Das New Yorker Museum of Modern Art und sein experimentierfreudiger Ableger MoMA PS1 bieten museumspädagogische Programme für alle Generationen und biografischen Hintergründe – übrigens auch im Internet
Außenansicht The Museum of Modern Art in New York, ©Volkswagen/Andreas Greiner-Napp
„Eingefahrene Sichtweisen zu verändern, gehört zu unserem Kerngeschäft“, betont Wendy Woon, die Leiterin des Bildungsprogramms am New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), dem wohl einflussreichsten Museum für moderne und zeitgenössische Kunst und Design weltweit. Dessen Direktor Glenn D. Lowry definiert das Leitbild seines Hauses so: „Wir wollen ein möglichst breites Publikum erreichen, und das heißt, dass wir auf jeden zugehen müssen.“
Wendy Woon, The Edward John Noble Foundation Deputy Director for Education, ©Volkswagen/Andreas Greiner-Napp
Dem Bildungsprogramm kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Wendy Woon steht ein festes Team von 24 Mitarbeitern zur Verfügung. Hinzu kommen externe Referenten. Im Fokus der Bildungsaktivitäten am MoMA steht nicht so sehr die reine Vermittlung von Fakten. Vielmehr soll den Teilnehmern künstlerisches Denken anhand von Materialien, Prozessen und unmittelbaren Begegnungen nähergebracht werden.
Die heutige Gesellschaft, so Woon, sei vom lebenslangen Lernen geprägt. Neue Perspektiven kennenzulernen sei da von essentieller Bedeutung. „Das Museum ist heute ein Ort, wo Menschen zusammenkommen, um sich stimulieren zu lassen“, betont Woon.
MoMA Art Lab: Process, Foto: MoMA/Martin Seck
Ein kurzer Blick zurück: Die drei Gründerinnen des MoMA, Lillie P. Bliss, Mary Quinn Sullivan und Abby Aldrich Rockefeller entstammten der gebildeten New Yorker Oberschicht. Die beständige Weigerung des 1870 gegründeten Metropolitan Museums, auch Kunst von Zeitgenossen auszustellen, nahmen sie zum Anlass, ein neues Haus ins Leben zu rufen.
Bereits bei seiner Gründung im Jahre 1929 bildete der pädagogische Aspekt der Museumsarbeit einen der Schwerpunkte des MoMA. Dessen erster Direktor, der damals erst 27 Jahre alte Alfred H. Barr, hatte sein Kunstgeschichtsstudium in Princeton bereits mit 21 Jahren beendet. Anschließend bereiste er mehrmals Europa. Besonders beeindruckt war er vom Bauhaus in Dessau, wo er wichtigen Repräsentanten der Schule wie Walter Gropius und László Moholy-Nagy begegnete. Beseelt vom Bauhaus-Gedanken, der die Zusammenführung der Bildenden, Angewandten und Darstellenden Künste propagierte, setzte auch Barr auf spartenübergreifende Vermittlungsprogramme. Ein experimenteller Ansatz, von dem das MoMA bis heute profitiert. „Fieldtrips“, Exkursionen also, in Ateliers und Fabriken, das gemeinsame Lesen und Auswerten von populären Magazinen und der unmittelbare Austausch mit Künstlern wie etwa dem aus Deutschland geflohenen Künstlerpaar Josef und Anni Albers gehörten dazu. Bereits zu Barrs Zeiten spielte dieses „pushing the boundaries“ – das kreative Überschreiten althergebrachter Grenzen – in der Vermittlungsarbeit des MoMA eine zentrale Rolle. So zog Barr, nachdem er mit seinen Exkursionsteilnehmern die exklusive Kunstsammlung der Harvard University besichtigt hatte, gleich mit der Gruppe weiter, um ihr die modernen baulichen Qualitäten einer gerade neu errichteten Süßwarenfabrik näherzubringen.
MoMA Art Lab: Process, Foto: MoMA/Martin Seck
Eine Besonderheit des Bildungsprogramms am MoMA ist dessen Offenheit für alle Generationen und biografischen Hintergründe. Es gibt spezielle Programme für Kinder, Teenager, Erwachsene oder Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Besonders stolz ist Wendy Woon auf das im Mai 2015 gestartete Pilotprojekt „Prime Time“ speziell für ältere Erwachsene. Vivian, eine kunstbegeisterte 95-Jährige, gehört hier zu den Aushängeschildern. Die alte Dame hat sich gerade für ein auf fünf Jahre angelegtes Aufbauseminar angemeldet. Wendy Woon dazu: „Wir müssen unsere Einstellung zum Alter kräftig überdenken. Allzu häufig werden alte Menschen mit falschen Stereotypen belegt und dadurch an den Rand gedrängt. Das führt dazu, dass sie sich unsichtbar vorkommen.“
MoMA’s Prime Time program enriches museum experience for seniors – NY Daily News
Foto: Manuel Martagon
Ein temporäres Projekt im Jahr 2012 nannte sich „MoMA Studio: Common Senses“. Zusammen mit Künstlern, Designern und Museumspädagogen bewirtschafteten die Teilnehmer einen Gemüse- und Kräutergarten im Skulpturengarten des MoMA, sie bestimmten Pilzsorten oder bereiteten Tees und Marmeladen zu. „Hands-on-Experience“ nennen die Amerikaner solche alle Sinne ansprechenden Aktivitäten. Wer will, kann unter professioneller Anleitung das Fotografieren mit dem iPhone trainieren oder sich in der Herstellung von Monotypien üben. Doch selbstverständlich gibt es auch am MoMA stärker inhaltlich ausgerichtete Führungen und Seminare. Über 200.000 teils weltberühmte Werke vom Impressionismus bis hin zu Pop Art, Minimal Art oder Produktdesign bieten dazu reichlich Anschauungsmaterial.
Domestic Integrity Field Part A-1. June 2012. Installed as part of MoMA Studio: Common Senses. Photo courtesy of Fritz Haeg
Wer nicht das Glück hat, in New York zu wohnen, kann dennoch vom umfangreichen Bildungsangebot des MoMA profitieren. Das ganz aktuelle, auf der Online-Plattform www.coursera.com angebotene MoMA-Seminar „Seeing through Photographs“ etwa ist kostenlos abrufbar. Dazu noch einmal Wendy Woon: „Mit den Coursera-Kursen erzielen wir eine enorme Reichweite. Hunderttausende Menschen in mehr als 160 Ländern weltweit nutzen sie. Neuerdings sogar in Burkina Faso.“
Hauptförderer all dieser Aktivitäten ist im Übrigen die Volkswagen Group of America, die bereits seit 2011 ihre breit angelegte Partnerschaft mit dem Museum of Modern Art und dem im Stadtteil Queens gelegenen, stärker auf experimentelle Kunstformen spezialisierten Ableger MoMA PS1 besiegelt hat.