Die 23. Ausgabe der wichtigsten Basler Satellitenmesse Liste war die letzte unter der bewährten Direktion des Messegründers Peter Bläuer. Das Erfolgskonzept der Liste sollte aber auch in den kommenden Jahren aufgehen – davon profitieren entdeckungsfreudige Besucher und Sammler
Eine Ära geht zu Ende. Auf dem abendlichen Empfang der Entdeckermesse Liste in Basel wurde der Messegründer und langjährige Direktor Peter Bläuer mit Standing Ovations verabschiedet. 1996 hatte er die Liste als erste Satellitenmesse im Dunstkreis der übermächtigen Art Basel gegründet, als Reaktion junger aufstrebender Galerien, für die die Teilnahme an der etablierten, weltweit wichtigsten Kunstmesse damals noch unerreichbar war.
Ein paar Gehminuten entfernt vom schicken Messegelände etablierte Peter Bläuer zusammen mit einigen Mitstreitern die unkonventionelle Liste im Werkraum Warteck pp, einem labyrinthartigen ehemaligen Brauereigebäude mit industriellem Charme, in dem schon lange kein Bier mehr gebraut wird. Kreative Basler aber, von den Betreibern einer Druckwerkstatt über diverse Gastronomen bis zu den Inhabern eines Tanzstudios, haben hier ihre Heimat gefunden. Einmal im Jahr während der Art Basel Woche bespielen dann junge internationale Galerien die verschachtelten Räume.
Auch in diesem Jahr hatte eine fachkundige Jury aus Kuratoren und Kunstschaffenden für die 23. Ausgabe der Liste aus 250 Bewerbern 79 Galerien aus 32 Ländern ausgewählt. Die internationalen Nachwuchsgalerien kamen nicht nur aus den vermeintlichen Zentren des Kunstbetriebs, sondern auch aus Ländern wie Kuba, Kolumbien, Estland, Rumänien oder Ägypten und präsentierten über 170 Künstler, die überwiegend jünger als 40 Jahre alt sind.
So zeigte die Galerie Gypsum aus Kairo unter anderem digitale Fotomontagen der in Berlin lebenden Deutsch-Iranerin Setareh Shahbazi, Jahrgang 1978. Shahbazi benutzt Bilder aus dem Internet und den sozialen Netzwerken, Familienfotos, Film Stills, Postkarten und medizinische Aufnahmen, um aus diesem Archiv mittels Photoshop vielschichtige Collagen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine herzustellen. Die ebenso komplexen wie farbenfrohen Fotocollagen waren für 2.900 Euro im Angebot (Auflage: 3 + 1 AP).
Die Pariser Galerie Balice Hertling präsentierte Fotografien des in Los Angeles lebenden US-Amerikaners Buck Ellison, Jahrgang 1987. Der an der New Yorker Columbia University sowie an der Städelschule in Frankfurt am Main ausgebildete Künstler untersucht in seinen Aufnahmen die Verhaltensweisen, sozialen Codes und typischen Outfits der weißen amerikanischen Mittel- und Oberschicht. Für seine inszenierten Gruppen- und Einzelporträts castet er Schauspieler und Models, die prototypische Markenkleidung und Accessoires tragen, um auf ironische Art und Weise die scheinbare gesellschaftliche Dominanz der weißen Elite zu entlarven. Die Fotografien kosten zwischen 8.000 und 12.000 Euro (Auflage: 3 bzw. 5).
Die Galerie Overduin & Co aus Los Angeles hatte in einer Solo Show atelierfrische Gemälde von Eliza Douglas mit an den Stand gebracht. Die 1984 in New York City geborene Partnerin der deutschen Biennale-Künstlerin Anne Imhof zeigt auf ihren Bildern die Oberkörper von Männern in poppig-bunten Hawaii-Hemden. Das Irritierende dabei: Zwischen den farbenfrohen, harmonisch wirkenden Palmen, Papageien und Sonnenuntergängen verbergen sich in den Hemdtaschen jeweils verstörende Fotos zum Beispiel aus Antiraucherkampagnen, wie sie auf Zigarettenschachteln zu finden sind (Preise auf Anfrage).
