Gerhard Richter: „930-7 Strip“, 2015, bei Marian Goodman, New York, Foto: Heiko Klaas
Mut zur Stellungnahme: Die diesjährige Art Basel zeigt neben hochkarätiger Malerei, Skulptur, Videokunst und Installationen verstärkt auch Arbeiten, die zu den politisch-gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit eindeutig Position beziehen
Ed Ruscha: „Level as a Level“, 2002 bei Gagosian, New York, Foto: Heiko Klaas
Schwache Ergebnisse bei den Frühjahrsauktionen in New York. Gedämpfte Erwartungen auch für die jetzt beginnende Auktionssaison in London. Verheerende Terroranschläge in den USA und Europa, der bevorstehende Brexit, die mit vielen Unsicherheiten behaftete Präsidentschaftswahl in den USA, drohende Handelshemmnisse, etwa in Form des umstrittenen Kulturgutschutzgesetzes in Deutschland. Das derzeitige Umfeld stürzt den lange Zeit von einer Erfolgswelle zur nächsten surfenden Kunstmarkt in arge Selbstzweifel. Umso größer sind da die Herausforderungen – auch an eine Messe wie die Art Basel. „In unsicheren Zeiten kann man mittelmäßige Arbeiten nicht verkaufen. Das wissen die Galerien“, betonte jetzt Marc Spiegler, Messedirektor der Art Basel, auf der Pressekonferenz zur 47. Ausgabe der weltweit führenden Kunstmesse.
Marc Spiegler, Direktor Art Basel während der Pressekonferenz, Foto: Heiko Klaas
286 international renommierte Galerien aus 33 Ländern, davon 220 Galerien im Hauptsektor der Messe, präsentieren auf dem Basler Messegelände Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Natürlich kann man über diese Messe flanieren, um in Schönheit zu schwelgen und sich beispielsweise an Malerei von Pablo Picasso, Francis Picabia oder Gerhard Richter erfreuen. Doch in diesem Jahr bietet sich für den, der will, auch eine ganz andere Lesart an. Die Kunst auf der diesjährigen Art Basel ist ungleich politischer als in den Vorjahren.
Cady Noland: „Push Papers“, 1986, Galerie Luhring Augustine, New York, Foto: Heiko Klaas
Gleich auf dem Messeplatz etwa fällt die begehbare Installation „Zome Alloy“ des Kaliforniers Oscar Tuazon ins Auge. Aus Holz- und Aluminiumbauteilen hat Tuazon eine Art modulare, mit Sandsäcken bewehrte Schutzhütte gebaut, die auf utopischen Vorbildern der 1960er Jahre basiert, aber auch an Flüchtlingsunterkünfte der heutigen Zeit erinnert. Für Gesprächsstoff sorgt auch der „Zoom Pavilion“, den der Mexikaner Rafael Lozano-Hemmer gemeinsam mit dem Polen Krzysztof Wodiczko in der für Großprojekte reservierten 16.000 Quadratmeter großen Art Unlimited-Halle präsentiert. Wer ihn betritt, findet sich unversehens als Großprojektion auf einer der vier Wände wieder. Die Künstler setzen hochsensible Überwachungskameras ein, die einzelne Individuen als „verdächtige Subjekte“ identifizieren und der Beobachtung der anderen aussetzen. Eine mitunter unangenehme, aber aufrüttelnde Erfahrung. Ebenfalls auf der Art Unlimited zu sehen ist Tracey Emins ganz neue Neonarbeit „The more of you the more I love you“, mit der die Künstlerin auf subtile Art und Weise gegen den drohenden Brexit Position beziehen will.
Oscar Tuazon: „Zone Alloy“, Foto: Heiko Klaas
Rafael Lozano-Hemmer und Krzysztof Wodiczko: „Zoom Pavilion“, Foto: Heiko Klaas
Der thailändisch-argentinische Künstler Rirkrit Tiravanija zeigt bei der New Yorker Galerie Gavin Brown eine ganze Wand mit „Demonstration Drawings“. Diese Bleistiftzeichnungen hat er bei Kunststudenten in Thailand in Auftrag gegeben. Als Vorlage dienten Zeitungsfotos von Protestkundgebungen vornehmlich in den USA.
