Körperspuren, abgelegte Alltagsgegenstände und suggestive Wolken: Die Kunsthalle Münster zeigt unter dem Titel „About Painting“ über 50 neuere Gemälde des in Düsseldorf und New York lebenden Malers Cornelius Völker
Studien von überstreckten Hälsen, zerdrückte Tablettenblister, mit Gummibändern verschnürte Dossiers, Pistolen und Revolver verschiedener Fabrikate, Wolken und Blüten, Blutlachen, Frauen mit zum Dutt aufgesteckten Haaren in Rückenansicht. Die Sujets des in Düsseldorf und New York lebenden Malers Cornelius Völker, geboren 1965 in Kronach, sind ebenso vielfältig wie beiläufig. Seine Malerei bewegt sich dabei gekonnt in den Übergangszonen zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten. Virtuos ist sein Farbauftrag, augenfällig seine auf die Leinwand gebrachten Motive, die er häufig isoliert vor dunklem Hintergrund in Szene setzt, auf spiegelnden Untergründen verdoppelt oder Kraft ihrer schieren Größe und malerischen Präsenz zu autonomen Bildikonen überhöht. Cornelius Völker wurde an der Kunstakademie Düsseldorf ausgebildet. Er studierte bei A.R. Penck und Dieter Krieg.
In der Ausstellung „About Painting“ in der Kunsthalle Münster sind jetzt 51 zwischen 2011 und 2016 entstandene Gemälde zu sehen. Gregor Jansen, künstlerischer Leiter der Kunsthalle Düsseldorf, nahm in seiner Eröffnungsrede eine treffende kunsthistorische Einordnung vor. Die meisterhaft in Öl ausgeführten Bilder von Cornelius Völker, so Jansen, nähmen mal klassische, mal existenzielle, mal ganz flüchtige Themen auf: Spiegel, abgelegte Kleidungsstücke, aber auch Wunden, Pflaster und das Nachglühen der abgestreiften Asche einer Zigarette.
Völkers Malerei sei dabei altmeisterlich und auf der Höhe unserer Zeit zugleich. Seine nahezu abstrakten Wolkenstudien in verschiedenen Farbnuancen vor dunklem Fond lassen die schwebenden Himmelsgebilde mal wie Giftwolken, dann wieder wie aus sich selbst heraus leuchtende Gewitterwolken aussehen. Sie knüpfen dabei an kunsthistorische Vorbilder wie John Constable oder Carl Blechen an.
Cornelius Völker, der seit rund zehn Jahren an der Kunstakademie Münster unterrichtet, ist jedoch auch ein genauer Beobachter des modernen Alltags. Sein Blick ist dabei eher analytisch als zynisch oder ironisch. Der Maler untersucht seine Bildgegenstände teils in extremer, für den Betrachter oft schonungsloser Nahsicht. So etwa eine frisch vernähte Wunde auf menschlicher Haut, deren Betrachtung eine Gänsehaut hervorruft.
Überhaupt der menschliche Körper oder, besser gesagt, seine Spuren, Hinterlassenschaften und Entäußerungen: Benutzte Heftpflaster sind für Völker ebenso bildwürdig wie rote Flüssigkeitslachen, die sich durchaus elegant auf der Bildoberfläche verteilen – könnte es Blut sein, oder ist es doch nur Sirup oder Farbe?
Anspielungen auf Völkers beständige Suche nach der eigenen Verortung in der Kunstgeschichte finden sich dann ganz konkret auf den Bildern einer Serie, die riesige Stapel aufgeschlagener und mit Lesezeichen versehener Kunstkataloge und Bildbände zeigt. Sie stammen aus Völkers eigener Kunstbibiothek und verraten einige seiner Vorlieben: der französische Impressionist Édouard Manet taucht dort ebenso auf wie Andy Warhols Marilyn.
Die auch maltechnisch ausgereiften Ölgemälde von Cornelius Völker nähern sich ihren Bildgegenständen auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Mal mit der entlarvenden Unmittelbarkeit der Pop Art oder des Kapitalistischen Realismus, wie ihn in den 1960er Jahren Sigmar Polke, Gerhard Richter oder Konrad Lueg betrieben. Und dann wieder mit einem etwa an Adolph von Menzel (1815-1905) geschulten Realismus, der auch vor etwas so augenscheinlich Banalem wie ausgetrunkenen und befleckten Kaffeetassen nicht Halt macht. Völker gibt seinen Bildern ganz lakonische Titel. Diese bezeichnen das, was zu sehen ist: „Pflaster“, „Unkraut“, „Flaschen“, „Dutt“. Die bildgewaltige Ausstellung in der Kunsthalle Münster vermittelt einen guten Überblick über die jüngste Schaffensphase des Malers. Letzendlich ist sie aber eine Ode an die Einzigartigkeit, den Ausdrucksreichtum und die Erneuerungskraft der gerne totgesagten Malerei.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Cornelius Völker: About Painting
Ort: Kunsthalle Münster
Zeit: bis 19. Februar 2017, Di–Fr 14–19 Uhr, Sa und So 12–18 Uhr
Katalog: Schirmer/Mosel Verlag, 228 S., 118 Farbtafeln, 23 Abb. Format 25 x 30 cm, deutsch/englisch, gebunden, 49,80 Euro
Internet: www.kunsthalle.muenster.de