Viel mehr als nur Landschaften, Blumen und Knochen: Das Bank Austria Kunstforum in Wien zeigt mit der bisher größten Georgia O’Keeffe-Ausstellung auf dem europäischen Kontinent eine Schau voller neuer Erkenntnisse zu Amerikas beliebtester Malerin.
Alfred Stieglitz Georgia O’Keeffe , 1918 Alfred Stieglitz Collection, 1980.70.76 © Board of Trustees, National Gallery of Art, Washington
Erstmals ausgestellt wurde sie vor genau hundert Jahren von dem amerikanischen Fotografen und Galeristen Alfred Stieglitz. Im Jahr 1916 zeigte er in seiner Galerie 291 in New York frühe Kohlezeichnungen der damals 29-jährigen Georgia O’Keeffe (1887-1986). Die beiden wurden ein Paar, heirateten 1924 und befruchteten sich gegenseitig in ihrem jeweiligen Werk. Der 23 Jahre ältere Fotograf Stieglitz machte Aufnahmen von der sexuell emanzipierten, androgynen jungen Malerin. Georgia O’Keeffe wiederum trat in ihren frühen Stadtgemälden von New York, aber auch in abstrakten Aquarellen in einen fruchtbaren Dialog mit anderen Fotografen um Stieglitz wie Paul Strand oder Edward Weston.
Georgia O’Keeffe Black Mesa Landscape, New Mexico / Out Back of Marie’s II , 1930 Georgia O’Keeffe Museum, Santa Fe © 2016 Georgia O’Keeffe Museum/Bildrecht, Wien
Im Kunstforum Wien ist jetzt die bisher größte Retrospektive von Georgia O’Keeffe außerhalb der USA zu sehen. Zuvor war sie in abgewandelter Form in der Tate Modern in London zu Gast. Die Ausstellung umfasst 85 Werke der Malerin aus sieben Jahrzehnten sowie 60 damit korrespondierende Werke von Fotografen. Die Schau orientiert sich an den Orten, an denen sich Georgia O’Keeffe vorwiegend aufgehalten hat: New York in den frühen Jahren, Lake George in Upstate New York, wo die Familie ihrer Mannes, Alfred Stieglitz, einen Landsitz besaß, vor allem aber die Wüste New Mexicos, wohin sich die Jahrhundertmalerin in ihren letzten Lebensjahrzehnten zurückzog. Hier entstanden beeindruckende Landschaftsgemälde, die das phänomenale Licht der Wüste und die physische Präsenz der Berge einfingen, aber auch die ausgeblichenen Knochen der aufgrund der Dürre verendeten Tiere vor flimmernden Wüstenfelsen ins Bild rückten.
Georgia O’Keeffe From the Faraway, Nearby , 1937 The Metropolitan Museum of Art, New York © 2016 Georgia O’Keeffe Museum/Bildrecht, Wien Foto: © BKP/ The Metropolitan Museum of Art / Malcolm Varon
Berühmt geworden ist Georgia O’Keeffe vor allem mit ihren großformatigen Blumen- und Blütenstilleben. Gerade vor dem Hintergrund des in den USA stark rezipierten Werkes von Sigmund Freud, sind diese Bilder häufig erotisch ausgedeutet worden. Dieser verkürzten Lesart will die Ausstellung jedoch entgegenwirken. Georgia O’Keeffe selbst sagte dazu: „Wenn die Leute erotische Symbole in meine Bilder hineinlesen, dann sprechen sie eigentlich von ihren eigenen Angelegenheiten.“ Die Kuratorin der Wiener Schau, Heike Eipeldauer, stellt fest: „Georgia O’Keeffe war sicher zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Sie sieht das Werk der Malerin als genuin amerikanische Kunst an, in Abgrenzung zur europäischen Tradition. Vielmehr, so die Expertin, kann Georgia O’Keeffe als Vorreiterin der Pop Art angesehen werden. In abstrakten Werken wie etwa „Black Door with Red“ von 1954 lassen sich aber auch Verbindungen zu Barnett Newman und Mark Rothko erkennen. Und auch die Malerin Agnes Martin sah in der stets in Männerkleidung und mit strenger Hochsteckfrisur auftretenden O’Keeffe eine Seelenverwandte.
Myron Wood Portrait of Georgia O’Keeffe with sculpture and painting , 1980 © Pikes Peak Library District, 002 – 9152
In O’Keeffes Werk fanden viele Entwicklungen parallel statt. Es gibt jedoch keinen lineraren Fortschritt, was Kritiker wie den einflussreichen Clement Greenberg immer wieder irritierte. Dennoch steht sie wie keine andere Malerin vor ihr für eine amerikanische Ikonografie, die sich von europäischen Vorbildern weitgehend emanzipiert hat. „Sie malte geologische Formationen, die die Abstraktion schon in ihrem Motiv inhärent haben“, so Heike Eipeldauer. Die amerikanische Moderne ist in der Landschaft verortet. Daher ist eine besondere Stärke der Schau die Betonung ihres Spätwerks mit grandiosen Landschaftsdarstellungen, gespickt mit kulturellen Zeichen wie Kreuzen und Bergen, die von der indigenen Bevölkerung als heilig verehrt werden. Nach dem Tod von Alfred Stieglitz im Jahr 1946 zog sich Georgia O’Keeffe ganz nach New Mexico zurück. Sie bewohnte ein modernistisch eingerichtetes Haus in der Wüste, wo sie beim Blick aus den Panoramafenstern die authentische amerikanische Landschaft des Südwestens aus erster Hand erleben konnte. Die unendliche Weite der Landschaft prägte ihr Werk. Doch auch Eindrücke von ihren zahlreichen Flugreisen auf alle Kontinente flossen in ihre Malerei mit ein.
Georgia O’Keeffe Black Cross with Stars and Blue , 1929 Private collection © 2016 Georgia O’Keeffe Museum/Bildrecht Wien
Ein besonderes Highlight der Wiener Ausstellung stellt zudem das aktuell teuerste Bild einer weiblichen Malerin dar: Das Blumenstillleben „Stechapfel/Weiße Blüte Nr. 1“ aus dem Jahr 1932 wechselte 2014 bei Sotheby’s in New York für stolze 44,4 Millionen Dollar den Besitzer.
Georgia O’Keeffe Jimson Weed/White Flower No. 1 , 1932 Crystal Bridges Museum of American Art, Bentonville, Arkansas © 2016 Georgia O’Keeffe Museum/Bildrecht, Wien Foto: Edward C. Robison III.
Auf einen Blick
Ausstellung: Georgia O’Keeffe
Ort: Bank Austria Kunstforum Wien
Zeit: 7. Dezember 2016 bis 26. März 2017. Täglich 10-19 Uhr. Freitag 10-21 Uhr.
Heiligabend 10-15 Uhr. Silvester 10-16 Uhr. Neujahr 12-19 Uhr
Katalog: Prestel Verlag, 272 S., 200 Farbabb., Deutsch und Englisch, 32 Euro
Internet: www.kunstforumwien.at