Gleich und doch verschieden: Die Hamburger Kunsthalle zeigt in der Galerie der Gegenwart die Schau „Serial Attitudes – Wiederholung als Methode seit den 1960ern“.
Die 1960er Jahre in Amerika waren geprägt vom Aufkommen anonymer Vorstadtsiedlungen mit stereotypen Einfamilienhäusern. Der Triumphzug der Fertighausindustrie und der Baumärkte machte es möglich. Gleichzeitig begann der Siegeszug von Fast Food- oder Tiefkühlmenüs. Alles glich plötzlich irgendwie einander, baute aufeinander auf oder kam als kleine Variante des Immergleichen daher. Die Fließbandnormierung nahezu aller Lebensbereiche hatte sich durchgesetzt.
Kein Wunder, dass dieses formalästhetische Alltagsumfeld sich irgendwann auch auf die Kunstproduktion dieser Zeit auswirken würde. „Serial Attitudes – Wiederholung als Methode seit den 1960ern“ lautet der Titel einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die diesem Phänomen nachspürt. Brigitte Kölle, die Kuratorin der Schau, zeigt jedoch nicht Andy Warhols berühmte „Brillo-Boxen“ oder andere Pop Art-Werke. Sie konzentriert sich ganz überwiegend auf Vertreter der Konzeptkunst und Minimal Art. Ausgehend von einem Aufsatz des amerikanischen Künstlers Mel Bochner aus dem Jahre 1967, in welchem dieser klarstellte: „Serielle Ordnung ist eine Methode, kein Stil“, versammelt die Schau auf einer kompletten Ausstellungsetage der Galerie der Gegenwart Arbeiten von rund 20 amerikanischen und europäischen Künstlern, darunter Donald Judd, Sol LeWitt, On Kawara, Bernd und Hilla Becher, Gerhard Richter oder Hanne Darboven. Fast allen Arbeiten gemeinsam sind die Wiederholung gleicher oder ähnlicher Motive, das formale Durchdeklinieren von Varianten und Möglichkeiten und das bewusste Vermeiden einer manuellen Spur des ausführenden Künstlers. Mit dem Geniekult des abstrakten Expressionismus der Nachkriegszeit hatten diese Künstler endgültig gebrochen.
Donald Judd, der wichtigste amerikanische Vertreter der Minimal Art, etwa ist mit einer großformatigen Bodenarbeit aus 21 quadratischen Eisen-Objekten vertreten. Alle bestehen aus einem Rahmen und einer Stahlplatte. Obwohl die Dimensionen der Boxen identisch sind, ist jede doch etwas anders und insofern ein Unikat. Von dem Düsseldorfer Fotografen-Ehepaar Bernd und Hilla Becher, die sich in ihrer dokumentarischen Praxis auf die Typologie von Industriebauten spezialisiert hatten, ist die frühe Serie „Gutehoffnungshütte“ (1963) mit 48 noch selbst gerahmten Aufnahmen zu sehen. On Kawara ist mit „Date Paintings“ und Postkarten, Hanne Darboven mit großformatigen Zeichnungen auf Millimeterpapier und Sol LeWitt sowohl mit der aus weißen Gitterstrukturen bestehenden Arbeit „Cube Structure“ (1972) als auch mit einer Wandzeichnung vertreten. Mit ihren abgezirkelten Linien, den meist industriellen Materialien und der Veranschaulichung klarer Ordnungsprinzipien passt die Schau hervorragend in die von Oswald Mathias Ungers errichtete Galerie der Gegenwart. Und sie schafft das passende Umfeld für zwei groß angelegte Retrospektiven, die ab Ende November gezeigt werden: Mit Eva Hesse und Gertrud Goldschmidt, genannt „Gego“, ehrt die Kunsthalle dann zwei in Hamburg geborene Künstlerinnen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Deutschland in den 1930er Jahren verlassen mussten und in New York beziehungsweise Venezuela Karriere gemacht haben. Der maskulinen Strenge der hier gezeigten Kunst ihrer Zeitgenossen, das wird dann zu sehen sein, setzten die beiden einen viel sinnlicheren Umgang mit Form und Material entgegen.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Serial Attitudes – Wiederholung als Methode seit den 1960ern
Ort: Hamburger Kunsthalle – Galerie der Gegenwart
Zeit: bis 21. April 2014. Di-So 10-18 Uhr. Do 10-21 Uhr. Heiligabend geschlossen. 1. Weihnachtsfeiertag geschlossen. 2. Weihnachtsfeiertag 10 bis 18 Uhr. Silvester 10 bis 16 Uhr. Neujahr 12 bis 18 Uhr
Katalog: es erscheint keine Publikation
Internet: www.hamburger-kunsthalle.de