Die Ausstellung „Farbe für die Republik“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin stellt Auftrags- und Gebrauchsfotografie aus der SED-Diktatur kritisch auf den Prüfstand.
Moderne und aufgeräumte Produktionshallen, weiß bekittelte junge Frauen in den Forschungslaboren der Pharma-Industrie, eine kerngesunde Genossenschaftsbäuerin am Steuer eines Traktors aus dem VEB Kombinat Fortschritt. Optimismus vermittelnde Fotografien wie diese präsentiert jetzt das Deutsche Historische Museum in Berlin.
„Farbe für die Republik – Auftragsfotografie vom Leben in der DDR“, so lautet der Titel der von Carola Jüllig kuratierten, materialreichen Ausstellung, die sich der historisch noch wenig aufgearbeiteten offiziellen Fotoproduktion des SED-Regimes widmet. Welches Selbstbild vermittelte die DDR mit diesen in Zeitschriften, Broschüren, Wandzeichnungen und Imageprospekten veröffentlichten Aufnahmen nach Innen und Außen? Wie wurde in den DDR-Medien – immerhin gab es rund 500 Zeitschriftentitel – der sozialistische Alltag inszeniert? Welche Funktion erfüllten etwa die schönfärberischen Bilder „Junger Naturforscher in den Ferien“ angesichts einer kaum erträglichen Luft- und Umweltverschmutzung in Großstädten, Industrie- und Braunkohlerevieren?
Im Mittelpunkt der rund 250 Fotografien, Farbnegative und Zeitschriften umfassenden Schau steht das fotografische Œuvre von Martin Schmidt, Jahrgang 1925, und Kurt Schwarzer (1927-2012). Beide fotografierten jahrzehntelang im Auftrag von Partei- und Staatsführung. Ihre Aufgabe bestand darin, dem oft grauen sozialistischen Alltag möglichst positive und farbige Bilder abzugewinnen. Was die beiden außerdem verbindet: Schmidt und Schwarzer sind Autodidakten. Sie verstanden sich als „Handwerker“ beziehungsweise als reine Bildjournalisten ohne eigene künstlerische Ambitionen.
Gelungen sind ihnen klar komponierte, durchweg bunte und aus heutiger Sicht fast anrührend und nostalgisch wirkende Bestandsaufnahmen der ostdeutschen Verhältnisse. Ein Thesenpapier des DDR Journalistenverbandes VDJ aus dem Jahre 1967 unterstrich die besondere Rolle der Farbfotografie: „Sie ist in der Lage, die Vielfalt und Schönheit unseres Lebens deutlich sichtbar zu machen, und sie kommt schon in der formalen Anwendung dem Bestreben am nächsten, bildend zu unterhalten und unterhaltend zu bilden.“
Und so reisten die beiden kreuz und quer durch die Republik: Immer dorthin, wo Auftraggeber aus Partei- und Staatsführung sie gerade hinschickten. Schmidt fotografierte bevorzugt Menschen in Industrie und Landwirtschaft, aber auch in Kindergärten und Altersheimen. Oft stehen sie in Gruppen beisammen, einer hört dem anderen zu, ungelenk werden Produkte in die Kamera gehalten, im Hintergrund prangt häufig der Name der jeweiligen Brigade oder des Kollektivs.
Schwarzer hingegen war fast schon ein Lifestyle-Fotograf: Er fotografierte das neueste Trabant-Modell vor einer Schlosskulisse, begleitete die hübsche Messehostess Gisela durch ihre Heimatstadt Leipzig oder betätigte sich im nagelneuen, westlich angehauchten Leipziger Interhotel „Zum Löwen“ als Interieurfotograf und „Gerichtebilderstatter“, vulgo Food-Fotograf. Da wird dann auch schon mal flambiert oder zur dicken Zigarre gegriffen.
Ein „fester gesellschaftlicher Standpunkt“ galt als Voraussetzung für diesen Job. Und so zeigen die optimistisch bunten Fotografien von Schmidt und Schwarzer ein sozialistisches Heile-Welt-Idyll jenseits aller Missstände und Konflikte. Ganz anders als die ungleich ungeschminkteren Aufnahmen ihrer weitaus weniger angepassten, künstlerisch arbeitenden Zeitgenossen wie Sybille Bergemann, Helga Paris oder Arno Fischer. Was auf den Aufnahmen von Schmidt und Schwarzer, insbesondere für westliche Augen, heute nostalgisch, unbeschwert und streckenweise gar mondän erscheint, entpuppt sich, angesichts der Entstehungsgeschichte dieser Bilder als Auftragsarbeiten für die Abteilung für Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee der SED, als verlogene Inszenierung.
Auf einen Blick
Ausstellung: Farbe für die Republik – Auftragsfotografie vom Leben in der DDR
Ort: Deutsches Historisches Museum, Berlin
Zeit: 21. März bis 31. August 2014. Täglich 10-18 Uhr
Katalog: Quadriga Verlag, 304 S., 300 Abb., 29,99 Euro
Magazin: Hrsg. Deutsches Historisches Museum, 60 S., 50 Abb., 7 Euro
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