Die 32. Art Brussels profiliert sich als kuratorisch unterfütterte Entdeckermesse in der Kunststadt Brüssel.
„So eine Messe habe ich noch nicht mitgemacht“, schwärmt Anita Beckers aus Frankfurt. „Ich habe hier in Brüssel richtig gut verkauft. Die Sammler kamen aus Frankreich, Belgien, England und Kanada.“ Alles drängte sich auf der am Sonntag zu Ende gegangenen Art Brussels am Stand der alteingesessenen Galeristin mit ihrem jungen Programm.
Anita Beckers zeigte in ihrer Koje in Halle 3 die vielteilige Installation „Old Boy’s Club“ der in Stuttgart und San Francisco lebenden Multimedia-Künstlerin Katya Bonnenfant, Jahrgang 1975. Die Französin projiziert ihre kleinen animierten Charaktere auf alte Gemälde und original Delfter Kacheln und überwindet in ihrer multimedialen und zivilisationskritischen Mischung aus Skulptur, Zeichnung, Malerei und Trickfilm die eingefahrenen Kategorien. Auch noch am letzten Messetag riss das große Interesse an der Arbeit der Newcomerin nicht ab. Anita Beckers verkaufte Arbeiten zu Preisen zwischen zwischen 500 und 5000 Euro.
Knapp 29.000 Besucher waren in diesem Jahr während der vier Messetage in die beiden Hallen auf dem Expo-Gelände im Schatten des Atomiums gekommen. Die künstlerische Leiterin Katerina Gregos entwickelte die Messe im zweiten Jahr ihrer Direktorenschaft weiter Richtung Entdeckermesse und kuratorische Plattform. 190 Galerien aus 27 Ländern waren angereist. Allein 75 Galerien stellten im Sektor „Young“ auf 25 Quadratmetern zu günstigen Preisen aus. Hinzu kamen 16 Erstteilnehmer im Sektor „First“, die von einem Kuratorenteam eingeladen wurden.
Den Sektor der etablierten Galerien bezeichnet man in Brüssel als „Prime“. „Es wird oft vergessen, dass die Galerien eine große kuratorische Arbeit leisten“, betont Katerina Gregos, die selbst viel Erfahrung als international tätige Kuratorin gesammelt hat und im nächsten Jahr auf der Biennale Venedig den belgischen Pavillon kuratieren wird. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Gregos die Art Brussels eher als inhaltlich ausgerichtete Messe mit großem Entdeckerpotenzial begreift denn als reinen Marktplatz für gut eingeführte, abgesicherte Positionen. „Wir denken, die Messe ist eine gute Gelegenheit, auch eine Plattform für Diskussionen über das Sammeln zu bieten“, betont Katerina Gregos.
So resümmieren nicht wenige Galeristen, dass sie in Brüssel viele anregende Gespräche mit Sammlern geführt hätten. Erstteilnehmer Alexander Hahn von Aanant & Zoo aus Berlin berichtet: „Ich bin extrem überrascht darüber, wieviel Feedback wir hier bekommen haben. Es gab einen regen Austausch mit den Sammlern, die viele direkte Fragen gestellt haben.
Das kenne ich von anderen Messen nicht so. Hier in Brüssel habe ich einen guten Kenntnisstand, was die Kunst angeht, beobachtet.“ Die vielen neuen Kontakte bestärken Alexander Hahn in seiner Entscheidung, statt an der Art Cologne teilzunehmen, der Brüsseler Messe in diesem Jahr den Vorzug zu geben. „Beides ist schwer zu stemmen als junge Galerie. Aber über den Schritt, nach Brüssel zu gehen, bin ich sehr zufrieden.“ Am Stand zeigte Aanant & Zoo Leinwandarbeiten, Zeichnungen und Skulpturen des Düsseldorfers Michael Müller, 43, der sich in seinem komplexen Werk mit ebenso konzeptuell wie humorvoll unterfütteterten Arbeiten häufig mit der eigenen Identität als Mensch und Künstler auseinandersetzt (Skulpturen: 3.000-4.000 Euro, Leinwand: 20.000 Euro).
