Die meisten Galeristen der Art Cologne blicken der diesjährigen Ausgabe der ältesten Kunstmesse der Welt mit Zuversicht und Optimismus entgegen. Unmiut gibt es dagegen bei etlichen langjährigen Teilnehmern, die dieses Jahr nicht zugelassen wurden. Wir haben uns im Vorfeld der Messe schon einmal bei einigen Ausstellern umgehört.
Vom 14. bis 17. April öffnet die Art Cologne, die weltweit älteste Messe für zeitgenössische Kunst, wieder ihre Pforten. In diesem Jahr feiert man in Köln Jubiläum: Die ursprünglich unter dem Label „Kunstmarkt Köln“ gegründete Mutter aller Kunstmessen findet bereits zum 50. Mal statt. 219 Galerien aus 25 Ländern reisen an den Rhein und präsentieren Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien, Drucke, Multiples, Editionen, Installationen, Performances und Videokunst. Eine klare Aufteilung sorgt auf der Art Cologne für Übersichtlichkeit.
Während in der Halle 11.1 die Klassische Moderne gezeigt wird, bildet die Halle 11.2 den weitaus größten Sektor mit zahlreichen international etablierten Galerien, darunter auch Blue-Chip-Galerien wie Hauser + Wirth aus Zürich, Thaddaeus Ropac aus Salzburg oder David Zwirner aus New York. Die Halle 11.3 hingegen widmet sich jungen und aufstrebenden Galerien, die nicht älter als zehn Jahre sind, sowie den Sondersektionen New Contemporaries (29 Galerien), Collaborations (41 Galerien zusammen mit der amerikanischen Kooperationsmesse NADA) und Film Cologne. Das Angebot reicht von der Klassischen Moderne über Highlights der Nachkriegskunst diesseits und jenseits des Atlantik bis hin zu atelierfrischen Arbeiten von gerade der Hochschule entsprungenen Newcomern.
Diese werden in der Sektion „New Positions“ präsentiert, die bereits seit 1980 fester Bestandteil der Messe ist. Insgesamt 14 junge und experimentierfreudige Künstler wurden dafür von einer Jury ausgewählt. Die sogenannten Förderkojen befinden sich jeweils neben den Hauptständen der Galerien.
Der Hamburger Galerist Jürgen Becker, seit 27 Jahren regelmäßiger Teilnehmer der Messe, präsentiert im Rahmen der „New Positions“ Gerrit Frohne-Brinkmann, Jahrgang 1990, der in Hamburg bei Andreas Slominski und Ceal Floyer studiert hat. Für seine Installation „Not all mummies are wrapped like in the movies“ (2016) hat sich dieser bei Film- und Bühnenausstattern etliche künstliche Mumien ausgeliehen, die er zu einer skurrilen Installation verdichtet. Außerdem zeigt Jürgen Becker in Köln seine Klassiker von Richard Prince über Allen Ruppersberg und Sigmar Polke bis hin zu Richard Tuttle und Fred Sandback. „Die Art Cologne ist immer schon eine sehr solide Messe gewesen, auch durch die dort immer gut vertretene klassische Moderne“, sagt Jürgen Becker. Ihm gefällt an der Messe, dass dort „wenig modische Ware“ präsentiert wird und „keine oberflächliche Hektik“ herrscht. „Durch die geografische Lage zu Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz gibt es auch immer ein sehr interessiertes, gebildetes, kultiviertes und internationales Publikum“, so Jürgen Becker.
Auch Corinna Wolfien von der in Berlin und Leipzig ansässigen Galerie Eigen+Art, lobt den Messestandort Köln: „Als älteste Kunstmesse hat die Art Cologne eine traditionsreiche Geschichte. Wir schätzen an ihr besonders das fachkundige und erfahrene Publikum. Neben erfolgreichen Verkäufen steht Köln auch für die Möglichkeit, mit Kuratoren und Verantwortlichen der Museen ins Gespräch zu kommen. Außerdem kann man in Köln das Thema Plastik sehr gut präsentieren.
