In Zeiten globaler Unsicherheiten und Krisen setzt die Kunstmesse Art Basel umso mehr auf qualitätsvolle Kunst. Im Kunstsommer 2017 drängen auch auch politische Werke mit klaren Botschaften auf den Markt
Der Basler Messeplatz gleicht zur Zeit einem Rummelplatz der etwas anderen Art. Wo das exklusive Sammlerpublikum in diesen Tagen auf die Preview der Art Basel drängt, hat die Schweizer Künstlerin Claudia Comte, Jahrgang 1983, unter dem Titel „NOW I WON“ einen kleinen, leicht subversiven Jahrmarkt aufgebaut. Die Besucher dürfen sich hier in den Disziplinen Dosenwerfen, Armdrücken, Darts, Dauertanzen oder sogar Wettsaufen erproben. Die drei Besten werden mit Skulpturen der Künstlerin belohnt.
Vom Spiel zum Ernst: Ein Wettbewerb der ganz anderen Art herrschte am Vernissagetag der wichtigsten Kunstmesse der Welt. Erstmals bestimmt auch hier die Terrorangst die Abläufe. Wer es durch die flughafenähnlichen Sicherheitsschleusen geschafft hatte, steuerte gezielt die Stände bestimmter Galerien an, um noch vor den anderen Werke der begehrtesten Künstler zu erwerben. In diesem Kunstsommer stechen besonders die Arbeiten der Teilnehmer der Großausstellungen in Venedig, Kassel und Münster hervor. Gemälde von Documenta-Teilnehmerin Miriam Cahn, ein Video der südafrikanischen Biennale-Künstlerin Candice Breitz oder ein ganzer Stand mit Arbeiten des Künstlerinnenduos Peles Empire, das derzeit bei den Skulptur Projekten Münster gefeiert wird, sind nur einige Beispiele für die Markttauglichkeit von Kuratoren-Lieblingen.
291 Galerien präsentieren auf der 48. Art Basel Arbeiten von rund 4000 Künstlern. Gezeigt werden Spitzenwerke aus 12 Jahrzehnten. Messedirektor Marc Spiegler betont die Rolle der Kunst in politisch bewegten Zeiten: „Diese Messe findet zu einem Zeitpunkt statt, wo Kunst und Politik auf nie dagewesene Art und Weise ineinandergreifen.“ Angesichts des Brexits, der Wahl von Trump und der aktuellen Terroranschläge zögen sich aber manche Akteure ganz aus der Kunst zurück. Das halte er jedoch für falsch. Mit Blick zum Beispiel auf den auch politisch engagierten deutschen Fotografen Wolfgang Tillmans, dem in der Basler Fondation Beyeler aktuell eine große Retrospektive gewidmet ist, betont Spiegler, es sei gerade jetzt die Aufgabe der Kunst, einen spezifisch anderen Blick auf die sozioökonomischen Verhältnisse zu werfen. Seit 2015 gehen die weltweiten Umsätze im Bereich zeitgenössischer Kunst allerdings kontinuierlich zurück. Im Jahr 2016 war laut dem zeitgleich mit der Messe veröffentlichten „Global Art Market Report“ gegenüber dem Vorjahr ein durchschnittlicher Rückgang der Gesamtverkäufe im Bereich Kunst und Antiquitäten um 11% zu verzeichnen. Dennoch ist auf der Art Basel auch in diesem Jahr wieder auf der Art Basel mit einem Gesamtumsatz von rund einer Milliarde US$ zu rechnen.
Jürg Zeltner, Präsident UBS Wealth Management und damit Vertreter des Hauptsponsors der Art Basel, betonte auf der Pressekonferenz, er wisse zwar nicht, ob Kunst die für jeden geeignete Anlageform sei. „Was ich aber weiß“, so Zeltner, „ist, dass das Geld immer weniger wert ist.“ Weiter stellte er fest, dass große Investoren immer mehr Geld in alternative Investments wie Kunst umschichten. Er gab aber zu bedenken, dass ein Investment in Kunst nur dann wirklich funktioniere, wenn auch die Leidenschaft für diese sehr spezielle Art der Geldanlage vorhanden sei. Für Marc Spiegler wiederum hat die aktuelle Krise auch ihr Gutes. Er betonte auf der Pressekonferenz den hohen Anspruch der Art Basel in diesem Jahr: „Gerade in Zeiten, die nicht ganz einfach sind, tendieren die Händler dazu, Werke von allerhöchster Qualität mitzubringen, da sie wissen, dass sie diese gut verkaufen können.“
Gerade in der Sektion Art Film setzt die Art Basel auf anspruchsvolle Filme mit politischen Themen. So präsentierte der Franzose Eric Baudelaire seinen 93-minütigen Film „As known as Jihadi“, das indirekte Porträt eines real existierenden Jihadisten, bebildert nur mit Stadt- und Landschaftsaufnahmen sowie abgefilmten Gerichtsprotokollen. Eine betont unspektakuläre Annäherung an ein brisantes Thema. Am Stand von Barbara Wien wurde dann Baudelaires mehrteilige Arbeit „Anti-Memorial“, bestehend aus Briefkorrespondenz mit britischen Premierministern, gleich am ersten Tag verkauft. Das Künstlerduo Ed Atkins und Simon Thompson wiederum bringt mit seiner Arbeit „Sky News Live“ die Krisenberichterstattung in Form eines wandfüllenden Screens direkt auf die Messe. Von Thomas Demand ist ein Foto mit dem Titel „Folders“ zu sehen. Es spielt darauf an, dass Donald Trump während einer Pressekonferenz einen Tisch mit Aktenordnern präsentierte, die die Übertragung all seiner Unternehmen auf seine Kinder beweisen sollten. Später jedoch kam der Verdacht auf, dass Trumps Akten nur leere Seiten enthielten.
