Große Bühne für Karl Lagerfeld: Das Essener Museum Folkwang überlässt dem Modemacher und seinen Getreuen das Feld – und verzichtet dabei vollkommen auf kuratorische Deutungshoheit.
Nichts gegen Karl Lagerfeld. Der ist originell, mit einer derart unverblümten Arroganz ausgestattet, dass man ihn dafür schon wieder mögen muss und ganz sicher ein mehr als nur passabler Modemacher. Seine Entwürfe für Chanel, Fendi und seine diversen eigenen Labels werden weltweit gefeiert – und gekauft. Außerdem repräsentiert Lagerfeld für viele Deutsche eine Art Projektionsfläche.
Seht her, das ist einer von uns, der es in Paris geschafft hat! Ein über alle Zweifel erhabenes Universalgenie, das gleichzeitig geniale Mode und Gebrauchsgegenstände entwerfen, begnadet zeichnen, göttlich fotografieren, mit untrüglichem Kennerblick Kunst sammeln, spektakuläre Modenschauen inszenieren, mythologische und literarische Vorlagen in kongeniale Fotobücher und gigantische Siebdrucke umsetzen kann, ist er jedoch nicht.
Die Ausstellung „Karl Lagerfeld – Parallele Gegensätze“ im Essener Museum Folkwang wagt aber genau diese Behauptung – und muss daher zwangsläufig an ihren eigenen Ansprüchen scheitern. Zudem führt sie auf geradezu entlarvende Art und Weise vor, was passiert, wenn ein Museum, das in letzter Zeit massiv unter mangelndem Besucherinteresse zu leiden hatte, plötzlich das Ruder rumreißen will und dafür ein Ausstellungsprojekt zu 100 Prozent in fremde Hände abgibt.
Folkwang-Direktor Tobia Bezzola hat genau das getan. Die Lagerfeld-Schau wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Modemacher von Gerhard Steidl – der Göttinger Buch-Tycoon ist seit 1993 Lagerfelds Exklusivverleger – und Eric Pfrunder, dem Kreativdirektor des Hauses Chanel, eingerichtet. Auf 1.400 Quadratmetern Ausstellungsfläche hat das durchaus auch kaufmännisch motivierte Trio jetzt also die Gelegenheit, seine Version der Erfolgsgeschichte der Marke Lagerfeld anhand von mehr als 400 Exponaten zu präsentieren. Direktor Bezzola und seine Kuratoren aber bleiben außen vor.
Am Ende des Parcours klingelt sogar die Kasse: Eine Pop-Up-Filiale der Pariser Buchhandlung 7L und des Verlages L.S.D. – auch das ein Gemeinschaftsunternehmen von Steidl und Lagerfeld – bietet, wohlgemerkt als Bestandteil der Ausstellung, exklusive Fotobände, Belletristik, Essay-Bände von Susan Sontag oder die spleenigen Tagebücher Harry Graf Kesslers zum Verkauf an. Angeblich alles Bücher, die der Meister selbst bereits gelesen beziehungsweise zur Zeit auf dem Nachttisch liegen hat.
Zugegeben: Als genialer Modedesigner, kreativer Regisseur aufsehenerregender Defilees, ästhetischer Schwadroneur und scharfzüngiger Talkshowgast ist Karl Lagerfeld geradezu unverzichtbar. Aber hätte es da nicht genügt, seine Kernkompetenzen in Szene zu setzen? Sehenswert ist die Ausstellung da, wo sie uns Lagerfeld pur zeigt. Zum Beispiel Architekturmodelle und Videos seiner letzten Modenschauen.
Beeindruckend, wie er das Pariser Grand Palais in einen High-Tech-Windpark verwandelt, um es eine Saison später dann als verfallenden Theatersaal mit Schutt und Patina zu inszenieren. Aufschlussreich, seine ganz aktuellen, mit lockerer Hand gezeichneten, aber dennoch äußerst präzisen Haute-Couture-Entwürfe für Chanel im Zusammenhang mit den Originalkleidern zu sehen.
Peinlich jedoch wird die Schau immer dann, wenn sich Lagerfeld als schwärmerischer Epigone großer Maler präsentiert. Seine Reihe der Hommagen an Anselm Feuerbach, Lyonel Feininger oder Edward Hopper – alles inszenierte Fotografien, die zu allem Überfluss auch noch auf Leinwand gedruckt sind und sich so als Malerei zu gerieren versuchen – bezieht ihren ästhetischen Reiz aus der leider vollkommen unironischen, mitunter verkitschten Aneignung berühmter Vorbilder. Lagerfelds großformatige Werbefotos für Rolls Royce und das VW-Oberklassemodell Phaeton oder sein auf einem Sockel präsentierter Steinway-Flügel „The S.L.E.D.“ entlarven ihn als gefälligen Gebrauchskünstler, der auf Bestellung nahezu jeden Gegenstand seinem vereinheitlichenden „Signature Style“ anverwandeln kann.
Genau an diesen, arg ins Kommerzielle abdriftenden Scharnierstellen der Schau hätte es eigentlich klarer kuratorischer Interventionen seitens der ausstellenden Institution bedurft. Ob aus wirtschaftlicher Not oder mangelndem Selbstbewusstsein gegenüber den externen Ausrichtern und potenten Sponsoren der Schau: Am Essener Museum Folkwang hat man sich dieses Mal dafür entschieden, darauf zu verzichten. Und am Ende war selbst Karl Lagerfeld verwundert: „Ich hätte nie gedacht, dass ich seriös genug bin für ein Museum wie dieses“, kommentierte er mit der ihm eigenen Koketterie das Zustandekommen der Ausstellung.
Auf einen Blick
Ausstellung: Karl Lagerfeld – Parallele Gegensätze – Fotografie, Buchkunst, Mode
Ort: Museum Folkwang, Essen
Zeit: bis 11. Mai 2014. Di-So 10-18 Uhr. Fr 10-22 Uhr
Katalog: Edition Folkwang/Steidl, 320 S., 408 Abb., 18 Euro
Internet: www.museum-folkwang.de