Die Spezialmesse Paris Photo meldet gute Verkäufe und großes Interesse von Sammlern und Museumskuratoren. Für jeden, der etwas mit Fotografie zu tun hat, ist der Ausflug an die Seine im November ein Muss.
„Ein besseres Publikum für Fotografie kann man in meinen Augen nicht bekommen“, sagt Hannes Kuckei. Mit seiner Berliner Galerie Kuckei & Kuckei hat er erfolgreich an der jetzt zu Ende gegangenen Fotomesse Paris Photo teilgenommen. „Wenn man hier nichts verkauft, ist man im Job falsch“, resümiert der Berliner Galerist, der mehrere großformatige Fotografien von Barbara Probst gut in Sammlungen platzieren konnte. Probst ist bekannt für ihre im selben Sekundenbruchteil, aber mit verschiedenen Kameras aus verschiedenen Perspektiven aufgenommenen, meist dreiteiligen Sets mit Straßenszenen oder Porträts.
Der Renner am Stand von Kuckei & Kuckei waren jedoch Collagen der jungen Frankfurterin Lilly Lulay, die erst im nächsten Jahr ihren Abschluss an der HFG Offenbach macht. Ihre kleinformatigen „Mindscapes“ aus Architektur- und Landschaftselementen, die sie auf dem Flohmarkt gefundenen Fotoalben entnommen hat, kosteten 1.250 Euro und verkauften sich in alle Welt. Außerdem am Stand: Detailreiche Aufnahmen des 1977 geborenen Argentiniers Guillermo Srodek-Hart von altertümlichen Apotheken, Tante-Emma-Läden, Werkstätten und Bars in der argentinischen Provinz für 5.000 Euro (Auflage: 5) – Spurensicherung in einer schnelllebigen Zeit. Srodek-Hart war auf der diesjährigen Biennale Venedig in der von Alfons Hug organisierten Sonderschau „The Atlas of the Empire“ im Arsenale vertreten.
Zur 17. Ausgabe der Paris Photo, der weltweit führenden Messe für Fotografie, waren 136 Galerien und 28 Verlage aus 24 Ländern, darunter 28 Erstteilnehmer, an die Seine gereist. In den großzügigen, lichtdurchfluteten Hallen des Grand Palais, wo Ende Oktober noch die auf zeitgenössische Kunst aus allen Medien spezialisierte FIAC stattgefunden hatte, versammelten sich knapp über 55.000 (2012: 54.000) fotobegeisterte Besucher, um die vielen Vintage Prints, aber auch außergewöhnliche zeitgenössische Aufnahmen zu begutachten. Wer keine echten Abzüge oder Prints erwerben wollte, tummelte sich im hochkarätigen Bereich für Fotobücher und nutzte vielleicht dort die Gelegenheit, sich das ein oder andere der immer aufwendiger produzierten Exemplare von den vielen angereisten Fotografen und Künstlern wie Sebastião Salgado, Raymond Depardon, Annette Messager, Taryn Simon oder Sophie Calle signieren zu lassen. Ebenfalls zu haben waren hier seltene antiquarische Erstausgaben etwa von Robert Frank, William Eggleston, Ed van der Elsken oder den Bechers zu entsprechend hohen Preisen.