Einer der Eyecatcher am gut bewachten Stand der mächtigen Gagosian Gallery ist das lebensgroße Skulpturenpaar „Bruno & Yoyo“ des Schweizers Urs Fischer aus echtem Wachs. Der Käufer der Arbeit darf die Skulptur wie eine Kerze abbrennen und somit das Kunstwerk zum Verschwinden bringen. Ein teurer Spaß mit dekadentem Beigeschmack. Ob sich derart gewagte Investitionen auf Dauer auszahlen, darf bezweifelt werden.
Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset jedenfalls präsentiert am Stand der König Galerie Berlin einen Pleitegeier mit dem menetekelhaften Titel „The Critic“. Die blütenweiße Skulptur kostet 80.000 Euro. Weitere Objekte der Begierde: Bunte Metallballons von Jeppe Hein, ein Set aus sieben für 120.000 Euro.
Wer es klassischer mag, sollte sich in der Sektion Art Feature mit wiederentdeckten historischen Positionen umschauen. Hier präsentiert die Galerie Hamiltons aus London Vintage-Aufnahmen der schweizerisch-amerikanischen Fotolegende Robert Frank aus den 1940er und 1950er Jahren. Die Abzüge stammen aus einer Privatsammlung und kosten zwischen 25.000 und 100.000 US$.
Eine weitere interessante Position dann am Stand von Balice Hertling. Die Pariser zeigen frühe Arbeiten des britischen Konzeptkünstlers Stephen Willats an der Schnittstelle zwischen Kunst, Mode und Mobiliar. Lange Zeit hat sich Willats dem Markt verweigert, heute wirken seine mit Textbotschaften versehenen Arbeiten umso frischer (Preisspanne: £1.800 bis £32.000).
Auf der Art Unlimited, der von Gianni Jetzer kuratierten Schau in einer Extra-Halle, sind 76 raumfüllende Arbeiten und Videoarbeiten versammelt, darunter einige historische Positionen etwa von Chris Burden, Otto Piene, Carl Andre oder John Baldessari. Die partizipativ angelegte Kochperformance „Cooking the World“ des Inders Subodh Gupta in einem Setting aus Kochtöpfen und Pfannen war bereits im Vorfeld restlos ausgebucht. Der Amerikaner Rob Pruitt zeigt hier frei nach dem Motto „Bei der Geburt getrennt“ im Internet gefundene Porträts von Prominenten aus der Kunstwelt und ihren vermeintlichen Doppelgängern. Den Konzeptkunst-Papst und Bartträger John Baldessari etwa kombiniert er ironisch mit Papa Schlumpf.
Noch bis Sonntagabend hat die Art Basel ihre Tore geöffnet. Für ein breiteres Publikum hält der „umsonst und draußen“ stattfindende Art Parcours Dutzende von Arbeiten im Stadtraum bereit, darunter – allgegenwärtig in diesem Kunstsommer – auch viele Performances. Fazit: Die Art Basel ist weit mehr als eine Messe. Gerade auch mit ihrem hochkarätigen Talk-Programm, zu dem Künstler, Kuratoren, Museumsdirektoren und Sammler wie etwa Annette Messager, Kasper König oder Hans Ulrich Obrist eingeladen sind, bietet sie eine Plattform für intellektuelle Diskurse. Ein Must nicht nur für gut betuchte Sammler, sondern für alle, die am internationalen Kunstgeschehen interessiert sind.
Auf einen Blick:
Messe: 48. Art Basel
Ort: Messe Basel, Hallen 1 und 2
Zeit: bis 18.6.2017, Publikumstage: 15.6.-18.6.2017, 11-19 Uhr
Katalog: Jahrbuch: 786 S., 75 CHF/75 Euro
Art Unlimited Katalog: 180 S., 74 Abb., 60 CHF/60 Euro
Internet: www.artbasel.com
Nächster Termin: 14.-17.6.2018