Die Ausstellung „Inside Out. Einblicke in Mode“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt modische Design-Ikonen ganz jenseits so banaler Kategorien wie Alltagstauglichkeit oder Tragbarkeit.
„Was ist Mode? Vom künstlerischen Standpunkt aus eine Form der Hässlichkeit, die wir alle sechs Monate ändern müssen“, erkannte bereits im 19. Jahrhundert der irische Dandy und Schriftsteller Oscar Wilde. An dem offenbar schon damals üblichen Sechsmonatsrhythmus der Modeindustrie hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Die Designer und Produzenten haben zusätzlich noch die Zwischensaison erfunden und überschwemmen die Märkte quasi permanent mit neuen Kreationen. 50.000 neu entworfene Kleidungsstücke, so Angelika Riley, Kuratorin der Ausstellung „Inside Out. Einblicke in Mode“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, verlassen pro Saison die Designabteilungen der edelsten Modehäuser – vom billigen Fummel, den Discounter und Versandhändler anbieten, ganz zu schweigen.
Dass davon wiederum nur ganz wenige ausgewählte Stücke im Museum landen, liegt auf der Hand. Und dass sich allein durch ihre Tragbarkeit auszeichnende Kleidungsstücke, wie sie jeder gleich dutzendfach zu Hause im Schrank hängen hat, nicht gerade zum Besuch einer Museumsausstellung einladen, ist auch klar. Die Hamburger Schau konzentriert sich daher auf Exponate, deren performative Qualitäten im Vordergrund stehen. Kleider, in denen man auffällt, sich vollkommen entblößt oder sonst wie ein unübersehbares Statement abgibt.
Knapp 60 verschiedene Modelle von Star-Designern und Avantgarde-Labels wie Philippe Starck, Comme des Garçons, Martin Margiela oder Azzedine Alaïa, aber auch Stücke anonymer Modemacher und einige historische Referenzobjekte, sind, ergänzt um Videoarbeiten, zu sehen.
Die in vier Kapitel eingeteilte Ausstellung beginnt mit Beispielen zu den Themen Enthüllung und Transparenz. Ein hellgrauer Catsuit des jungen britischen Designers Gareth Pugh stellt den Körper seiner Trägerin ebenso unmittelbar zur Schau wie Philippe Starcks nur aus einem strumpfhosenartigen Trikot-Schlauch bestehendes Modell „Star(c)k Naked Hot“. Im anschließenden Kapitel Simulation versammelt die Ausstellung dann Entwürfe mit Trompe-l’œil-Effekten oder aus vollkommen undogmatischen Materialien. Zu sehen ist etwa ein Herrenjacket aus bedruckter Baumwolle, das seinen Träger wie eine Backsteinfassade aussehen lässt, aus der letzten Herbst-Winter-Kollektion des für seine ironischen Entwürfe bekannten italienischen Labels Moschino.
Das aus Acrylfolie, Baumwollgewebe und Tüll bestehende „Schlangenkleid“ der 1984 geborenen Niederländerin Iris van Herpen wiederum ist allein aufgrund seiner ausladenden Form nicht alltagstauglich. Im Kapitel Verfremdung wird dann gezeigt, wie Designer wie der Belgier Martin Margiela aus mehreren bereits vorhandenen Textilien neue Kreationen zusammennähen. Margielas 2003 entstandener Damenmantel mit gleich vier Ärmeln ist ein gutes Beispiel für derlei aus der bildenden Kunst abgeschaute Assemblage-Techniken. Während der Auftakt der Schau den Sex-Appeal akzentuierter Nacktheit betont, zeichnen sich die Exponate im letzten, dem Komplex Verformung gewidmeten Ausstellungskapitel, durch die rigide Bevormundung ihrer Trägerinnen aus: Einschnürende Mieder und Gesäßbetonungen aus dem 18. Jahrhundert treffen hier auf neuere Beispiele. Etwa ein Abendkleid aus der Kollektion „White Drama“ der japanischen Avantgarde-Queen Rei Kawakubo von 2012, das nur Öffnungen für den Kopf und die Füße seiner Trägerin vorsieht und statt Ärmeln lediglich zwei kleine Schlitze in Hüfthöhe zu bieten hat. Wer schön sein will, muss hier verzichten: Ein Glas Champagner oder leckere Canapés jedenfalls lassen sich in dieser restriktiven Hülle nicht zum Mund führen.
Auf einen Blick
Ausstellung: Inside Out. Einblicke in Mode
Ort: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Zeit: 7. Juni bis 13. Oktober 2013. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr
Katalog: es erscheint keine Publikation
Internet: www.mkg-hamburg.de