Unter den Paris Photo-Besuchern wurden viele Sammler, aber auch viele Fotokuratoren und Museumsleute gesichtet. „Jedes wichtige Museum, das etwas mit Fotografie zu tun hat, ist hier“, hat Asia Zak-Persons von der Galerie Taik beobachtet. Die finneische Galerie verkaufte ihre zumeist jungen Vertreter der Helsinki School, in deren Werk eine fotografisch-konzeptuelle Auseinandersetzung mit der Natur und ihren Phänomenen die Hauptrolle spielt, in Museen weltweit. Auch Andreas Wiesner von Feldbuschwiesner aus Berlin zieht eine positive Bilanz der Paris Photo. „Viele Kaufentscheidungen fallen am letzten Tag“, stellt er fest. „Die Leute kommen drei bis vier Mal und entscheiden sich am Schluss.“ Doch auch in den ersten Messetagen konnte er schon viele rote Punkte kleben. Feldbuschwiesner verzeichnete großes Interesse für die Architekturaufnahmen von Friederike von Rauch und Sarah Schönfelds Bilder von Life-Style-Drogen, die sie in einer kühlen, an mikroskopische Vergrößerungen erinnernden Ästhetik abbildet. Schönfeld bringt dafür kleinste Mengen halluzinogener Substanzen wie LSD oder Heroin direkt mit dem Negativpapier in Kontakt und fertigt dann Momentaufnahmen der entstehenden chemischen Reaktionen, die an Kristalle, Himmelskörper oder Mikroorganismen erinnern.
Traditionellerweise findet man auf der Paris Photo viele Vintage-Aufnahmen von Klassikern der Fotografie. So zeigte die New Yorker Galerie Cheim & Read Vintage Prints aus dem Jahr 1965 von William Eggleston, der New Yorker Steven Kasher hatte unter anderem Vintage-Aufnahmen von Weegee (4.500-11.000 Euro) am Stand, und die Stephen Daiter Gallery aus Chicago präsentierte frühe Aufnahmen von Robert Frank aus den 1950er Jahren für 22.000 Euro. Eines der teuersten Bilder der Messe war die großformatige Zusammenstellung „Cézanne’s Objects“ mit Aufnahmen von Gegenständen aus dem Atelier Paul Cézannes von Joel Meyerowitz für 110.000 Euro bei Howard Greenberg aus New York. Eine der teuersten Fotografien der Messe überhaupt war die von der Bonner Galerie Feroz für eine Million Euro offerierte Aufnahme „Konditormeister“ von August Sander aus dem Jahre 1928. Die 2009 gegründete Galerie wird übrigens vom Urenkel August Sanders betrieben.
Äußerst erfolgreich lief die Paris Photo auch für den Hamburger Robert Morat, der seit einigen Jahren regelmäßig an der Pariser Fotomesse teilnimmt: „Wir konnten uns auch letztes Jahr nicht beklagen. Dieses Jahr lief es dann jedoch ganz toll. Es ist ganz offensichtlich eine Menge Geld unterwegs. Alle Amerikaner, die Fotografie sammeln, sind hier. Und die Entscheidungsfindungsprozesse sind in diesem Jahr kürzer“, hat Morat beobachtet. Robert Morat präsentierte am Stand unter anderem Aufnahmen des Leipzigers Hans Christian Schink, der von der Tsunami-Katastrophe veränderte Landschaften in der Gegend um Fukushima fotografierte (11.500 Euro, Auflage: 8) sowie serielle Fotografien des Becher-Schülers Bernhard Fuchs aus seinem oberösterreichischen Heimatdorf (2.400 Euro, Auflage: 8). Von Hans Christian Schink konnte Robert Morat bereits am Eröffnungsabend alle drei großen Bilder verkaufen.
Der Erfolg der Paris Photo lässt sich auch an der Liste der teilnehmenden Galerien ablesen. Nicht nur die großen und etablierten auf Fotografie spezialisierten Händler wie Howard Greenberg, Hans P. Kraus Jr. und Danziger aus New York, oder Thomas Zander und Priska Pasquer aus Köln nehmen hier seit Jahren teil. Aber auch Global Players wie Gagosian, Zwirner oder Pace/Macgill kommen mittlerweile mit Werken ausgewählter Galeriekünstler, die mit Fotografie arbeiten, nach Paris. Matthieu Humery, Foto-Spezialist bei Christie’s, stellte dazu in einem Interview mit der Pariser Tageszeitung „Le Monde“ fest: „Von den 100 wichtigsten lebenden Künstlern arbeitet jeder zweite zeitweise auch mit dem Medium Fotografie. Und rund ein Drittel der Sammler von Fotografie sammelt auch Kunst in anderen Medien“.
