Das Buch als Kunstobjekt: Die Hamburger Kunsthalle widmet sich jetzt in einer sehenswerten Ausstellung dem Medium Künstlerbuch und zeigt: Gute Kunst muss nicht teuer sein
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Vitrine mit Künstlerbüchern, Foto: Heiko Klaas
Gerade einmal 1,25 US-Dollar kostete in den 1960er Jahren ein kleinformatiges Künstlerbuch des Konzeptkünstlers Lawrence Weiner. Der Gedanke dahinter: Im Sinne eines demokratischen Kunstverständnisses sollten auch Sammler und Kunstliebhaber mit schmalem Budget in die Lage versetzt werden, originale und individuell gestaltete Kunstobjekte in limitierter Auflage zu erwerben. Heute sind Künstlerbücher ein großes Sammelgebiet. Auf speziellen Buchmessen wie etwa der New Yorker „NY Art Book Fair“ oder der „I Never Read“ in Basel werden aufwendig gestaltete Drucksachen, Künstlerbücher in allen Formaten, Leporellos, Pop-Up-Books oder Vinyl-Schallplatten einem interessierten Publikum angeboten. Gerade jüngere Käuferschichten, ermüdet von der ständigen Verfügbarkeit des Internets und des Teilens von Inhalten in sozialen Netzwerken, entdecken das Stöbern in kunstvollen Drucksachen ganz neu. Analog statt digital.
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Materialverlag der Hochschule für Bildende Künste, HFBK, Foto: Heiko Klaas
Die Hamburger Kunsthalle besitzt in ihrer Sammlung rund 1.700 Künstlerbücher. Diese gehört damit zu den zehn wichtigsten Sammlungen von Künstlerbüchern in Deutschland. Aus diesem reichen Fundus haben jetzt die beiden Kuratorinnen Petra Roettig und Andrea Joosten eine Auswahl getroffen, die sie in der Ausstellung „Künstlerbücher. Die Sammlung“ in der Galerie der Gegenwart präsentieren. Der Entstehungszeitraum der ausgestellten Werke reicht von 1957 bis heute. „Wir zeigen die Exponate im Kontext der Sammlung des ganzen Hauses“, betont Petra Roettig. Und Andrea Joosten, die als neue Leiterin der Bibliothek speziell für dieses Sammelgebiet zuständig ist, ergänzt: „Wir haben immer Künstlerbücher angekauft, die einen Bezug zur Sammlung haben.“
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ABRAMOVIĆ/ULAY (*1946/*1943) Relation / Works, 3 Performances Innsbruck, Galerie Krinzinger, 1978 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Foto: © Hamburger Kunsthalle / bpk, Christoph Irrgang
Die Künstlerbücher werden in einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Vitrinen präsentiert. Daneben gibt es aber auch Hörstationen sowie gerahmte Referenzwerke, Skulpturen und Videoarbeiten der beteiligten Künstler.
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Ian Hamilton Finley: „Saint-Just: Statements“, 1991-94, Foto: Heiko Klaas
Den Auftakt des chronologisch angelegten Rundgangs bilden Künstlerbücher der Konzeptkunst und Minimal Art aus den 1960er Jahren. Ein Pionier des konzeptuellen Künstlerbuchs ist der Kalifornier Ed Ruscha. Seine kleinformatigen, monothematischen Bände versammeln serielle Fotografien von Palmen, Tankstellen oder Parkplätzen. Ein frühes Buch, das der legendäre Galerist Seth Siegelaub mit sieben Konzeptkünstlern 1968 auf einem frühen Xerox-Kopierer hergestellt hat, ist in der Ausstellung ebenso vertreten, wie ein spielerisches Pop-Up-Buch von Andy Warhol, das eine aufklappbare Ritterburg als Pendant seiner Factory zeigt – ein narrativ aufgeladener Kontrapunkt zu den nüchtern-strengen Büchern der Konzeptkunst.
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Ed Ruscha (*1937) Twentysix Gasoline Stations Alhambra, The Cunningham Press, 1969 © Ed Ruscha Foto: © Hamburger Kunsthalle / bpk, Christoph Irrgang
Ein weiterer wichtiger Produzent von Künstlerbüchern war Dieter Roth, dem denn auch ein ganzer Raum gewidmet ist. „Dieter Roth hat sein ganzes Spektrum in Bücher gepackt“, erläutert Petra Roettig. Ob Performance, Land Art, Archive oder Deutscher Pop: Das Künstlerbuch war immer ein begleitendes und eigenständiges Medium zur Dokumentation, Reflektion, der sprachlichen und bildlichen Vermittlung und des Experiments. Speziell auch Fotobücher, etwa von Tobias Zielony, Richard Prince oder Roni Horn, bilden heute einen großen Markt für Sammler und Gelegenheitskäufer.
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Dieter Roth (1930–1998) Kinderbuch, 1976 Edition hansjörg mayer Stuttgart / London / Reykjavik © Dieter Roth Estate Courtesy Hauser & Wirth
Das Kapitel „Neue Positionen“ im letzten Raum der Schau versammelt etliche jüngere Künstler, die äußerst experimentierfreudig im Medium Künstlerbuch arbeiten. Vom Hamburger Stefan Marx etwa sind zahlreiche Bücher, Hefte, Fanzines und Vinylschallplatten zu sehen, die die Produktivität und das zeichnerische Talent des Vielreisenden veranschaulichen.
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Stefan Marx (*1979) FedEx Hamburg, Selbstverlag, 2016 © Stefan Marx Foto: © Hamburger Kunsthalle / bpk, Christoph Irrgang
Aufwendig gestaltete Künstlerbücher sind eher zum aufmerksamen Durchblättern gemacht, eher zum Entdecken als zum Lesen. Manche erscheinen in sehr kleinen Auflagen, andere werden zu Hunderten oder Tausenden unter die Leute gebracht. Die Formate, Drucktechniken, Heftungen und Papierqualitäten variieren fast ins Unendliche. Petra Roettig fasst zusammen: „Das ist ja die Freiheit des Künstlerbuchs, dass alles erlaubt ist.“
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Künstlerbuch von Sol LeWitt, Foto: Heiko Klaas
Auf einen Blick:
Ausstellung: Künstlerbücher. Die Sammlung
Ort: Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, 2. Obergeschoss
Zeit: 1.12.2017 bis 2.4.2018
Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, Do an/vor Feiertagen 10-18 Uhr, Heiligabend geschlossen, 1. Weihnachtstag 12-18 Uhr, 2. Weihnachtstag 10-18 Uhr, Silvester 10-15 Uhr, Neujahr 12-18 Uhr, Gründonnerstag 10-18 Uhr, Ostermontag 10-18 Uhr
Katalog: 168 S., deutsch/englisch, 26 Euro
Internet: www.hamburger-kunsthalle.de