Von der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Elbphilharmonie über Hanne Darboven bis hin zu hierzulande noch weitgehend unbekannten Fixsternen amerikanischer Kunst: Auf ihrer Jahrespressekonferenz stellten die Hamburger Deichtorhallen jetzt ihr abwechslungsreiches Ausstellungsprogramm für 2017 vor
„Es ist nicht unser Ansatz, möglichst viel Publikum ins Haus zu bekommen. Dann würden wir ja Grafiken von Marc Chagall zeigen“, sagt Deichtorhallenintendant Dirk Luckow. Möglichst hohe Besucherzahlen seien natürlich erwünscht, sie könnten jedoch nicht das einzige Kriterium für den Erfolg der Deichtorhallen sein. Der Auftrag seines Hauses laute ausdrücklich auch, anspruchsvolle und experimentelle Projekte zu realisieren. So blickten Luckow und Deichtorhallen-Geschäftsführer Bert Antonius Kaufmann jetzt auf der Jahrespressekonferenz ihres Hauses auch gelassen auf die im Vergleich zum Vorjahr etwas niedrigere Besucherzahl von 160.000 im Jahr 2016 (2015: 205.000) zurück. Ihr Blick richtet sich vielmehr nach vorn.
Gleich im Februar startet das Haus mit der Gruppenschau „Elbphilharmonie Revisited“ in die neue Ausstellungssaison. 11 Künstler blicken teils fasziniert, teils ironisch distanziert auf die Architektur des frisch eröffneten Konzerthauses von Herzog & de Meuron.
Im selben Monat schließt sich in der Dependance in der Sammlung Falckenberg die Ausstellung „Hanne Darboven – Gepackte Zeit“ an. Nur wenige Kilometer vom ehemaligen Wohnhaus und Atelier der 2009 verstorbenen Hamburger Konzeptkünstlerin entfernt, zeigt die Sammlung Falckenberg neben der eine ganze Etage füllenden Großarbeit „Kinder dieser Welt“ auch zahlreiche dokumentarische Materialien, darunter Briefe, Tagebücher und Recherchematerial der Künstlerin. Zudem sind Arbeiten von Künstlerfreunden wie Carl Andre, Lawrence Weiner, John Cage oder Ed Ruscha zu sehen.
Wie in jedem Jahr zeigt das Haus der Photographie die Schau „Gute Aussichten“. Ab März sind die diesjährigen Preisträger des bundesweiten Wettbewerbs der Hochschulabsolventen im Bereich Fotografie zu sehen.
Direkt im Anschluss daran ist ab Mitte Mai die Einzelausstellung „Umbra“ der niederländischen Fotografin Viviane Sassen, Jahrgang 1972, zu sehen. Die primär als Modefotografin tätige Künstlerin zeigt Bilder aus Afrika, auf denen gleißendes Licht, leuchtende Farben und harte Hell-Dunkel-Kontraste aufeinandertreffen.
Bereits eine Woche später eröffnet eine Einzelausstellung mit Bildern des 1979 geborenen Berliner Fotografen Andreas Mühe. Auf aufwendig inszenierten Aufnahmen setzt sich Mühe mit den Themen Macht und politische Eliten auseinander. Einer seiner neueren und durchaus kontrovers diskutierten Werkzyklen behandelt den Obersalzberg und das Schönheitsideal des Nationalsozialismus.
Passend zum Luther-Jahr widmet sich die Halle für aktuelle Kunst ab Anfang Juni dem amerikanischen Medienkünstler Bill Viola, Jahrgang 1951. Zehn monumentale, teils spirituell verklärte Videoinstallationen werden zu sehen sein. „Sein interreligiöses Werk passt perfekt zum ökumenischen Gedanken“, so Dirk Luckow. In die Herbstsaison starten die Deichtorhallen dann im September mit der alle Jahr wiederkehrenden Ausstellung „Visual Leader“, die preisgekrönte Bildstrecken, Werbekampagnen und Reportagen aus Zeitungen, Zeitschriften und dem Internet präsentiert.
Vom breiten Publikum noch zu entdeckende Fixsterne der US-amerikanischen Kunst dann im Herbst: Ab Ende September ist in der Sammlung Falckenberg eine Einzelausstellung des 1934 in San Francisco geborenen Malers Peter Saul zu sehen. Seine comicartigen und stark politisch aufgeladenen Bilder werden in letzter Zeit zunehmend vom Ausstellungsbetrieb entdeckt.
Mit der hierzulande ebenfalls noch weitgehend unbekannten US-Malerin Alice Neel (1900-1984) zeigen die Deichtorhallen laut Dirk Luckow „eine wahre Jahrhundertkünstlerin.“ Sie habe in den 1920er Jahren parallel zu George Grosz gemalt und in den 1960er Jahren parallel zu Andy Warhol. Neels Porträts haben zahlreiche jüngere Künstler wie Elizabeth Peyton oder Marlene Dumas entscheidend beeinflusst. Der dritte US-amerikanische Fixstern im Herbstprogramm ist der Fotograf Alec Soth, Jahrgang 1969, dessen fotografischer Kosmos Menschen, Landschaften, Aussteigertum und skurrile Lebensweisen im ländlichen Amerika umfasst.
Luckows Konzept, internationale „Avantgarde auf dem Sprung zum Mainstream“ zu zeigen, dabei aber das allzu Populäre und leicht Konsumierbare recht gekonnt zu umschiffen, scheint aufzugehen. Obwohl von der Stadt Hamburg chronisch unterfinanziert – jeder Cent für Ausstellungsprojekte muss extern eingeworben werden – beenden die Deichtorhallen seit sechs Jahren ihr Haushaltsjahr stets mit einer „schwarzen Null“.
www.deichtorhallen.de