Peter Keetmans gestaltete Welt und eine Ausstellung mit eleganten Werken von Richard Avedon, George Hoyningen-Huene und Irving Penn aus Anlass des 90. Geburtstags von F. C. Gundlach, dem Gründungsdirektor des Hauses der Photographie: Die Hamburger Deichtorhallen zeigen jetzt klassische Schwarz-Weiß-Fotografie vom Feinsten.
Peter Keetman: Selbstbildnis, Stuttgart 1948 © Stiftung F.C. Gundlach
Mit gleich zwei großen und sehenswerten Ausstellungen klassischer Schwarz-Weiß-Fotografie startet das Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen in die diesjährige Wintersaison. Aus Anlass des 100. Geburtstags des 1916 in Wuppertal geborenen Fotografen Peter Keetman versammelt das Haus in einer groß angelegten Retrospektive, die zuvor bereits im Museum Folkwang in Essen zu sehen war, Werke aus allen Schaffensphasen des 2005 verstorbenen Fotografen.
„Es ist die erste umfassende Ausstellung zum Lebenswerk eines der einflussreichsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit“, resümiert Sebastian Lux, Kurator der Stiftung F.C. Gundlach, der die materialreiche Schau stilsicher eingerichtet hat. Alle Aufnahmen stammen aus der in den Deichtorhallen beheimateten Sammlung F.C. Gundlach, der Peter Keetman bereits 1982 in seiner Galerie PPS in Hamburg gezeigt hatte. Keetman hatte Gundlach zum Alleinerben seines fotografischen Nachlasses bestimmt.
Peter Keetman: Plastikflaschen, 1963. © Stiftung F.C. Gundlach
Die zweite Ausstellung mit dem Titel „The Concept of Lines. Richard Avedon, George Hoyningen-Huene, Irving Penn. Werke aus der Sammlung F.C. Gundlach“ wurde anlässlich des diesjährigen 90. Geburtstags des Gründungsdirektors des Hauses der Photographie von der Sammlungskuratorin Sabine Schnakenberg zusammengestellt. Sie geht bei ihrer rund 70 Werke umfassenden Auswahl dieser drei Ikonen der Fotografie des 20. Jahrhunderts von einer auffälligen Gemeinsamkeit aus: Alle drei verwenden klar durchkomponierte Linien als stilbildendes Element.
George Hoyningen-Huene, 1900 – 1968, ohne Titel (Miss Sonia, Kleid von Madeleine Vionnet), September 1931, Silbergelatine, 15,4 x 20,1 cm © Estate George Hoyningen-Huené Sammlung F.C. Gundlach/Haus der Photographie.
Doch zurück zur Hauptausstellung: Peter Keetman ist vor allem bekannt für sein 1985 erstmals als Buch publiziertes Projekt „Eine Woche im Volkswagenwerk“. Im Mittelpunkt der bereits im Jahre 1953 entstandenen Serie steht die Produktion des VW-Käfers. In streng durchkomponierten, hochästhetischen Aufnahmen zeigt Keetman sowohl den an organische Strukturen erinnernden Formenreichtum der verwendeten Bauteile – etwa einen Stapel Kotflügel – als auch den Arbeitsprozess am Fließband und das fertige, für die Verschiffung in alle Welt vorbereitete Endprodukt.
Peter Keetman: VW-Werk: Hintere Kotflügel, 1953. © Stiftung F.C. Gundlach
Doch die Hamburger Ausstellung verschließt ihre Augen auch nicht vor den Anfangsjahren dieses Fotografen. So sind etwa auch der nationalsozialistischen Ästhetik entsprechende Aufmärsche von Wehrmachtssoldaten aus dem Münchner Stadtzentrum zu sehen. Ebenso aber auch auf dem Russlandfeldzug entstandene Aufnahmen, die den Krieg in all seiner Brutalität zeigen.
Peter Keetman: Baustelle Marienplatz, München 1954. In: Das Deutsche Lichtbild 1956 © Stiftung F.C. Gundlach
Im Mittelpunkt der Schau aber steht Keetman als experimentier-freudiger Vertreter einer mit grafischen Strukturen, extremen Bildausschnitten, Licht- und Schatteneffekten und Langzeit-belichtungen arbeitenden „Subjektiven Fotografie“. Geradezu legendär sind seine technisch perfekten Nahaufnahmen von Wassertropfen, Lichtreflexen oder Seifenblasen, in denen sich Elementares und Sublimes zu einer zutiefst künstlerischen Weltsicht vereinen.
Peter Keetman: Rohre, 1958. © Stiftung F.C. Gundlach
„Was die Fotografie mir erschließt, sind Gesetze und Schönheiten. Je tiefer ich fotografierend in die Materie eindringe, um so größere Welten tun sich auf“, so Keetman über seine Arbeit. Unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg, in dem er das linke Bein verlor, beendete er sein ursprünglich 1935 aufgenommenes Studium an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München 1947. Von da an war er als freier Fotograf tätig.
Peter Keetman: Pendel-Schwingung, 1952 © Stiftung F.C. Gundlach
In der Nachkriegszeit knüpfte Keetman an die in den 1920er und 1930er Jahren entstandene Ästhetik der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens an und entwickelte daraus seine eigene, formal reduzierte Bildsprache. Zusammen mit anderen Fotografen, darunter Otto Steinert, gehörte er der avantgardistischen Vereinigung westdeutscher Fotografen „fotoform“ an, die mit Auftritten in Mailand, Köln und Luzern die Innovationskraft und das Stilgefühl junger deutscher Fotografen auch international bekannt machte. Dass er seinem untrüglichen Gespür für die Mikrostrukturen dieser Welt bis zum Ende seiner Karriere treu blieb, zeigt die jüngste Fotografie der Schau: die 1998 entstandene Nahaufnahme eines Mikrochips.
Peter Keetman: Graustufen, Schwarzwald 1980 © Stiftung F.C. Gundlach
Auf einen Blick
Ausstellung: Peter Keetman. Gestaltete Welt – Ein fotografisches Lebenswerk
Ort: Deichtorhallen Hamburg, Haus der Photographie
Zeit: 17. November 2016 bis 12. Februar 2017
Di-So 11-18 Uhr, jeden 1. Do im Monat 11-21 Uhr
Katalog: Steidl Verlag, 304 S., 48 Euro
Internet: www.deichtorhallen.de
Ausstellung: The Concept of Lines. Richard Avedon, George Hoyningen-Huene, Irving Penn. Werke aus der Sammlung F.C.Gundlach
Ort: Deichtorhallen Hamburg, Haus der Photographie
Zeit: 17. November 2016 bis 12. Februar 2017
Di-So 11-18 Uhr, jeden 1. Do im Monat 11-21 Uhr
Katalog: keine Publikation
Internet: www.deichtorhallen.de