Rirkrit Tiravanija: „Demonstration Drawings“ bei Gavin Bro, Foto: Heiko Klaas
In der in diesem Jahr stärker ausgebauten Fotografieabteilung präsentiert die New Yorker Galerie Pace/MacGill eine ganze Reihe exzellenter Vintage-Abzüge des US-Fotografen Richard Avedon (1923-2004). Anfang der 1960er Jahre ist Avedon durch den Süden der USA gereist, um farbige Bürgerrechtsaktivisten, Orte der Rassentrennung, aber auch Vertreter der extremen Rechten zu porträtieren. Dabei herausgekommen ist das aufwühlende Buch „Nothing Personal“, eine fotografische Tiefenbohrung in einem Land, dessen gesellschaftlicher Zusammenhalt schon damals angesichts unüberwindbarer Gegensätze, auseinanderzubrechen drohte. Parallelen zur heutigen Situation liegen da ganz klar auf der Hand.
Olaf Metzel: „Sammelstelle“, 1992, bei Galerie Wentrup, Berlin, Foto: Heiko Klaas
In der auf historische Positionen spezialisierten Feature Section zeigt die Berliner Galerie Wentrup die 1992 entstandene Arbeit „Sammelstelle“ des Münchner Bildhauers Olaf Metzel. Der Besucher gelangt durch eine metallene Drehtür in einen kargen, mit demolierten Aluminiumprofilen ausgekleideten Raum, der von gleißend hellem Neonlicht ausgeleuchtet wird. Ursprünglich als Reaktion auf die aus dem kriegszerstörten Jugoslawien ankommenden Flüchtlinge entwickelt, entfaltet diese dystopische Arbeit angesichts der aktuellen Debatte um Flucht und Abschiebung eine ganz neue Brisanz. Die New Yorker Galerie Marian Goodman wiederum hat eine politisch aufgeladene Großfotografie des Kanadiers Jeff Wall im Angebot. „Listener“ (2015) zeigt einen auf dem Boden knienden halbnackten Mann, der von finsteren Gestalten umstellt ist. Ein verstörendes Szenario, das an politisch oder religiös motivierte Geiselnahmen und Entführungen denken lässt.
Gemälde von James Rosenquist auf der Art Unlimited, Foto: Heiko Klaas
Die 47. Art Basel bietet also nicht nur den aus aller Welt angereisten Großsammlern und Kunstinvestoren Hochpreisiges zum Sammeln und Kaufen. Sie bietet ihren Besuchern auch genügend Stoff zum Reflektieren. Die wenige Tage zuvor in Zürich eröffnete europäische Wanderbiennale Manifesta, ein Pflichttermin für Kuratoren und Ausstellungsmacher aus aller Welt, spült zudem ein besonders fachkundiges Publikum in die Messehallen. Ein dichtes Programm mit Künstlergesprächen, Debatten, Filmvorführungen und Arbeiten im öffentlichen Raum unterstreicht zudem, dass dieses Messe nicht nur ein exklusiver Umschlagplatz für millionenschwere Kunstwerke sondern auch für Ideen und gesellschaftlich relevante Werke ist.
Paul McCarthy: „Tomato Head“ auf der Art Unlimited: , Foto: Heiko Klaas
Hans Op de Beeck: „The Collector’s House“, 2016 , Foto: Heiko Klaas
Auf einen Blick:
Messe: Art Basel
Ort: Messeplatz Basel, Hallen 1 und 2
Zeit: 16.-19.6.2016. Jeweils 11-19 Uhr
Publikationen: Katalog Art Unlimited, 45 Euro
Yearbook Art Basel 46, 57 Euro
zur Art Basel selbst erscheint kein gedruckter Katalog
Internet: www.artbasel.com
Nächster Termin: 15. bis 18. Juni 2017