Wie kaum ein Anderer hat er das Vokabular seiner Malerei erst radikal reduziert, um seine Bilder im Lauf der Jahrzehnte zu dreidimensionalen Farbkörpern zu machen: Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet dem Düsseldorfer Maler Imi Knoebel jetzt eine groß angelegte Ausstellung mit Werken aus fast 50 Jahren.
Sie waren jung und rebellisch. Außerdem hatten sie etwas Verschwörerisches, worauf schon das selbstgewählte Pseudonym „Imi“ (Ich mit ihm) hindeutete. Wie es sich für junge Künstler gehört, markierten Imi Knoebel und Imi Giese, kaum waren sie von der Darmstädter Werkkunstschule an die Düsseldorfer Akademie gewechselt, ihr Revier.
Ihr neuer Lehrer war kein Geringerer als Joseph Beuys, nicht eben eine knöcherne Verkörperung des Establishments. Wie kann man einem, der mit Fett, Wachs, Blei und toten Hasen hantiert, Respekt abnötigen? Vielleicht durch Disziplin, Fleiß und Ordnung? Imi Knoebel jedenfalls reklamierte den direkt neben der Beuys-Klasse gelegenen Raum 19 für sich und ein paar Auserwählte, darunter auch Blinky Palermo und Jörg Immendorff.
Hier schuf er damals eine ganze Reihe von Streifenbildern, die in ihrer Serialität, ihrer unpersönlichen Präzision und Akkuratesse an die Werke der amerikanischen Minimal Art erinnerten. Der Anfang war gemacht. Was folgen sollte, war eine jahrzehntelange, profunde Recherche des Grundvokabulars der Malerei: Form, Farbe, Fläche, Trägermaterial, Art und Intensität des Farbauftrags, die Wechselwirkung von Farben – kurzum Alles, was die Wirkung eines Bildes ausmacht, hat Knoebel immer wieder variiert und auf den Prüfstand gestellt.
Dem 1940 in Dessau geborenen Düsseldorfer Maler, der im nächsten Jahr 75 wird und mit bürgerlichem Namen eigentlich Klaus Wolf Knoebel heißt, widmet das Kunstmuseum Wolfsburg jetzt unter dem Titel „Imi Knoebel. Werke 1966-2014“ die weltweit erste umfassende Ausstellung seit fast zwanzig Jahren. 108 Gemälde, Objekte Wandarbeiten und Installationen vermitteln einen profunden Eindruck von seiner Karriere.
Eingerichtet hat er die Schau selbst. Und er hat sich dabei alle Freiheiten genommen, die man sich als Künstler eben nehmen darf. Auf eine chronologische Hängung zum Beispiel hat er weitgehend verzichtet: „Eigentlich nur die Anfänge – und dann ist alles durcheinander!“, betont er seine Auswahl.
Doch genau dieser Blick auf die Anfänge hilft auch, sein Werk zu verstehen. Als Auftakt zeigt er die Arbeit „Ohne Titel (Quadrat)“ von 1966, seine Variante des „Schwarzen Quadrats“, jener Ikone der Malerei, mit der Kasimir Malewitsch 1915 für Furore sorgte.
Seit bald 100 Jahren verkörpert dieses programmatische Bild wie kein anderes Anfang und Ende der Malerei. Knoebel hat seine Variante noch nicht einmal gemalt. Sein „Schwarzes Quadrat“ ergibt sich ganz einfach dadurch, dass er eine rohe Leinwand über einen sehr breiten Keilrahmen gespannt hat.
So eingestimmt, erwarten den Besucher noch etliche weitere Auseinandersetzungen mit diesem Nullpunkt der Malerei, der für Knoebel eine Art Sprungbrett für neue Ansätze war. Um sein Œuvre zu ordnen, hat er in die 40 mal 40 Meter große und 16 Meter hohe Ausstellungshalle drei große Wände gebaut, die, so seine Überlegung, so etwas wie Straßen formen.
Der Besucher ist aufgefordert, durch die kleine Knoebel-Stadt zu flanieren und seinen Blick schweifen zu lassen. Er wird darauf stoßen, wie Knoebel ab Mitte der 1970er Jahre die Farbe für sich entdeckt und im Raum schweben lässt, wie seine Arbeiten in den 1980er Jahren objekthafter werden und sich in die dritte Dimension ausdehnen. Und er wird sehen, wie Knoebel in den 1990er Jahren die Leinwand allmählich gegen miteinander verschraubte und mit leuchtenden Farben bemalte Aluminiumprofile ersetzt.
Jenseits solcher „Pure-Freude-Bilder“ (Knoebel) umweht die Schau jedoch zu guter Letzt auch ein Hauch von Trauer und Melancholie. Ganz am Ende des Rundgangs stößt der Betrachter auf die siebzehnteilige Installation „Eigentum Himmelreich“ von 1983, ein Ensemble aus schroffen Fundstücken wie Leitern, Wellblech, Gittern, Steinen, Holzpaletten und Eisenplatten. Gewidmet hat es Imi Knoebel dem anderen Imi, seinem Studienfreund Rainer Giese, der sich mit nur 32 Jahren im Atelier das Leben nahm.
Auf einen Blick
Ausstellung: Imi Knoebel. Werke 1966-2014
Ort: Kunstmuseum Wolfsburg
Zeit: 25. Oktober 2014 bis 15. Februar 2015. Di-So 10-18 Uhr. Heiligabend, Silvester und Neujahr geschlossen. 1. und 2. Weihnachtstag geöffnet
Katalog: Kerber Verlag, ca. 384 S., zahlreiche Abb., 38 Euro (Museum), ca. 50 Euro (Buchhandel), der Katalog erscheint lt. Verlag im Dezember 2014
Internet: www.kunstmuseum-wolfsburg.de