Seit Anfang der 1960er Jahre haben rund 1000 Kulturschafende aus aller Welt das Berliner Künstlerprogramm des DAAD durchlaufen. Mitten in Kreuzberg gibt es jetzt endlich für alle Sparten einen zentralen und sehr vorzeigbaren Ort.
Weihnachten ist vorbei, und die ausrangierten Tannenbäume verrotten längst im Schneematsch auf den Berliner Bürgersteigen. Dennoch erklang am Donnerstagabend vor zahllosen Eröffnungsgästen noch einmal die traditionelle Melodie „O Tannenbaum“. Die südkoreanische Künstlerin Minouk Lim benutzte das weltweit bekannte Lied und seine diversen Varianten in einer Performance, die im Rahmen ihrer Ausstellung „New Town Ghost GAGA HOHO“ im neu eröffneten Domizil der DAAD-Galerie in Berlin-Kreuzberg stattfand. So wie es in ihrer Heimat üblich ist, vollzog Lim ein traditionelles Ritual, um das Wohlwollen der Hausgeister für die neuen Bewohner zu erbitten.
Die neuen Bewohner der rund 500 Quadratmeter großen, sich über zwei Etagen erstreckenden Räumlichkeiten sind die Mitarbeiter und Gäste des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Gegründet wurde das Berliner Künstlerprogramm 1965 als Nachfolger eines bereits zwei Jahre zuvor von der US-amerikanischen Ford Foundation aufgelegten Programms. Zu einer Zeit also, als der Mauerbau noch frisch war und die Stadt drohte, international isoliert zu werden. Den Initiatoren galt West-Berlin damals als „verletzliche Insel inmitten des kommunistischen Meeres“, die es auch in kultureller Hinsicht zu stärken galt – was auch gelang. Die Liste der rund 1000 bisherigen Stipendiaten liest sich denn auch wie ein Who’s Who der Kulturgeschichte der letzten 50 Jahre: Ingeborg Bachmann, Susan Sontag, Nan Goldin, Ilya Kabakov, Nam June Paik, Jim Jarmusch, Damien Hirst oder Cees Nooteboom. Sie alle waren auf Einladung des DAAD für ein Jahr in Berlin und hatten in dieser Zeit mit Ausstellungen, Lesungen oder Filmpräsentationen ihren Auftritt im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms. Viele sind länger in der Stadt geblieben oder kehren seitdem regelmäßig zurück. Heute kommen bis zu 20 Stipendiaten pro Jahr, die, ausgestattet mit einem monatlichen Zuschuss von 2.300 Euro, 12 Monate lang vor Ort arbeiten können.
Am neuen, zentralen Ort auf der Oranienstraße 161, mitten im belebten Kreuzberger Kiez, werden in Zukunft Bildende Kunst, Literatur, Musik und Film, Tanz und Performance, mithin also alle Sparten des international angesehenen und maßgeblich vom Auswärtigen Amt und dem Berliner Senat finanzierten Residenzprogramms, ihren Auftritt haben.
Umgebaut hat die in einem Jugendstilgebäude des jüdisch-ungarischen Architekten Oskar Kaufmann (1873-1956) gelegenen Räume das Architekturbüro Kuehn Malvezzi. Die Berliner gelten spätestens seit dem Umbau der Kasseler Binding-Brauerei 2002 für die Documenta 11 als Spezialisten für clevere Lösungen im Kunstsektor. Zu den weiteren realisierten Projekten gehört etwa die Flick Collection im Hamburger Bahnhof, der Umbau der Berlinischen Galerie oder die Julia Stoschek Collection in Düsseldorf.
Mit dem Umzug in die Oranienstraße verlässt die DAAD-Galerie auch ihre bisherigen Räumlichkeiten in der Zimmerstraße beim Checkpoint Charlie. Als sie dort im Jahr 2005 ihre Zelte aufschlug, galt die Gegend noch als Hotspot der Berliner Galerienlandschaft. Doch die Galerien sind längst weitergezogen und haben eher touristischen Angeboten Platz gemacht. Höchste Zeit also auch für die DAAD-Galerie, sich eine passendere Nachbarschaft zu suchen. Zusammen mit Bazon Brocks Debattenwerkstatt „Denkerei“ als Nachbar zur linken Seite und dem ebenfalls umtriebigen Programm des Aufbau Hauses zur rechten Seite am Moritzplatz gelegen, entsteht jetzt ein kulturelles Cluster, das Kreuzberg gut zu Gesicht steht.
DAAD-Galerie, Außenansicht, Foto: Heiko Klaas
Noch bis zum 22. Januar bietet die DAAD-Galerie in den neu eröffneten Studio-Räumen im ersten Stock unter dem Titel „Topophilia/Topophobia“ ein hochkarätiges Eröffnungsprogramm mit Konzerten, Filmen, Lesungen und Performances. Die Ausstellung von Minouk Lim, in der asiatische Mythologie, Fundstücke aus der Natur und industrielle Versatzstücke spannungsvoll miteinander verzahnt werden, in der großen Galerie im Erdgeschoss ist ebenfalls bis zum 22. Januar geöffnet. Der Eintritt für alle Veranstaltungen ist frei.
www.berliner-kuenstlerprogramm.de
www.aufbauhaus.de