Einmal im Jahr feiert die deutsche Medienbranche sich selbst und ihre kreativsten Köpfe: Bei den Lead Awards in den Hamburger Deichtorhallen. Jetzt ist es wieder soweit. Das Beste aus Zeitungen, Magazinen und Werbung wird in einer sehenswerten Schau präsentiert.
„Ich nehme diese Ausstellung als eine Art Kompliment an die deutsche Medienlandschaft wahr“, sagt Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen Hamburg. Zum 13. Mal in Folge werden im Haus der Photographie die Nominierungen für die Lead Awards, die begehrtesten Auszeichnungen der Medienbranche, präsentiert.
40.000 Besucher sahen die abwechslungsreiche Schau mit Fotografien, Modestrecken, Werbekampagnen und herausragenden Beiträgen im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich im vergangenen Jahr. Zum Ende der Ausstellung am 29. Oktober werden die „Visual Leader“ in fünf Kategorien bekanntgegeben und mit einer feierlichen Preisübergabe in der Halle für aktuelle Kunst gefeiert.
Auch diesmal nimmt der Präsident der Lead Academy, Markus Peichl, die Ausstellung zum Anlass, neueste Trends auf dem Medienmarkt zu analysieren: „Wir stellen zwei große Entwicklungen fest: Die Printmedien werden immer mehr zu einem wichtigen Kulturgut. Die Onlinemedien hingegen entwickeln eine immer größere Selbstverständlichkeit und Professionalität. In den Printmedien finden wir immer mehr Beiträge, die sich über Kultur und Kunst speisen, während die Onlinemedien immer mehr die journalistischen Qualitäten wahrnehmen.“
Beim Rundgang durch die visuell opulente Schau fällt in der Tat auf, dass bildende Kunst und künstlerische Fotografie im anspruchsvollen Printbereich immer stärker Einzug halten: Selbstporträts von Roni Horn im „Zeitmagazin“, die Fotoserie „Lost in Los Angeles“ von Thomas Struth in der „Weltkunst“, eine komplett mit Bildern von Cindy Sherman gestaltete Ausgabe der Tageszeitung „Die Welt“ oder die Schwarz-Weiß-Serie „Theater des Absurden“ des amerikanischen Fotografen Roger Ballen im „SZ-Magazin“. Der für seine Aufnahmen von Außenseitern bekannte, in Südafrika lebende New Yorker wurde noch im Jahr 2007 in einer Einzelausstellung im Haus der Photographie gewürdigt.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals so einen großen kreativen Output hatten wie in diesem Jahr“, sagt Markus Peichl. Er gibt aber auch zu bedenken, dass an dieser Entwicklung immer weniger Mitarbeiter beteiligt sind, die mit stetig sinkenden Budgets auskommen müssen. Haben wir es hier also mit einem letzten Aufbäumen der arg bedrängten Printbranche zu tun oder mit einem kreativen Turnaround, der die Auflagen demnächst wieder steigen lässt?
Qualität gibt es in der Schau zuhauf zu besichtigen: Ob eine Fotoreportage von Tao Lin über das Straßenleben in China für die Zeitschrift „Noah“, der Foto-Text-Beitrag „Der Fluch der weißen Haut“ über das Schicksal von Albinos in Afrika, fotografiert von Armin Smailovic für das „SZ-Magazin“ oder Andrea Lubimovs beeindruckende Aufnahmen von Hooligans in der Ukraine – diese starken Bilder und Geschichten gehen unter die Haut. Doch Markus Peichl muss auch das einräumen: „Die kreative Leistung entspricht nicht unbedingt der Wertschätzung der Leser. Die technischen Veränderungen des Medienmarkts durch die Digitalisierung verändern das Leseverhalten.“
In der Ausstellung wird auch deutlich, wie Tageszeitungen neue Schwerpunkte legen. In die Tiefe gehende Hintergrundgeschichten etwa über den Lüneburger Auschwitz-Prozess in der bisher eher für reißerischen Boulevardjournalismus bekannten „B.Z.“ aus Berlin zeigen, dass auch im schnellen Tageszeitungsgeschäft zunehmend auf Qualitätsjournalismus gesetzt wird.
Markus Peichl: „Die Zeitung hat früher das Leben des Menschen organisiert. Das tut sie heute nicht mehr. Durch diesen Funktionsverlust muss die Zeitung eine neue Form annehmen.“ Für ihn heißt das, mehr Magazinjournalismus wagen – auch in der Tagespresse.
Die Themen liegen in unserer von Krisen und Kriegen geprägten Zeit auf der Straße: Bewaffnete Konflikte im Nahen Osten, Heimatlose auf der Suche nach einem neuen Zuhause, westliche Jugendliche zwischen Protest, Konsumverzicht und dem Rückzug ins Private. Markus Peichl gibt den Printjournalismus nicht verloren: „Es braucht Medien, die diese Augenblicke vibrieren lassen, damit das Blut in unseren Adern pulsiert.“ Bleibt zu hoffen, dass er damit Recht behält.
Auf einen Blick
Ausstellung: Visualleader 2015. Das Beste aus Zeitschriften und Internet. Die Ausstellung zu den Lead Awards
Ort: Deichtorhallen Hamburg/Haus der Photographie
Zeit: 25. September bis 9. November 2015. Di-So 11-18 Uhr. Jeden 1. Do im Monat 11-21 Uhr
Internet: www.deichtorhallen.de, www.leadacademy.de