Eine Stärke der Art Brussels sind die Stände mit Einzelpräsentationen in der Sektion „Solo“. „Die sind besonders interessant für den Besucher, deshalb haben wir die Anzahl der Solo-Stände auch erhöht. Das ist der beste Weg, um die Künstler in ihrer ganzen Bandbreite vorzustellen“, erläutert Katerina Gregos. Die Kölner Galerie Martin Kudlek präsentierte in ihrer Solo-Koje neue Arbeiten des in New York lebenden Briten Alexander Gorlizki, Jahrgang 1967.
Er setzt sich in seinen Papierarbeiten nur scheinbar exklusiv mit der Kultur und den traditionellen Bildwelten Indiens auseinander. Daneben entdeckt der Betrachter aber auch Versatzstücke aus Popkultur und zeitgenössischer Kunst. Gorlizki konzipiert die Motivik der Blätter und lässt sie dann in faszinierend-perfekter Manier von einem indischen Miniaturmaler ausführen. Die Blätter werden dafür mehrmals hin- und hergeschickt. Ein Prozess, der sich über Monate und Jahre hinziehen kann. Durch die Verwendung alter Papiere mit Gebrauchsspuren oder alter Fotos als Malgrund entstehen einzigartige, mit Symbolen und Ornamenten aus verschiedenen Religionen und Kulturen angereicherte Blätter (Papierarbeiten: 4.000-7.000 Euro).
Die Hopstreet Gallery aus Brüssel präsentierte den Hamburger Thorsten Brinkmann, Jahrgang 1971, mit neuen Stillleben und Installationen. Mittlerweile zeigen internationale Sammler großes Interesse an Brinkmanns skurrilen Installationen aus gebrauchten Möbeln, Haushaltsobjekten und Fotografien. In Pittsburgh verwandelte Brinkmann letztes Jahr unter dem Titel „La Hütte Royal“ ein ganzes Haus in eine permanente Installation. „Ich verkaufe zwar auch Arbeiten in verschiedenen Größen direkt hier vom Stand“, erläutert Pascal Lambrecht. „Aber es ist viel interessanter, wenn Thorsten Brinkmann direkt zu den Sammlern nach Hause kommt und vor Ort eine Arbeit entwickelt. Die Leute kaufen erst etwas Kleines, und dann kann sich das weiterentwickeln.“ So hat der gefragte Künstler kürzlich für einen Hamburger Sammler eine ganze Bibliothek im typischen Brinkmann-Stil in ein Gesamtkunstwerk verwandelt (Stillleben 2.000-3.800 Euro, Installationen 14.500-21.500 Euro).
Einen der interessantesten Stände in der Entdeckerhalle 3 präsentierte die Galerie Bugada & Cargnel aus Paris. „Bei uns liefen die meisten Verkäufe am ersten Tag“, erzählt Frédéric Bugada. „Gute Verkäufe, interessante Leute aus Frankreich, Deutschland, London, Italien, Belgien, der Schweiz und Kanada. Man kann behaupten, die Art Brussels sei eine Regionalmesse, aber sie findet ja im Zentrum von Europa statt. Wenn man bedenkt, von wie vielen Städten aus man sogar mit dem Auto die Stadt Brüssel in zwei Stunden erreichen kann, so ist das ein enormes Potenzial an Sammlern und Besuchern, die hierher kommen können.“
Ein Eyecatcher am Stand waren mit Bieretiketten überklebte Vintage-Pressefotos von Natur-katastrophen in Buffalo, der „Queen City“ am Eriesee, von Cyprien Gaillard (Unikate: 11.000 Euro) an der Außenwand. „Damit locke ich die Besucher in die Koje“, erzählt der Pariser Galerist, der in diesem Jahr nach mehrjähriger LISTE-Präsenz zum ersten Mal an der Art Basel teilnehmen wird. Für je 2.200 Euro (Auflage: 3) noch günstig zu haben waren drei Schwarz-Weiß-Fotografien des Franzosen Adrien Missika, Jahrgang 1981, mit dem Titel „We Didn’t Cross The Border, The Border Crossed Us“. Sie zeigen bizarre alte Saguaro-Kakteen, die an der scharf bewachten Grenze zwischen den USA und Mexiko wachsen. Durch eine Korrektur des Grenzverlaufs haben die unschuldigen mexikanischen Pflanzen ganz legal die Grenze überwunden und sind so nolens volens Amerikaner geworden. Ein intelligenter, ästhetisch überzeugener Kommentar zur strikten amerikanischen Einwanderungspolitik.
