Für seinen Kunstkurs am Kurt-Körber-Gymnasium im Hamburger Stadtteil Billstedt entwickelte der Künstler und Kunsterzieher Nikos Valsamakis die Aktion „Danke, dass ihr da seid“. DARE zeigt jetzt exklusiv 13 Zeichnungen von Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 09, die sich mit systemrelevanten Berufen in Zeiten von Corona auseinandersetzen
Nikos Valsamakis ist Kunsterzieher am Kurt-Körber-Gymnasium in Hamburg Billstedt. Dort unterrichtet er seit 2010 in einem multikulturellen Umfeld Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe. Die jungen Billstedter müssen sich ab dem Jahrgang 08 für einen musischen Wahlpflichtkurs entscheiden und können dabei zwischen Musik, Theater und Kunst wählen.
Wer sich für Kunst entscheidet, kommt in den Kurs von Nikos Valsamakis. Der Deutsch-Grieche hat in den 1990er Jahren Freie Kunst und Kunsterziehung in seiner Geburtsstadt Athen studiert und lebt mittlerweile seit über 20 Jahren in Hamburg. Hier hat er zunächst an der Hochschule für Bildende Künste (HFBK) ein Aufbaustudium absolviert. Danach ist er in der Hansestadt geblieben, wo er als freischaffender Künstler im Stadtteil St. Georg lebt. Wenn er nicht in den Schulalltag eingebunden ist, entstehen in seinem Atelier in der Speicherstadt farbintensive, figurative und abstrakte Gemälde. Auch die Hamburger Kunsthalle hat bereits Arbeiten angekauft.
Als Kunsterzieher am Kurt-Körber-Gymnasium hat sich Nikos Valsamakis jetzt eine besondere Aufgabenstellung für den Kunstkurs des Jahrgangs 09 überlegt. Gerade jetzt, während der Corona-Pandemie macht sich Nikos Valsamakis in der täglichen Arbeit mit Kunst viele Gedanken über seine Schülerinnen und Schüler, die – häufig mit Migrationshintergrund – im multikulturellen Billstedt leben. Seine Schüler wissen nur allzu gut aus ihren Familien, was es heißt, in schlecht bezahlten Berufen zu arbeiten, für die heutzutage in Zeiten von Corona allabendlich auf den Balkonen geklatscht werden. Denn seine Schülerinnen und Schüler kommen häufig selbst aus diesem sozialen Milieu und besuchen das Gymnasium, um später einmal aufzusteigen und mit einem gewissen Stolz sagen zu können: Ich habe es geschafft.
Als Inspiration für die aktuelle Aufgabenstellung für seinen Kurs diente Nikos Valsamakis ein Kommentar aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) vom 19. März 2020, den er in der morgendlichen Presseschau des Deutschlandfunks gehört hatte und für die Schülerinnen und Schüler transkribierte. Daraus ist die Aktion „Danke, dass ihr da seid“ entstanden.
„Das Coronavirus fordert manche Gewissheit wieder zu Tage, die in Vorkrisen-Zeiten irgendwann verschüttgegangen war. Zum Beispiel die, dass in einer Gesellschaft eine Unmenge von Menschen jeden Tag ihren bescheidenen Teil dazu beiträgt, dass unzählige Abläufe wie selbstverständlich ineinandergreifen. In diesen schwierigen Zeiten wird deutlich, dass dazu nicht nur Politiker, Netzwerk-Spezialisten oder Ärzte gehören, sondern viele Beschäftige in Berufen, die gerne mal als „einfach“ tituliert werden, deren Bezahlung meistens bescheiden ausfällt und nicht selten nur knapp über dem Mindestlohn rangiert. Es geht etwa um die Pflegekraft, die ihre Patienten selbstverständlich auch während einer Pandemie betreut, das Supermarktpersonal, das weiterhin die Regale einräumt und die Kundennähe aushält, und den Lastwagenfahrer, der stundenlang an der Grenze ausharrt, damit überhaupt die nötigen Güter ins Land kommen. Dass jeder ihrer Arbeitgeber in der Lage sein wird, einen Corona-Bonus zu zahlen, wie dies Verbraucherministerin Klöckner vorschlägt, muss leider bezweifelt werden. Doch, wie wäre es beim nächsten Mal, wenn wir einfach mit etwas mehr Respekt damit umgehen werden, wenn die Lieblingsnudeln nicht mehr zu haben sind, oder der Termin ein bisschen dauert? Das kostet wenig und zählt viel, auch nach Corona.“
Kommentar aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 19. März 2020. Live zu hören im Deutschlandfunk in der Sendung „Presseschau“ am 19. März 2020
Nikos Valsamakis reflektiert im Folgenden in seinen eigenen Worten sein Selbstverständnis als Kunstlehrer und erläutert die aktuelle Aufgabenstellung für seine Schülerinnen und Schüler vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie:
„Mein Kurs ist ein Wahlpflicht-Kurs. Die SchülerInnen müssen sich ab dem Jahrgang 08 bis zum Jahrgang 10 zwischen Musik, Kunst und Theater für einen Kurs entscheiden.
