Die Hamburger Galerie Carolyn Heinz zeigt Arbeiten der Künstlerin Margret Eicher. Ihre gewaltigen Tapisserien bestechen durch neue Blickwinkel auf die großen Linien unserer visuellen Kultur.
Hier stellt sich die Frage, wie wir Medienkunst eigentlich definieren, wenn Materialität zur Herausforderung wird: Die Galerie Carolyn Heinz im Galeriehaus Hamburg stellt vom 1. Dezember 2012 bis 19. Januar 2013 Arbeiten Margret Eichers aus. Eicher studierte an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und lebt und arbeitet heute in Berlin, Mannheim und Düsseldorf. e_patterns heißt die Ausstellung, die riesige, digitale Tapisserien und Copy Collagen versammelt. Eicher führt in ihren bemerkenswerten Medientapisserien nicht nur zwei sehr verschiedene mediale Verfahren zusammen, auch die abgebildeten Sujets tragen dem Titel der Ausstellung, Patterns, Rechnung.
Muster setzen sich bekanntlich aus verschiedenen Elementen zusammen und machen damit eine Struktur sichtbar. In erstaunlicher Weise kombiniert Eicher hier Mittel der jüngsten Zeit, die Möglichkeiten der medialen Entwicklung und digitalen Bildbearbeitung, die sie für ihre Entwürfe verwendet, und die lange kunsthistorische Tradition des Wandteppichs.
Das alte Medium wird so auf überraschende Weise neu belebt, während die Sujets der Tapisserien, Versatzstücke aus der medialen Bilderkultur, durch das künstlerische Mittel auratisch aufgeladen werden. Der Betrachter kann auf Entdeckungsreise gehen, von Situationen aus Kampagnen des Modehauses Dolce&Gabbana, politischer Bildpropaganda bis hin zur eponymen Computerspielfigur der Jahrtausendwende, Lara Croft, in der Blockbuster-Verfilmung der Spiele Lara Croft:Tomb Raider gespielt von Angelina Jolie in einer der Rollen, die ihren Aufstieg in die globale Schauspieler-Aristokratie mit einläutete, kann er sein eigenes massenkulturelles Bildgedächtnis befragen und Wiedererkennungsmomente durchleben.
Die Tapisserien überführen die dargestellten Situationen, Gestalten und Logos der visuellen Massenkultur in barocke bis klassische Umgebungen und lassen sie damit los auf die großen Linien der Kunstgeschichte. Sie erinnern an die ursprünglichen repräsentativen Umgebungen, für die diese Darstellungsform einst entwickelt wurde. Berühmte Zyklen wie jener der Taten der heiligen Petrus und Paulus nach Entwürfen Raffaels in der Pinakothek der vatikanischen Museen kommen in den Sinn, einst in Flandern, Hochburg der Wandteppichkunst, auf Bestellung Papst Leo X. für die sixtinische Kapelle in der Werkstatt Pieter van Aelsts gewirkt. Schon damals markiert ein medialer Übergang, der von Entwürfen und Kartons in die Vergrößerung und textile Umsetzung, den bildlichen Mechanismus. Und in der Tat lässt auch Eicher ihre digitalen Entwürfe in Flandern umsetzen.
Die geschickte Verbindung alter und neuer Medien, die Repräsentationscodes von einst und visuelle Überhöhung von Fotografie, Werbung, massenmedialen Narrativen und Journalismus von heute machen in Eichers Arbeiten deutlich, wie sich bestimmte Bildcodes über Jahrhunderte halten.
Die visuelle Kraft von Eichers Arbeiten kommt jedoch nie schwer daher – die raumgreifenden Arbeiten erzeugen im Zusammenspiel mit ihren Copy Collagen, ornamentalen Zusammenstellungen von kopierten und vervielfältigten Fundstücken aus dem massenkulturellen Bilderstrom, einen eigenen visuellen Kosmos, der von erfrischender Leichtigkeit ist. Dazu trägt sicherlich die Erkenntnis aus der Ausstellung bei, dass die eigentlich ephemere Medienkunst nicht immer darauf angewiesen ist, auch tatsächlich selbst von digitaler Materialität zu sein.
Hier ist Medienkunst zu sehen, die überraschend neuartige Seherfahrungen zulässt und auf unsere mediale Lebenswirklichkeit reagiert, indem sie gerade den Aspekt der Materialität des künstlerischen Werks in den Fokus rückt. Eichers Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen zu sehen, darunter die Kunsthalle Mannheim, die Staatsgalerie Stuttgart, aber auch das Medienmuseum des einflussreichen ZKM, Zentrum für Kunst und Medien, Karlruhe. Während sich für „klassische“ Medienkunst gerade aus institutioneller Sicht oft schon im Medium die Frage stellt, wie diese angesichts sich verändernder Speicher- und Wiedergabeformate für die Zukunft erhalten werden kann, stellt sich in der Ausstellung Eichers bei Carolyn Heinz die Erkenntnis ein, dass die hier gezeigte in mehr als einer Hinsicht sichtbar bleiben wird.
Margret Eicher
Galerie Carolyn Heinz, Hamburg
Internet: www.galeriecarolynheinz.de
bis 19. Januar 2013. Mi-Fr 12-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr
Galerie Carolyn Heinz, im Galeriehaus Hamburg
Klosterwall 13, 20095 Hamburg.