Eigentlich eine logische Entwicklung, dass sich die Messe, vor allem seit der Berufung Julien Frydmans 2011 zum neuen Direktor, immer mehr auch für die zeitgenössischen Künstlern öffnet, die nicht ausschließlich mit dem Medium Fotografie arbeiten. So präsentierte der mittlerweile mit sechs Galerien auf drei Kontinenten omnipräsente Larry Gagosian anlässlich seiner dritten Teilnahme an der Paris Photo Arbeiten von Richard Prince, ebenso wie ganz neue Parkplatzfotos von Ed Ruscha, die nach dem Motto „50 Years after“ an seine in den 1960er Jahren begonnene Serie „Parking Lots“ anknüpfen, oder großformatige Tableaus von Taryn Simon, auf welchen sie sich in bester Aby-Warburg-Tradition mit ausufernden Bildarchiven etwa der New York Public Library beschäftigt.
Die New Yorker 303 Gallery, prominent am Eingang der Messe platziert, setzte ebenfalls konsequent auf museale Fotoarbeiten zeitgenössischer Künstler. Neben diversen Werken Hans-Peter Feldmanns und der britischen Zwillinge Jane & Louise Wilson fiel hier eine LED-Lightbox-Arbeit von Doug Aitken ins Auge. Aitken verarbeitete dafür schwarz-weiße Archivbilder von ethnischen Auseinandersetzungen im Harlem der 1970er Jahre zu einer Wortskulptur in Anlehnung an die One-Dollar-Note. Aufs Vortrefflichste verbindet dann wiederum eine Arbeit Stephen Shores Konzeptkunst und Fotografie: „July 22, 1969“. Shore hat sich während eines gesamten Tagesablaufs vom Aufstehen bis zum Zubettgehen jede halbe Stunde fotografiert. Das aus 49 Schwarz-Weiß-Aufnahmen bestehende Set, das bereits 2008, als Lithographie reproduziert, in 100er Auflage zu haben war, wurde hier im Original angeboten.
Auch wenn einige wenige Stände mit ihrem bunten Gemischtwarenprogramm nach wie vor etwas rummelig wirkten, so ist das Gesamtniveau auf der Paris Photo konstant hoch. Wo sonst findet man in dieser Dichte Originalaufnahmen der Surrealisten, japanische Avantgardefotografie der 1960er Jahre, seltene Fotodokumente von Performances oder Interventionen so wichtiger Künstler wie Vito Acconci und Gordon Matta-Clark oder einfach nur Meisterwerke von Fotoheroen wie Eugène Atget, Berenice Abbott oder Robert Frank? Die Messe ist jedoch nichts für Schnäppchenjäger.
Bis auf eine Ausnahme vielleicht: Die Kölner Galerie Priska Pasquer reagierte auf die zigtausendfache Verbreitung der frühen Aufnahme „Dialog 3“ (1973) ihres unter anderem in der Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art vertretenen Künstlers Rudolf Bonvie auf der Fotoblogger-Plattform Tumblr und hatte einen limitierten Abzug in 1000er-Auflage für günstige 49 Euro dabei. Ein Angebot für junge Sammler, die das Objekt dann vielleicht doch der Datei und das leibhaftige Besitzen dem virtuellen Teilen vorziehen, im Angebot. Ein Experiment, das offenbar aufgeht: Am Sonntag waren bereits über 500 Exemplare verkauft. Zu bestellen ist die Aufnahme über die Website der Galerie.
Auf einen Blick:
Messe: Paris Photo
Ort: Paris, Grand Palais
Zeit: 14.-17. November 2013
Katalog: 490 S., 25 Euro
Internet: www.parisphoto.fr
Nächste Termine:
Paris Photo Los Angeles: 25.-27. April 2014
Paris Photo 13.-16. November 2014