Suhrkamp, twen und das FAZ Magazin: Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe widmet Willy Fleckhaus, dem legendären Gestalter von Buchcovern, Zeitschriften-Layouts, Plakaten und vielen anderen Drucksachen, eine umfangreiche Ausstellung.
Willy Fleckhaus war ein Autodidakt. Doch bei wem hätte ein radikaler Erneuerer wie er schon in die Lehre gehen sollen? Das, was der 1925 in Velbert im Bergischen Land geborene Gestalter seit Ende der 1940er Jahre in Deutschland etabliert hat, nämlich eine revolutionäre und konsequent moderne Neugestaltung von Zeitschriften-Layouts und Buchcovern, ein zeitgemäßes Erscheinungsbild von Plakaten, Kunstkatalogen und Firmenbroschüren gab es zuvor in Deutschland nicht. Die richtungweisenden Ideen des Bauhauses waren von den Nationalsozialisten geächtet und verbannt worden, und in den ersten Jahren der Nachkriegszeit brach sich eher eine gewisse Biederkeit Bahn als ein gestalterischer Aufbruch.
Willy Fleckhaus suchte sich seine Vorbilder und Inspirationsquellen daher in Amerika und der Schweiz, den damaligen Eldorados der progressiven Typografie. Dem langjährigen Gestalter der legendären Jugendzeitschrift „twen“, des „Frankfurter Allgemeine Magazins“ und genialen Erfinder der Regenbogen-Buchrücken, die die schmalen Bände der „edition suhrkamp“ bis heute zum Hingucker in jedem anspruchsvoll bestückten Bücherregal machen, widmet das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) jetzt unter dem Titel „Willy Fleckhaus. Design – Revolte – Regenbogen“ eine ebenso sehenswerte wie umfassend bestückte Ausstellung. Zusammengestellt hat die chronologisch aufgebaute Schau der Münchner Publizist, Fotografie-Experte und Sammler Hans-Michael Koetzle, vielen Hamburgern sicherlich noch bekannt als Kurator der großen Leica-Ausstellung „Augen auf!“ 2014/15 in den Deichtorhallen. Neben Otl Aicher, dem Chefgestalter der Olympischen Spiele in München 1972, „war Willy Fleckhaus der wichtigste deutsche Grafikdesigner. Er hat dem Lebensgefühl im Nachkriegsdeutschland eine Form gegeben“, so Koetzle.
Die Schau, die zuvor im Museum für Angewandte Kunst Köln zu sehen war, versammelt rund 350 Exponate, darunter natürlich ein ganzes Regenbogen-Spektrum an Suhrkamp-Bänden, etliche groß aufgezogene Cover und Bildstrecken aus der freizügigen, viele Tabus der Adenauer-Zeit brechenden „twen“ und rund 50 exemplarische Ausgaben des 1980 gegründeten und 1999 eingestellten „Frankfurter Allgemeine Magazins“.
Was aber den besonderen Reiz der Schau ausmacht, das sind die vielen von Fleckhaus für „twen“ verwendeten Originalfotografien so berühmter Fotografen wie Will McBride, Richard Avedon oder Ulrich Mack. Ob anonyme Studenten und Kommunarden der 1960er Jahre oder bekannte Gesichter wie Uschi Obermaier, Juliette Gréco, Hildegard Knef, Françoise Hardy oder Jean-Paul Belmondo. Das Nebeneinander von Fotovorlage und Magazinstrecke macht erst deutlich, wie stark Fleckhaus mit dem „Rohmaterial“ gearbeitet hat. Erst durch das Bestimmen des Bildauschnitts, die Erhöhung der Körnigkeit, das kühne Freistellen von Motiven oder das seitenverkehrte Spiegeln der Vorlage entstand so etwas wie eine unverwechselbare gestalterische Handschrift. „Er hatte das absolute Auge“, beschreibt Hans-Michael Koetzle Fleckhaus‘ geniale Gabe, aus einem guten Foto, drei oder vier immer wieder verwendeten Schriften und kleinen, dezent verspielten Details Magazinseiten zu gestalten, die bis heute Kult- und Vorbildcharakter haben.
Auch wenn man ihn „Deutschlands teuersten Bleistift“ genannt hat, weil er seine Fotografen schon einmal wochenlang um die halbe Welt schickte, damit sie nur die allerbesten Bilder mit nach Hause brachten, als Star der Branche hat sich Fleckhaus nie geriert. Er hat weder Vorträge gehalten, noch seine Werke signiert. In den Archiven des WDR, für den er ebenfalls Plakate entworfen hat, findet sich bedauerlicherweise nicht ein einziges Interview mit ihm. Mitten im Zenit seiner Karriere ist Willy Fleckhaus im Herbst 1983 mit nur 58 Jahren in seinem Haus in der Toskana an Herzversagen gestorben.
Der Paradigmenwechsel aber, den er im deutschen Buch- und Zeitschriftenbetrieb eingeleitet hat, hält bis heute an. Das Berufsbild des Artdirectors, als künstlerischer Gesamtverantwortlicher für ambitionierte Drucksachen, hat er in Deutschland eingeführt und etabliert. Willy Fleckhaus‘ Entwürfe – allen voran das 1963 konzipierte minimalistische Design der Edition Suhrkamp, welches erst 2004 vom Verlag leicht modifiziert wurde – sind ebenso radikal wie zeitlos elegant. Das New Yorker Museum of Modern Art präsentiert eine kleine Auswahl davon in seiner Designabteilung. Den ganzen Willy Fleckhaus aber kann man in Hamburg noch bis Anfang Mai entdecken.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Willy Fleckhaus. Design – Revolte -Regenbogen
Ort: Museum für Kunst und Gewerbe (MKG), Hamburg
Zeit: 20. Januar bis 7. Mai 2017. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr
Katalog: in Vorbereitung
Internet: www.mkg-hamburg.de