Gute Chancen für frühe Käufer: Die 19. Liste in Basel präsentiert sich wieder einmal als wichtigste Nebenmesse mit hohem Entdeckerpotential.
„Das erste Kriterium ist die Qualität“, sagt Peter Bläuer, langjähriger Direktor der Liste, der in diesem Jahr erweiterten, wichtigsten Nebenmesse der Art Basel. „Sonst würden wir lieber wieder kleiner werden.“ Der Ausbau des ehemaligen Malzsilos auf dem früheren Brauerei-Areal macht es möglich: 12 Galerien sind in diesem Jahr dazu gekommen, so dass sich jetzt insgesamt 78 Galerien aus 30 Ländern mit Arbeiten von über 180 Künstlern auf dem Warteck-Areal, nur 10 Minuten Fußweg von der Art Basel entfernt, tummelten. Die Jury konnte aus mehr als 300 Bewerbungen auswählen. An weiterem Wachstum hat Peter Bläuer jedoch kein Interesse: „Mir geht es nicht darum, 100 Stände zu verkaufen“, kommentiert er den großen Andrang auf die Liste, die nach wie vor als wichtigstes Sprungbrett für die Art Basel gilt.
Die Qualität stimmte auch in diesem Jahr wieder. Genau so viele Besucher wie im Vorjahr, nämlich rund 13.000, kamen auf die 19. Ausgabe der Liste. Internationale Top-Sammler wie Anita Zabludowicz (London), Don und Mera Rubell (Miami), Michael und Susan Hort (New York) oder Patrizia Sandretto Re Rebaudengo (Turin) waren auch in diesem Jahr auf der Messe unterwegs. Gesichtet wurden aber auch Documenta-14-Chef Adam Szymczyk, weitere wichtige Kuratoren wie Massimiliano Gioni, Hans Ulrich Obrist, oder auch Künstler wie Wolfgang Tillmans, Mai Thu-Perret und Wilhelm Sasnal.
Schwerpunktmäßig werden auf der Liste junge Künstler, meist unter 40, von aufstrebenden Galerien gezeigt. Bereits am Montag um 13 Uhr, also drei Stunden vor der Eröffnung der Art Unlimited, machten die ersten Sammler ihre Erwerbungen. Schnell spricht sich herum, was es zu entdecken gibt: Konzeptuell unterfütterte Kunst liegt im Trend etwa von Lukasz Jastrubczak, Jahrgang 1984, aus Stettin bei der Galerie Dawid Radziszewski aus Warschau, der in nahezu allen Medien und mit vielen Anspielungen auf das Bauhaus, die russische Avantgarde oder Fluxus arbeitet. Seine Video-Installation „Leaning Glass“, sie zeigt das Bild eines brennenden Goldbarren projiziert auf eine an die Wand gelehnte Glasscheibe, scheint dem Betrachter sagen zu wollen, dass selbst die vermeintlich größten Sicherheiten ins Wanken geraten können (Auflage: 3, 4.000 Euro plus MwSt.).
Auch die streng-formalistischen Arbeiten des Japaners Hirofumi Isoya bei Aoyama/Meguro aus Tokio erregten große Aufmerksamkeit. In seiner Serie „Lag 1“ zeigt Isoya auf einem Holzbrett stehende Fotografien, auf denen wiederum zu sehen ist, wie genau diese gerade von dem Holzbrett fallen. Ein verwirrendes Spiel mit der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Stabilität und Fragilität, Konstanz und Kontingenz.
Die Berliner Galerie Croy Nielsen hatte diverse Arbeiten von der in Berlin lebenden Niederländerin Marlie Mul im Angebot. So etwa ein mit comicartigen Raucher-Darstellungen bedrucktes Seidentuch und eiserne Lüftungsklappen, deren Schlitze mit echten Kippen zugemüllt sind, als sperrige Wandobjekte. Mul versteht ihre Arbeiten sowohl als Kommentar auf die Marginalisierung der Raucher im Büro- und Gastronomiealltag, sie scheint aber gleichzeitig auch von deren die Umwelt bewusst oder unbewusst markierenden Gegenstrategien fasziniert zu sein (Preise zwischen 2.800 und 7.500 Euro).