Ein weiterer fotografischer Höhepunkt der Art Brussels war eine Fotoserie des in Graz lebenden Japaners Seiichi Furuya, Jahrgang 1950, bei der Galerie Thomas Fischer aus Berlin. Der Mitbegründer der österreichischen Zeitschrift Camera Austria zeigt in zeitlos-sensiblen Bildern Porträts seiner verstorbenen Frau. Die Abzüge entstanden zwischen 1978 und 1985 und wurden in einer offenen Edition zwischen 2.500 und 3.500 Euro angeboten.
Die Brüsseler Galerie Valérie Bach präsentierte an ihrem Stand unter anderem Zeichnungen und Skulpturen der Pariserin Jeanne Susplugas, Jahrgang 1974. Die Französin setzt sich einerseits mit Architektur und dem Haus als verlorenem Heimatort in einer nomadischen Gesellschaft, andererseits aber auch mit dem permanenten Druck des Individuums, in einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft funktionieren zu müssen, und dem oft damit verbundenen Konsum von Medikamenten und Drogen auseinander (Zeichnungen: 900 Euro, Keramik: 6.000 Euro, Glasskulptur: 9.000 Euro, Auflage: 3).
Doch nicht nur in der Halle 3 herrschte gute Stimmung. Auch die Galerien in der etablierteren Halle 1 meldeten gute Verkäufe. So konnte die New Art Centre Gallery eine Skulptur von Barbara Hepworth für über eine Million US$ an eine europäische Privatsammlung verkaufen. Und der Brüsseler Lokalmatador Xavier Hufkens verkaufte Skulpturen von Antony Gormley und Louise Bourgeois für bis zu 600.000 US$.
Sammler, Galeristen und Besucher waren sich nach vier Messetagen einig: Die Art Brussels funktioniert ökonomisch und inhaltlich als gut aufgestellte Messe innerhalb der Kunst- und Sammlerstadt Brüssel. Wichtige Institutionen wie das Bozar mit einer gut besuchten Michaël Borremans-Schau oder das Wiels mit einer von Elena Filipovic kuratierten Übersichtsschau zum Werk des deutschen Konzeptkünstlers Franz Erhard Walther flankieren die Art Brussels ebenso wie zahlreiche sehenswerte Ausstellungen und Initiativen in den Galerien, Non profit-Spaces und Privatsammlungen.
Brüssel konnte zuletzt vom Zuzug einiger französischer Galerien profitieren. Bereits im vergangenen Herbst hat der Pariser Daniel Templon eine Filiale in repräsentativen Räumen bezogen. Auch der während der Messe neu eröffnete Galerieraum Mon Chéri basiert auf der Kooperation zweier französischer Galerien. Und die auf konzeptuelle Avantgardekunst spezialiserte Micheline Szwajcer aus Antwerpen wird demnächst eigene Räume in Brüssel eröffnen. „Brüssel boomt, was die Kultur und die Kunst betrifft“, stellt Katerina Gregos fest. „Die Kunstszene ist hier sehr stark und vielfältig. Davon kann die Art Brussels nur profitieren.“
Auf einen Blick
Messe: 32. Art Brussels
Ort: Brussels Expo (Heysel)
Zeit: 25.-27.4.2014
Katalog: 384 S., 25 Euro
Internet: www.artbrussels.com