Die rheinländischen Sammler haben dafür ein sehr geschultes Auge.“ Wohl deshalb bildet Skulptur in diesem Jahr auch einen der Schwerpunkte am Stand. Insbesondere die alle kunstgeschichtlichen Traditionen kräftig gegen den Strich bürstenden Bronzeskulpturen von Stella Hamberg und die vom Konstruktivismus inspirierten Glas- und Keramikarbeiten von Kai Schiemenz dürften Sammler von dreidimensionaler Kunst ansprechen. Die Galerie nimmt zum 19. Mal an der Art Cologne teil. Und wie empfindet Corinna Wolfien den Kontrast zwischen Köln und Berlin? „In Berlin ist es schneller, lauter, jünger, und vieles steckt noch in der Entwicklung. Berlin ist ein Ort für Künstler und für Besucher, als Ort für Sammler steht es gegenüber Köln noch am Beginn.“
Auch der in Köln ansässige Philipp von Rosen setzt auf Skulpturales. Als Konstante wird während der ganzen Messe eine Skulptur des 1974 geborenen Mexikaners Jose Dávila präsentiert. Für die anderen Künstler seiner Galerie, darunter der Belgier Koen van den Broek, der Schweizer Nic Hess oder der Deutsch-Spanier Ignacio Uriarte, hat sich von Rosen eine Art Rotationsprinzip ausgedacht. Mit der Art Cologne an sich ist er zufrieden, er wünscht sich jedoch eine stärkere internationale Ausrichtung: „Die Messe funktioniert sehr gut als nationale Messe, sie könnte, in der besten aller träumbaren Welten, besser funktionieren auf internationaler Ebene.“
Regelmäßige Art-Cologne-Teilnehmerin seit der Gründung ihrer Galerie 1985 ist die Frankfurterin Bärbel Grässlin. Sie lobt insbesondere die Bemühungen des schweizerisch-amerikanischen Messeleiters Daniel Hug, der die Messe seit 2008 kontinuierlich nach vorne gebracht hat. „Die Art Cologne ist die Mutter aller Kunstmessen und war für mich in meiner Jugend, die ich im Schwarzwald verbrachte, der Ort, an dem ich mich jährlich über die zeitgenössische Kunst informieren konnte. Daher hat sie für mich schon immer einen besonderen Stellenwert. Nach schweren Krisen hat sie sich durch das Engagement des jetzigen Direktors Daniel Hug wieder zu einem Ort entwickeln können, der mit den internationalen Messen wie Frieze London, FIAC Paris und Art Basel Miami Schritt halten kann. Dies ist bei der heutigen Vielzahl an Messen nicht mehr so selbstverständlich wie in der Gründungszeit der Art Cologne.“ Bärbel Grässlin zeigt in diesem Jahr eine Auswahl aus ihrem Galerieprogramm von Günther Förg über Imi Knoebel bis hin zu Tobias Rehberger, Andreas Slominski und Heimo Zobernig.
Aus Münster kommt der Galerist Mike Karstens, der sich auch als Drucker für so hochkarätige Künstler wie Gerhard Richter, Sigmar Polke oder Emilia und Ilya Kabakov einen Namen gemacht hat. „Als Galerie aus der Peripherie ist diese Messe ein Muss. Sie bietet mir ein Schaufenster auf Zeit“ betont Karstens. In diesem Jahr bringt er unter anderem Holzschnitte in 12er-Auflage aus dem ambitionierten, noch von Sigmar Polke angeregten Projekt „WOODCUT XL“ mit an den Stand.
Die Düsseldorfer Galeristin Petra Rinck betont die Nähe der Messe zum Standort ihrer Galerie: „Für mich ist der regionale Aspekt besonders wichtig, weil die Messe vor meiner Haustüre stattfindet. Dadurch kann ich alle lokalen Sammler und Kuratoren erreichen, aber auch von den mir noch unbekannten Kunstmenschen profitieren. Die Bereitschaft, das Geld in Kunst zu investieren, ist hier traditionell gegeben. Das verringert für mich das Risiko der relativ hohen Investition. Das Entscheidungs- und Kaufverhalten ist mir vertraut, und die oft langsam gefällten Entscheidungen sind mir sympathisch und eher bodenständig gerade im Vergleich zum amerikanischen, schnelleren Markt.“ In Köln zeigt sie unter anderem Papierarbeiten von Marsha Cottrell und genähte Skulpturen von Emma Talbot.