Kunst zwischen Abstoßung und Begehren dann auch bei der Mailänder Galerie Francesca Minini. Der 39-jährige Italiener Gabriele Picco überzeugte mit seinen formal an die französischen Nouveaux Réalistes und die Arte Povera anknüpfenden „Dust Paintings“. Picco sammelt die Inhalte von Staubsaugerbeuteln seiner Freunde und Familienmitglieder, fixiert diese auf Leinwand und präsentiert sie unter Glas geschützt, wie Gemälde an der Wand hängend. Kleine Details wie Haargummis, Pillenreste oder Zeitungsschnipsel machen die Staubkonzentrate zu Such- und Wimmelbildern der Wegwerfgesellschaft. Außerdem im Angebot waren Piccos „Brillo Paintings“, sozusagen Readymades in Anspielung auf Andy Warhol aus farbigen Stahlwolle-Pads auf farbiger Leinwand (Preise zwischen 2.500 und 6.000 Euro).
Die Brüsseler Galerie Dépendance hatte narrativ stark aufgeladene Zeichnungen, Keramiken und einen Film des in Brüssel lebenden Deutschen Peter Wächtler im Angebot. Der 35-Jährige arbeitet mit vielen Verweisen auf die Erzählgenres der Märchen-, Abenteuer- und Comicwelt (Arbeiten zwischen 2.000 und 10.000 Euro).
Die Galerie Fonti aus Neapel präsentierte eine Solo-Schau von Giulia Piscitelli, Jahrgang 1965. Die Neapolitanerin hat unter anderem Originalseiten des politischen Magazins „Tempo“ aus den Jahren zwischen 1930 und 1970 mit dem Radiergummi bearbeitet. Zu sehen sind „Standardsituationen“ der Weltgeschichte: Politiker im Kreise ihrer Familie, beim Abschreiten von Militärparaden oder bei Verhandlungen am Konferenztisch. Indem sie die Gesichter der historischen Protagonisten tilgt, stellt Piscitelli Bezüge zur Gegenwart her.
Die sowohl inhaltlich aufgeladene als auch formal ansprechende Arbeit wird demnächst im Fotomuseum Winterthur gezeigt. Verlust, Erneuerung und Transformation: Als weitere Arbeiten am Stand fanden sich ein dysfunktionaler schwarzer High Heel-Schuh mit Nägeln im Fußbett (6.000 Euro) und ein mit Latex überzogener Punching-Ball, hergestellt aus einer Wolldecke.
Am Stand von Freymond-Guth aus Zürich fielen Skulpturengruppen der Niederländerin Magali Reus, Jahrgang 1981, ins Auge. Reus, die gerade in der Kestnergesellschaft Hannover in der Schau „Pool – Kunst aus London“ und im Kasseler Museum Fridericianum in der Gruppenausstellung „nature after nature“ zu sehen ist, hat handgehämmerte und hochglanzpolierte Aluminiumkochtöpfe hergestellt, die sie mit Alltagsmaterialien wie verbrannter Pizza oder Gummiwerkstoffen füllt. Auch hier stehen wieder Transformationsprozesse und wechselnde Aggregatzustände im Fokus des künstlerischen Interesses. Was zunächst wie Readymades aussieht, ist von der Künstlerin aufwendig produziert worden. Auch das ein vielsagender Kommentar auf die Wegwerfgesellschaft sowie auf die Welt der Arbeit, der neuen Werkstoffe und ihrer Veredelungsmethoden (3.000-6.000 Euro).
Fazit: Es lohnte sich auch in diesem Jahr wieder, einen genaueren Blick auf die Newcomer der Liste zu werfen. Insbesondere das neu erwachte Interesse an Materialien und ihrer ambivalenten Eigenschaften, verbunden mit oft ganz grundlegenden skulpturalen Fragestellungen, fiel ins Auge. Wer das ganz große Budget für die Art Basel nicht aufbringen kann, oder den zunehmenden Hype um VIP-Karten, exklusive Previews und Wartelisten für begehrte Künstler nicht um jeden Preis mitmachen will, ist auf der gut sortierten Liste vielleicht besser aufgehoben. Vor allem dann, wenn er ein gutes Auge hat und wirklich offen für neue Entdeckungen ist.
Auf einen Blick:
Messe: 19. Liste – Art Fair Basel
Ort: Werkraum Warteck pp
Zeit: 17.-22.6.2014
Katalog: 15 CHF, 23 CHF (Versand)
Internet: www.liste.ch
Nächster Termin: 16.-21.6.2015