Im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg sind jetzt endlich angemessene Räume für die Fotografie eingerichtet worden. Zum Auftakt beschäftigen sich die beiden Fotografen Jochen Lempert und Peter Piller mit dem Motiv des Vogels
75.000 Exponate umfasst die Fotografiesammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe (MKG). Sie gehört damit zu den wichtigsten Sammlungen des Mediums in Deutschland. Ein Schatz, der allerdings lange Zeit ein Nischendasein fristete und erst in den vergangenen Jahren nach und nach gehoben worden ist. Esther Ruelfs, seit März 2012 Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien am MKG, hat seit Beginn ihrer Tätigkeit Wert darauf gelegt, die Bestände zu sichten, sie wissenschaftlich und konservatorisch aufzuarbeiten. Im vergangenen Jahr präsentierte sie mit der Übersichtsausstellung „ReVision“, zu der auch ein umfangreicher Sammlungskatalog erschienen ist, erste Ergebnisse der noch längst nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Erschließung der Sammlung.
Außerdem wurden mittlerweile 9.000 Werke auf https://sammlungonline.mkg-hamburg.de/ digital zugänglich gemacht. Auch hier ist das MKG Vorreiter in Deutschland. Was es jedoch bisher nicht gab, war ein angemessener Präsentationsrahmen. Fotografieausstellungen fanden im MKG lange Zeit in Durchgangszonen statt. Den besonderen Anforderungen des Mediums angemessene Ausstellungsflächen gab es nicht. Dieser Missstand hat nun ein Ende. Dank einer großzügigen Spende der Hermann Reemtsma Stiftung konnte jetzt eine neue, frisch renovierte und zentral gelegene Dauerausstellungsfläche eröffnet werden. Außerdem realisiert wurden ein neuer, klimatisierter Depotraum und ein Studienraum.
Auf 140 perfekt ausgeleuchteten Quadratmetern sollen in Zukunft Bestände der Sammlung in regelmäßig wechselnden Präsentationen ausgestellt werden. Die Auftaktausstellung bestreiten die beiden international bekannten Hamburger Fotokünstler Jochen Lempert, Jahrgang 1958, und Peter Piller, Jahrgang 1968. In der Ausstellung „Fotografie neu ordnen: Vögel“ zeigen sie eine Auswahl von historischen Vogelaufnahmen, die sie gemeinsam aus den Sammlungsbeständen des MKG ausgewählt haben. Die Aufnahmen aus mehr als 100 Jahren Sammlungsgeschichte kombinieren sie mit eigenen Werken. Bei Jochen Lempert, der zunächst Biologie studierte, ehe er sich der künstlerischen Fotografie zuwandte, ist das nicht weiter verwunderlich. Auf seinen analog fotografierten und stets per Hand in der Dunkelkammer abgezogenen Schwarz-Weiß-Aufnahmen tauchen neben anderen Motiven aus der belebten und unbelebten Natur auch immer wieder Vögel auf.
Bei Peter Piller, der sich lange Zeit mit gefundenen Bildern aus Bildarchiven und Tageszeitungen beschäftigte, ist die Überraschung da schon größer. Für die Hamburger Ausstellung hat Piller, der als Professor an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) die „Klasse für Fotografie im Feld der Zeitgenössischen Kunst“ leitet, jetzt auch selbst zur Kamera gegriffen. Für seine neue Serie „behind time“ (2017) hat er sich, anknüpfend an ein Hobby seiner Jugend, in die Rolle des Tierfotografen begeben und sich mit dem Teleobjektiv auf die Lauer gelegt. Doch wie der Titel schon nahelegt, zeigen seine absichtsvoll verunglückten Aufnahmen eben nicht den „rechten Augenblick“, wie Henri Cartier-Bresson es nannte, sondern den verpassten Moment danach. Statt still zu sitzen und sich in ihrer ganzen Pracht zu zeigen, flattern Pillers Vögel gerade davon, verschwinden hinter Ästen oder am Horizont. Mit ironischem Gestus erklärt Piller, das, was in der wissenschaftlichen Tierfotografie als Ausschuss gelten würde, zur allein gültigen Aufnahme.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Jochen Lempert/Peter Piller: Fotografie neu ordnen: Vögel
Ort: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG)
Zeit: bis 4. Februar 2018, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, Do an und vor Feiertagen 10-18 Uhr
Internet: www.mkg-hamburg.de
https://sammlungonline.mkg-hamburg.de/