-Sendung vorwarf, dass sie ihrer Aufgabe einer unabhängigen Berichterstattung nicht nachkämen. Unverfroren attestierte er, dass Crossfire Amerika „schade“, bis er nachdrücklich bittend an beide Moderatoren appellierte: „Hört auf… Ihr tragt Verantwortung für den öffentlichen Diskurs, und ihr versagt jämmerlich“.
Die Antwort von CNN folgte prompt und zeigt Stewarts Einfluss: Crossfire wurde eingestellt, mit explizitem Verweis auf die Kritik des Comedians. Solche Szenarien wiederholen sich. Wenn Stewart zu seinem Lieblingsfeind FOX News eingeladen wird, bemängelt er regelmäßig die Integrität des Senders – erklärt FOX News zu einem „relentless agenda-driven 24 hours news opinion propaganda delivery system“ und brachte es so in die TIMES Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten weltweit.
Diesen Einfluss nutzt der Komödiant, übt politischen Druck aus, wie bei der First Responders Bill im Jahre 2010. Erst nachdem Stewart das drohende Scheitern der Gesetzesabstimmung in seiner Sendung breit angesprochen hatte, wurde sie vom Senat bestätigt; der Druck der Lächerlichkeit wird zum moralisierenden Werkzeug. Doch in einer Zeit, in der über das „beste Wissen und Gewissen“ mancher Politiker gestritten werden kann, erscheint es dankenswert einflussreich, doch er erklärt: „I am not a politician.“
Der Clown macht die Verantwortlichen nicht nur lächerlich – seine Späße erzeugen auch Handlungswirksamkeit. Im Bewusstsein, dass das Lachen über die gelungene Pointe noch kein politisches Handeln ist, weiß Stewart noch aktiver in das politischen Geschehen einzugreifen – so geschehen 2010.
Drei Tage vor den Midterm Elections der Kongresswahlen organisierte Stewart eine Demonstration in Washington D.C., eine Rally zur Wiederherstellung der Vernunft, mit der er gegen den Wahnsinn der Politik – besonders der republikanischen – mitsamt ihren Witzfiguren Palin, Tea-Party und Co. protestierte. Schlechte Zeiten in der Politik wurden erneut zu den besten der Daily Show – und wie das New York Magazine schrieb: „unfortunaly things are getting even funnier“. 215 000 Menschen versammelten sich in der Folge auf der Mall in D.C. und repräsentierten damit sowohl die Anhängerschaft eines einnehmenden Comedians wie Demokraten. Übergeordnet verkörperten sie damit das „vernünftige“ Potenzial des Landes, das sich angesichts einer sich in Extrema ergehenden Polit- wie Medienkultur nicht mehr nur kopfschüttelnd im heimischen Sessel zurückzuzieht, sondern Heilung im lächelnden Protest sucht. „Sanity will always be in the eye of the beholder“ erklärte Stewart und fügt hinzu: „To see you here today and the kind of people that you are, has restored mine.“
So ist Stewart nicht nur ein Showmaster, der sich im wortgewandten Scherz über den medien-politischen Komplex lustig macht, er weiß auch, wann es nichts zu lachen gibt. Nach dem rassistischen Attentat in Charleston erklärte er vergangene Woche: „Ich habe nichts für Sie, nur Traurigkeit“, beklagte dann die Verleugnung der „klaffende[n] Wunde des Rassismus“ im eigenen Land und verwies mit ehrlicher Anteilnahme auf die politische Verblendung, die den Terror im Ausland mit Milliarden und Drohnen bekämpft, um sich den Realitäten daheim nicht zu stellen. Manchmal wünschte man sich, Stewart wäre Politiker.
Die Zusammenführung von aufklärerischer Skepsis, kluger Empathie und wohltemperierten Pointen funktioniert; die Daily Show wird von mehr als 2,5 Millionen US-Amerikanern gesehen. Mittlerweile ziehen 13 % der US-Studenten sie als Informationsquelle Nummer eins heran, trauen ihr größeres investigatives Potenzial zu als den konventionellen Newssendern CNN, NBC oder FOX.
Stewarts Gespür für etwaige Dissonanzen im politischen Alltags- und Doppelsprech legt sowohl die Widersinnigkeiten als auch rhetorische Ideologismen der Realpolitik offen und hinterfragt dabei die Logiken des Systems selbst. Denn in einer Zeit, in der Schuldenkrisen mit der Aufnahme weiterer Schulden ‚gelöst’ werden, der Markt- als Naturgesetz und „auf deutschem Boden […] deutsches Recht [gilt]“, scheint die Frage nach der Lächerlichkeit alles andere als unangebracht: Sie ist praktizierte Revision konstruierter Wahrheiten.
Humor ist dem Ernst nicht entgegengesetzt, sondern erscheint als Möglichkeit, sich dem ernsten Gegenstand unvoreingenommen zu nähern und nicht über die Fallstricke der „insanity“ zu stolpern. Ab dem 6. August 2015 übernimmt Trevor Noah diese Aufgabe, Jon Stewart tritt zurück und obwohl die Daily Show fast undenkbar ohne ihn scheint, wird das Modell seines Humors weiter auf der Bühne medialer Öffentlichkeit bemüht sein, Unwahrheiten zu entlarven, neoliberale Politagenda zu demaskieren und dem medialen Einerlei einen angepassten „Sensus communis“ entgegenzuhalten. Sei es in der Daily Show oder in den Sendungen ehemaliger Sidekicks wie Steven Colbert oder John Oliver. Die Lächerlichkeit wird weiter die Unehrlichkeit überführen, und so bleibt in der Realsatire unserer Gegenwart der Humor ein wahres Erkenntnismedium.
Schlussendlich ist es dabei am Zuschauer, die Schwelle von einem pessimistisch-passivischen Schulterzuckern hin zu einer aktiven „fröhliche Wissenschaft“ mit dem Lächeln der Aufklärung zu überwinden, und in letzter Konsequenz die Gegenwart selbst zu gestalten: Schon Nietzsche erkannte den Ausspruch „wo Lachen und Fröhlichkeit ist, da taugt das Denken nichts“ als Fehlschluss und ermutigt: „Wohlan! Zeigen wir, daß es ein Vorurteil ist!“