Nicht wenige von den KursteilnehmerInnen werden von mir im Fach Kunst seit dem Jahrgang 05 unterrichtet. Schwerpunkt ist bei mir das Zeichnen, das Malen und noch mehr die Beobachtung des Umfelds im Allgemeinen. Einen/eine Mitschüler/in zu portraitieren oder in den Park nebenan zu gehen, um die Äste im Frühling oder auch die vorbeifahrenden Autos zu zeichnen oder zu filmen, ist für die SchülerInnen, die mich länger kennen, etwas Gewohntes.
Die Aufgabe haben die SchülerInnen im Jahrgang 09 ein paar Tage nach dem offiziellen Schul-Lockdown bekommen, am 23. März, als die Situation und die Eindrücke für uns alle noch sehr „frisch“ und unreflektiert waren – wie könnte es zu diesem Zeitpunkt anders sein? …“
Nikos Valsamakis zum Thema „Danke, dass ihr da seid“:
„Wenn man die Ärzte und das Pflegepersonal – die gerade Großartiges leisten – ausnimmt, scheint es, in Zeiten von Corona, dass die ganze Welt stillhält.
Die ganze?
Wie im Artikel der F.A.Z. deutlich wird, ist eine Reihe von Berufen für unser Dasein lebenswichtig und das nicht nur im Ausnahmezustand, aber jetzt wird es deutlicher als je zuvor.
Wir wollen mit einer Serie von Zeichnungen und Bildern diesen Menschen danken und uns daran erinnern, dass ohne ihren Einsatz wir als Gesellschaft einpacken können.
Denkbar ist, dass bei Normalisierung des Schulbetriebs diese Zeichnungen weiterverwendet werden, indem sie ausgestellt, gedruckt und als Dankeschön an die Menschen verteilt werden, deren Berufe abgebildet wurden.“
In der Rubrik „Gedanken zur Zeit“ veröffentlicht DARE jetzt 13 Zeichnungen von Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 09 des Kurt-Körber-Gymnasiums in Hamburg Billstedt, die im Rahmen der Aktion „Danke, dass ihr da seid“ entstanden sind. Die Schülerinnen und Schüler sind zwischen 14 und 15 Jahre alt. Ihre Fähigkeit, auf ihren Zeichnungen die inhaltliche Vorgabe der Aufgabenstellung mit ihren persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen in eine ästhetische Form zu bringen, geht auf ihr Talent und auf das pädagogische Engagement ihres Lehrers Nikos Valsamakis zurück. Eine der neuen Fragen unserer unmittelbaren Gegenwart lautet: „Wer ist systemrelevant?“
Die „Neue Normalität“ unter dem Zeichen der weltweiten Pandemie hat in dem Kunstkurs des Jahrgangs 09 eine ganze Reihe beachtenswerter zeichnerischer Interpretationen hervorgebracht.
Nicole Büsing & Heiko Klaas 29. März 2020
https://kurt-koerber-gymnasium.de/2020/04/26/aktion-danke-dass-ihr-da-seid/
Nikos Valsamakis
Geboren in Athen
In den 1990er Jahren Studium der Freien Kunst und Kunsterziehung in Athen
Anfang 2000 Aufbaustudium an der HFBK
Seit 20 Jahren freischaffender Künstler in Hamburg
Seit 2010 Kunsterzieher für die Sekundarstufe am Kurt-Körber-Gymnasium in Hamburg Billstedt