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Großes Theater für kleine Nasen

04.05.13  Von Nicole Buesing und Heiko Klaas


Labyrinth mit Duftstationen: In den komplett umgebauten Räumen des Hamburger Kunstvereins entführt der Berliner Aktions- und Installationskünstler John Bock in ein alle Sinne herausforderndes Environment. 

Hamburg. Klaustrophobiker, Geruchsempfindliche und Rationalisten aufgepasst: In dem stark aromatisierten Gängelabyrinth, das der 1965 im schleswig-holsteinischen Gribbohm geborene Berliner Aktions- und Installationskünstler John Bock jetzt in den Räumen des Hamburger Kunstvereins aufgebaut hat, gibt es kein Entkommen vor merkwürdigen Gerüchen, engen Korridoren, kaltem Neonlicht und absurden Arrangements aus banalen Alltagsgegenständen.

John Bock: Porträt John Bock, Foto: Heiko Klaas

John Bock: Schlange vor dem Aufzug während der Eröffnung, Foto: Heiko Klaas

„Der Pappenheimer“ nennt John Bock, der vielen noch als dauerperformender Bühnenberserker während der Documenta 11 im Jahr 2002 in Erinnerung geblieben sein dürfte, seine begehbare Installation mit Einbahnstraßencharakter. Die Anspielung auf den berühmten Ausspruch „Daran erkenn‘ ich meine Pappenheimer“ aus Schillers Drama „Wallensteins Tod“ ist dabei nicht allzu wörtlich zu nehmen. Bock, ein Meister der absurden Wort- und Bedeutungs-verdrehungen, nimmt gängige Ausdrücke und Redewendungen gern wörtlich und überführt sie in groteske, bühnenartige Settings. Sein „Pappenheimer“, das ist die unvollendete Steinskulptur eines anonym bleibenden anderen Künstlers, die Bock, der seit 2004 an der Karlsruher Kunstakademie eine Bildhauerklasse leitet, in einer Abstellkammer der Hochschule entdeckte.

Zum „Pappenheimer“ wird er durch einen simplen Kunstgriff: Bock steckt den Kopf der Figur ganz einfach in einen gebrauchten Pappkarton. Der wiederum ist ausgestattet mit bunt leuchtenden Miniaturtheaterscheinwerfern und einer Videokamera, die technisch eher bescheidene Live-Bilder auf einen im späteren Verlauf des Parcours aufgebauten Monitor überträgt.

John Bock, Der Pappenheimer, 2013 Installationsansicht / Installation view, Kunstverein Hamburg 2013 Foto / Photo: Fred Dott / Kunstverein Hamburg Courtesy Anton Kern Gallery, New York

Doch der Reihe nach: Erst nachdem er einen juristisch hieb- und stichfesten Haftungssauschluss unterzeichnet hat, darf sich der Ausstellungsbesucher zusammen mit maximal neun anderen in den Aufzug begeben und in den ersten Stock des Kunstvereins fahren. Oben angekommen, wird er in einen achtzig Zentimeter breiten, weißen Tunnel mit aseptischer Neonbeleuchtung geleitet. Durch sogenannte  Metzgervorhänge aus transparenten PVC-Lamellen hindurch betritt er die einzelnen Räume der Installation. Den Auftakt bildet ein Duftraum. Bock konfrontiert den Betrachter mit zwei blauen Chemiefässern hinter einer Plexisglassscheibe. Über ein einfaches Schlauchsystem strömen die Gerüche von Maissilage und Weichspüler in den leeren Raum. Die Aromen von Massentierhaltung und übertriebener Wäschepflege – beide ökologisch eher bedenklich – verschmelzen zu einem unangenehmen Amalgam, das den Besucher rasch zum Weitergehen animiert. Auf dem rund siebzig Meter langen Parcours, der das gesamte Obergeschoss umfasst, gibt es schließlich noch mehr zu entdecken.

John Bock: Betrachter im Geruchsraum, Foto: Heiko Klaas

John Bock: „Der Pappenheimer“: Detail, Foto: Heiko Klaas

Nachdem man den nächsten Tunnelgang passiert hat, gelangt man in einen Raum voller kleiner technischer Wunder: Da gibt es eine Plastiktüte, die ein- und ausatmet, einen rotierenden Topflappen, einen schwebenden Coffee-to-go-Plastikdeckel, einen Kugelschreiber, dessen Mine unablässig rein- und rausspringt und Omas alte Brille, deren Bügel leise gegen die Wand klackt. Simpelste Analogtechnik macht es möglich. „Kleinodtotsods“ nennt Bock diese haushaltsüblichen Soundobjekte. Auf ihre tiefere Bedeutung geht er nicht ein. „Ich will keine Logik in diese Welt setzen“, so der Großmeister der absurden Anordnungen aus Alltagsobjekten, pseudowissenschaftlichen, autobiografischen, filmgeschichtlichen und kunsthistorischen Anspielungen. In der Hamburger Installation begegnet der Ausstellungsbesucher noch Federico Fellini, Frankensteins Monster, zweckentfremdeten Tennissocken und vielen weiteren Merkwürdigkeiten. Und ganz am Ende gibt es dann so etwas wie eine synästhetische Auflösung dieses für John Bocks Verhältnisse fast schon minimalistischen Parcours. Notorische Sinnsucher und Alles-Verstehen-Woller sollten ihre Erwartungen aber vorsichtshalber etwas herunterschrauben. Denn, so John Bock: „Das Unfertige ist doch näher dran als das Fertige. Da hat der Mensch noch die Chance, sich daran abzuarbeiten.“

 

John Bock: „Der Pappenheimer“: Detail, Foto: Heiko Klaas

John Bock: „Der Pappenheimer“: Detail, Foto: Heiko Klaas

John Bock: „Der Pappenheimer“: Detail, Foto: Heiko Klaas

Auf einen Blick:

Ausstellung: John Bock – Der Pappenheimer
Ort: Kunstverein Hamburg
Zeit: 1. Mai bis 30. Juni 2013. Di-So 12-18 Uhr.

Pfingstmontag, Christi Himmelfahrt und Fronleichnam geöffnet

Katalog: Verlag der Buchhandlung Walther König, Kartonbox mit vier unterschiedlichen Gerüchen in Reagenzgläsern und einer Zeichnung von John Bock. Erscheinungstermin: 15. Mai 2013. 38 Euro

Internet: www.kunstverein.de

John Bock: „Der Pappenheimer“: Korridor, Foto: Heiko Klaas

Ausstellungen



Nicole Buesing und Heiko Klaas
Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie leben in Hamburg und Berlin. Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Kunstmarkt.com, Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist Kunstmagazin, Artline, Spiegel online, DARE, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Künstler-Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, www.artlog.net, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse, etc. klaas.buesing@gmail.com




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