Für Liebhaber der japanischen Konzeptkunst hatte die Galerie Aoyama Meguro aus Tokio nicht nur Arbeiten des Japaners Katsunobu Yaguchi, Jahrgang 1978, mit nach Basel gebracht, sondern auch den Künstler selbst eingeflogen. Neben konzeptuellen Zeichnungen von Vintage-Ventilatoren präsentierte er hochwertige Schwarz-Weiß-Drucke von Magazinseiten aus amerikanischen Zeitschriften mit Werbeanzeigen für japanische High Tech-Produkte der Nachkriegszeit. Die Motive ließ Yaguchi in einem fast ausgestorbenen, analogen Druckverfahren auf feines Japanpapier drucken, das in seiner Heimatstadt Ibaraki in der Präfektur Osaka produziert wird. Die delikaten Blätter aus der Serie waren für je 1.200 Euro im Angebot (Auflage: 9 + 1 AP).
Für große Aufmerksamkeit sorgte in Basel die von Sabine Himmelsbach kuratierte Ausstellung „Anti-Bodies“ der US-amerikanischen Medien-Künstlerin Lynn Hershman Leeson, Jahrgang 1941, im Haus der elektronischen Künste (HeK). Passend dazu zeigte die New Yorker Galerie Bridget Donahue auf der Liste eine Collage und mehrere Zeichnungen aus dem Frühwerk der zur Zeit gefeierten Künstlerin und Filmemacherin aus San Francisco, die sich bereits seit Jahrzehnten kritisch mit den neuesten Entwicklungen in der digitalen Welt, der Gentechnik, der Pharmazie, der Medizin und den Neurowissenschaften beschäftigt. Die direkt aus dem Atelier der Künstlerin stammenden Arbeiten waren für jeweils 45.000 US$ im Angebot.
Der Hamburger Nachwuchskünstler Gerrit Frohne-Brinkmann, Jahrgang 1990, entführte den Besucher der Liste in die geheimnisvolle Welt der Tropfsteinhöhlen. Von der Decke am Stand der Galerie Noah Klink aus Berlin hingen Stalaktiten, die Frohne-Brinkmann zunächst gescannt und dann mit dem 3D-Drucker reproduziert hat. Hierbei verweist der Konzeptkünstler auf die extrem unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Entstehung dieser bizarren Gebilde einerseits in der Natur und andererseits im High-Tech-Herstellungsprozess als Kunstobjekt. Preise auf Anfrage.
Einen Stand der besonderen Art präsentierte die Galerie Sabot aus dem rumänischen Cluj. Galeristin Daria Dumitrescu nahm den Namen der Galerie – er bezeichnet im Rumänischen einen Holzschuh – zum Anlass, auf der Liste den „Sabot Shoe Shop“ aufzubauen. Hier zeigten neun Künstler aus dem Galerieprogramm, die jünger als 40 Jahre alt sind, zum neunjährigen Bestehen der Galerie Arbeiten, die sich formal oder im übertragenen Sinne mit dem Thema Schuh auseinandersetzen. Ob ein Schweinefuß mit angedeuteten Adidas-Streifen, ein Gemälde aus Schuhcreme oder eine speziell für die Messe designte Tapete mit Babyschuhen – die überwiegend für die Liste neu entstandenen Arbeiten kamen beim Publikum extrem gut an.
Rund 22.000 Besucher, sowohl Fachpublikum wie Sammler und Kuratoren als auch viele überwiegend junge Kunstinteressierte, haben in diesem Jahr die Liste gesehen. Nach der 23. Ausgabe wird Messegründer Peter Bläuer der Liste nur noch als Berater zur Verfügung stehen. Eine sechsköpfige Kommission wird in Kürze seine Nachfolge bestimmen. Gleichzeitig wurde die Überführung der ohnehin nicht-kommerziell ausgerichteten Messe in eine gemeinnützige Stiftung zur Förderung junger Galerien eingeleitet. