Die Sammlung Falckenberg präsentiert die erste große Retrospektive der Kölnerin Astrid Klein
Rückblende in die späten 1970er und frühen 1980er Jahre: Lange vor jeglichem Berlin-Hype war Köln damals das unumstrittene Zentrum des westdeutschen Kunstbetriebs. Eine, die von Anfang an dabei war, und neben Rosemarie Trockel, Gerhard Richter, Walter Dahn oder Jürgen Klauke bis heute zu den Aushängeschildern der Kölner Kunstszene gehört, ist die in nahezu allen Medien arbeitende Astrid Klein. Der 1951 in Köln geborenen Künstlerin widmet die zu den Hamburger Deichtorhallen gehörende Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg jetzt die erste retrospektiv angelegte Überblicksausstellung in Deutschland. Sie nimmt nahezu die komplette Wechselausstellungsfläche des Hauses ein. Auf drei Etagen sind rund 200 Arbeiten aus der gesamten Karriere der Künstlerin versammelt.
Der Clou der Schau: Sammler Harald Falckenberg gab der Künstlerin Carte blanche. Astrid Klein hat alle Werke der Ausstellung selbst arrangiert. Auf eine chronologische Abfolge hat sie dabei jedoch zugunsten eher intuitiver Setzungen verzichtet. Und auch der anspielungsreiche Titel „Transcendental Homeless Centralnervous“ stammt von der Künstlerin. Transzendental, grenzüberschreitend also, ist nämlich nicht nur ihre die tradierten Genres übergreifende Methode, sondern ebenso auch der scharfsinnig wie diskursiv zugespitzte inhaltliche Kern ihrer Werke. Dabei geht es ihr jedoch mehr um das Aufrufen subtiler ästhetischer Erfahrungen, als um eindeutig dechiffrierbare künstlerische Kommentare. „Sprache und Schrift ziehen sich durch mein ganzes Werk“, sagt sie, „Aber nicht als Botschaft. Ich habe keine Botschaft. Wenn ich etwas habe, dann sind es Fragen.“
Zu ihren bekanntesten Werkgruppen gehören die experimentellen Bild-Text-Collagen, die seit Ende der 1970er Jahre entstehen. Zahlreiche dieser visuell markanten Arbeiten sind jetzt in Hamburg zu sehen. Ausgehend von Vorlagen in Form von Privatfotos, Pressebildern, Filmstills, Kinoplakaten oder Fotoromanen schafft Astrid Klein meist großformatige Fotocollagen, die insbesondere die tradierten Rollenbilder von Mann und Frau ironisch hinterfragen. Hauptdarstellerinnen aus Filmen der Nouvelle Vague, aber auch von Regisseuren wie John Cassavetes oder Rainer Werner Fassbinder legt sie subtile Aussagen in den Mund, in denen diese dem Betrachter gegenüber ihr Missfallen an ihrer klischeehaften Darstellung als Femme Fatale oder Objekt männlicher Begierden äußern. Eigene Texte verwendet sie ebenso wie Zitate von Schriftstellern oder Philosophen.
Neben Spiegelarbeiten, Schriftbildern, Neonskulpturen und einer Rauminstallation mit von der Decke herabhängenden Fliegenfängern ist auch ein zentrales Werk mit Hamburg-Bezug in der Ausstellung vertreten: die der bundesrepublikanischen Gefühlslage der frühen 1980er Jahre entsprungene, wandfüllende Fotoarbeit „Endzeitgefühle“ (1981/82). Astrid Klein gewährt den Besuchern ihrer Ausstellung aber auch Einblick in ihr weniger bekanntes Frühwerk. Die sogenannten „Schwarzen Bilder“ (1974/77), kleinformatige Gemälde, in deren Zentrum fast immer eine junge nackte Frau steht, oszillieren zwischen tagebuchartiger Aufzeichnung, symbolistischer (Alb-)Traumdarstellung und mythologisch aufgeladenem Psychogramm. Eine junge Frau sucht hier in einer männlich dominierten Welt nach sich selbst.
Doch Grund zur Sorge gab es eigentlich nie. 1984 nahm Astrid Klein an Kasper Königs heute legendärer Großausstellung „Von hier aus“ teil – zwei Jahre später war sie bereits auf der Biennale Venedig. Von da an ging es mit ihrer internationalen Karriere stetig voran. Von 1993 bis 2017 war sie zudem als Professorin in Leipzig tätig. Mit der äußerst vielschichtigen Hamburger Ausstellung dürfte ihre überragende Bedeutung für die Gegenwartskunst der letzten vier Jahrzehnte jetzt auch einem größeren Publikum bewusst werden.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Astrid Klein. TRANSCENDENTAL HOMELESS CENTRALNERVOUS
Ort: Deichtorhallen Hamburg/Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Str. 71, Tor 2, 21073 Hamburg-Harburg
Zeit: bis September 2018
Führungen: Do + Fr 18 Uhr, Sa 12 und 15 Uhr, So 12 und 15 Uhr, Anmeldung ist erforderlich. Jeden 1. Sonntag im Monat geöffnet von 12-17 Uhr. Keine Anmeldung erforderlich. Weitere Informationen unter: www.deichtorhallen.de/fuehrungen
Katalog: Verlag der Buchhandlung Walther König, 420 S., gebundene Ausgabe, deutsch/englisch, 38 Euro
Internet: www.deichtorhallen.de