Südeuropäische Weihnacht: Neapel ist die Welthauptstadt der Krippenproduktion. Ein prächtiger Bildband stellt jetzt die Tradition der „Presepe“ am Beispiel der Freisinger Krippe vor.
Weihnachtsbaum oder Krippe? Für einen Neapolitaner ist dies keine Frage. Wer im Dezember in der Stadt am Vesuv durch die Via San Biagio dei Librai im volkstümlichen Viertel Spaccanapoli schlendert, wird überwältigt von dem opulenten Angebot der traditionellen Krippenbauer. Die „Presepe“, wie hier die Krippe genannt wird, ist das Paradestück der südeuropäischen Weihnacht – und das seit Jahrhunderten. Sie wird am 8. Dezember liebevoll in den Familien, Kirchen, Klöstern und auf öffentlichen Plätzen aufgestellt.
Zahlreiche Figuren – Menschen und Tiere – werden in kleinen Szenen arrangiert, die Landschaft wird fantasievoll nachgebildet, und ein kleiner Stall oder – wie in Neapel üblich – eine Schutz bietende Höhle bildet den Rückzugsort für die Heilige Familie. Am 24. Dezember wird das Christkind in seine Wiege gelegt und angebetet. Am 6. Januar dann beleben die Heiligen Drei Könige die Szenerie. Ein festlicher Zug mit Personen aus dem Morgenland, oftmals begleitet von Elefanten und Kamelen, bringt die kostbaren Gaben für das frisch geborene Jesuskind.
Der Münchner Sieveking Verlag legt jetzt das prachtvolle Buch „Buon Natale – Choreografien der neapolitanischen Weihnacht“ vor. Im Zentrum dieses kulturgeschichtlichen Bandes steht die neapolitanische Freisinger Krippe mit qualitätvollen Figuren aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus dem Diözesanmuseum Freising.
Sie wird in mehreren umfangreichen Essays detailliert beschrieben und in zahlreichen Fotografien, welche die Details der Figuren, die prachtvolle Kleidung sowie Gesamtansichten der Krippe zeigen, dargestellt. Hinzu kommen lebensnahe Fotografien von alteingesessenen Krippenbauern, weihnachtlich geschmückten Gassen in Neapel und Detail-aufnahmen mit dem Krippenangebot in den überbordend dekorierten Geschäften. Typisch für die neapolitanische Krippe ist auch der Auftritt volkstümlicher Personen wie etwa der klassischen Frauengestalten „Die Wäscherin“, „Die Zigeunerin“ und „Die Hure“. Sie nehmen innerhalb des theatralen Geschehens eine besondere Rolle ein. Doch auch weitere Figuren beleben die biblische Szenerie: Ob eine musizierende Gruppe in roten Puffhosen, ein Kettenhund mit Stachelhalsband, Esel und Maultiere sowie seltene Rinderrassen – neapolitanische Krippenfiguren haben häufig historische Bezüge und eine lange Tradition. Besonders aufschlussreich in dem vorliegenden Buch ist eine systematische Analyse der Tiere in der neapolitanischen Krippe von Freising, die der Tierarzt Allessio Zanon auf anschauliche Weise vorgenommen hat.
Das Aufstellen der Krippe ist in vielen Familien ein Ritual. Die Krippenfiguren werden oftmals über Generationen vererbt und nach der Weihnachtszeit wieder sorgsam in Seidenpapier gewickelt und in Schachteln aufbewahrt. Alle Jahre wieder gleicht der Aufbau der Krippe einer kleinen Theater-inszenierung mit immer wieder neuen Regieeinfällen, Choreografien, Anekdoten und viel Liebe zum Detail. Und wer keine eigene Krippe in der Familie hat, findet in den vielen Kirchen Neapels immer eine „Presepe“ nach seinem Geschmack. Buon Natale!
Auf einen Blick
„Buon Natale – Choreografien der neapolitanischen Weihnacht“,
Sieveking Verlag, 176 S., 134 Abb., 39,90 Euro