Rirkrit Tiravanija bespielt den Berliner Gropius Bau mit einer großen Übersichtsschau. Mitmachen erwünscht
„Das Glück Ist Nicht Immer Lustig.“ Dieser Satz stammt aus dem Vorspann des Films „Angst essen Seele auf“, den Rainer Werner Fassbinder 1974 gedreht hat. In dem Melodram mit Brigitte Mira und dem nordafrikanischen Schauspieler El Hedi ben Salem in den Hauptrollen wird das Schicksal eines Gastarbeiters thematisiert, der aufgrund seiner Herkunft und Hautfarbe von der deutschen Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Doch die Zeiten sind angesichts des rasanten Aufstiegs der AfD nicht besser geworden.
Dieser menetekelhafte Satz bildet denn auch den Titel der ersten großen Überblicksschau zum Werk des thailändischen Künstlers Rirkrit Tiravanija in einem deutschen Museum, die jetzt im Berliner Gropius Bau zu sehen ist. Die Bezeichnung „Thailänder“ kennzeichnet Tiravanijas Identität nur unzureichend. Der Sohn einer Diplomatenfamilie ist ein Kosmopolit. Er wurde 1961 im argentinischen Buenos Aires geboren. Aufgewachsen ist er unter anderem in Argentinien, Äthiopien und Kanada. In Ottawa hat er zunächst auch ein Kunststudium aufgenommen. Doch bereits 1984 zog er weiter in die USA. Heute lebt der international aufgestellte Künstler in New York, der thailändischen Großstadt Chang Mei und in Berlin, wo er seit 1998 eine Wohnung hat.
Das Nachdenken über Identität, Heimat und migrantisches Erleben kennzeichnet das Werk des insbesondere für seine partizipativen Installationen bekannten Künstlers. So auch im Gropius Bau, der nun über 80 Werke Tiravanijas in verschiedenen Medien versammelt. Eines der Markenzeichen Tiravanijas ist die soziale Interaktion. Wer den Gropius Bau in diesen Tagen betritt, hört schon das Klackern von Tischtennisbällen. Tiravanija hat im Lichthof acht Tischtennisplatten aufgestellt, die alle Interessierten dazu einladen, sich sportlich zu betätigen. Ein Ticket ist dafür nicht erforderlich. Zudem gibt es eine spiralförmige Bühne, die von Kindern, aber auch von Bands für Proben und Konzerte genutzt werden kann.
Doch damit nicht genug. In den eigentlichen Ausstellungsräumen auf der ersten Etage des Gropius Baus sind zahlreiche Arbeiten zu finden, mit denen der Künstler zwischen 1987 und 2024 im westlichen Kunstkontext bekannt geworden ist. So zum Beispiel seine „free-food actions“, die seit Anfang der 1990er Jahre entstehen. Inspiriert von seiner Großmutter, einer begeisterten Köchin, die nicht nur ein eigenes Restaurant sondern auch eine Kochsendung im Fernsehen hatte, wurde Tiravanija zum selbsternannten „Koch der Kunstwelt“. „Ich habe festgestellt, dass Essen ein gut geeignetes Medium dafür ist, um die Ausgangsbedingungen für eine Kommunikation zu schaffen, die nicht notwendigerweise auf Sprache beruht, sondern eine spirituelle Dimension eröffnet“, so Tiravanija. „Im gemeinsamen Akt des Kochens und Essens, so hoffe ich, werden physische und imaginäre Grenzen überwunden.“
Auch das Publikum des Gropius Baus kann jetzt täglich zwischen 13 und 14 Uhr ein besonderes kulinarisches und kommunikatives Miteinander erleben. Ob thailändische Tom Ka Soup oder schwäbische Flädlesuppe, Bierbar, Teezeremonie, Schlagzeugspielen oder ein selbstbedrucktes T-Shirt mit einem Schriftzug vom Künstler zum Mitnehmen – die Kunst von Rirkrit Tiravanija ist niedrigschwellig, sozial, demokratisch und dabei oft humorvoll. Das ist ihr konzeptueller Ansatz.
Mit dieser ersten von ihr selbst kuratierten Schau ist Jenny Schlenzka, der neuen Direktorin des Gropius Baus, ein Jahr nach ihrem Antritt ein richtungweisender Auftakt gelungen, der ihre weitere kuratorische Strategie kennzeichnen dürfte. „In Zukunft werden die transformativen Energien der Künstler*innen, mit denen wir arbeiten, im Gropius Bau eine noch zentralere Rolle spielen, um gemeinsam einen Ort des Austauschs und kollektiver Erfahrungen zu schaffen – einen Ort, von dem sich ein breites Publikum angesprochen fühlt“, so Schlenzkas Vision.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Rirkrit Tiravanija.Das Glück Ist Nicht Immer Lustig
Ort: Gropius Bau Berlin
Zeit: bis 12. Januar 2025, Mo-Fr 12-19 Uhr, Sa und So 11-19 Uhr, Di geschlossen, Feiertage 11-19 Uhr, Langer Abend 9. Januar 2025 bis 20 Uhr
www.gropiusbau.de