„Manchen Dingen bleibt man gerne treu“, sagt auch die global agierende, in Berlin und London ansässige Monika Sprüth, die seit 1983 regelmäßig an der Art Cologne teilnimmt. Gerade haben sie und ihre Partnerin Philomene Magers noch eine Filiale in Los Angeles eröffnet. Am Stand zu sehen sind Werke von so etablierten Künstlern wie Joseph Kosuth, Stephen Shore, Jenny Holzer und Rosemarie Trockel. Die jüngere Generation wird durch den Maler David Ostrowski und den Bildhauer Michail Pirgelis präsentiert, deren Werke zur Zeit auch im Leopold-Hoesch-Museum in Düren vertreten sind. „Köln ist eine Kunst- und Kulturstadt mit einer sehr langen Tradition“, betont Monika Sprüth. „Die hohe Museumsdichte im Rheinland, die kurzen Wege innerhalb der Städte sowie nach außerhalb in die Metropolen der Nachbarländer sind ein wesentlicher Pluspunkt der Region.“
Seit 2005 nimmt auch die Galerie Kadel Willborn aus Düsseldorf an der Art Cologne teil. In diesem Jahr freuen sie sich besonders auf die Präsentation ihres jungen Künstlers Malte Zenses, Jahrgang 1987, in den „New Positions“, der seine abstrakten Malereien hintergründig mit autobiografischen Geschichten auflädt. Die Art Cologne bezeichnet Iris Kadel als „Grande Dame der Messen in Deutschland“. „In den letzten Jahren haben wir eine verstärkte Resonanz internationaler Sammler bemerkt, die wieder gerne ins Rheinland reisen, nicht nur aus Europa, auch aus den USA“, so die Galeristin.
Für Unmut allerdings sorgt die überraschende Nicht-Zulassung mehrerer langjähriger Teilnehmer aus dem Rheinland. Etliche Galeristen beklagen das in ihren Augen intransparente Zulassungsverfahren und die Tatsache, das die Auswahljury mit Galeristen besetzt ist, die selbst an der Messe teilnehmen. Der Düsseldorfer Galerist Rupert Pfab etwa äußert sich daher enttäuscht: „Köln ist seit jeher eine stark regional geprägte Messe. Um so unverständlicher ist es, meine Galerie, die im Rheinland fester Bestandteil und bestens vernetzt ist, rauszuwerfen.“
Doch die Art Cologne versteht sich traditionell nicht nur als Handelsplattform sondern auch als Umschlagplatz für Ideen. Talkrunden, Buchpräsentationen, Performances und Sonderschauen runden das Programm ab. Die zentrale Sonderschau steht in diesem Jahr ganz im Zeichen des Jubiläums. Außerdem wirft sie ein Licht auf den regen Austausch, der zwischen Künstlern, Museumsleuten und Sammlern im Dreiländereck Rheinland, Belgien, Niederlande seit Jahrzehnten gepflegt wird. Unter dem Titel „Eins, zwei, Wechselschritt – 50 years of Art Cologne and the avantgarde in Contemporary Art in Belgium, Germany and the Netherlands“ präsentiert das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels am Südeingang der Messe pro Jahrzehnt und Land jeweils einen prägenden Künstler.
Unter anderem dabei sind Marcel Broodthaers, Rosemarie Trockel und Marlene Dumas. Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens erscheint auch der Band „Art Cologne 1967-2016“, eine über 400 Seiten umfassende Jubiläumspublikation, herausgegeben vom Verlag Walther König in Köln. Für langjährige Besucher der Messe sicherlich die passende Lektüre, um auf eine abwechslungsreiche Zeitreise zu gehen.
Auf einen Blick
Messe: 50. Art Cologne
Ort: Köln Messe, Hallen 11.1, 11.2 und 11.3
Zeit: Vernissage Mi 13.4.2016 16-20 Uhr. Do-Sa 14.-16.4.2016 11-19 Uhr. So 17.4. 201611-18 Uhr
Katalog: 30 Euro
Internet: www.artcologne.com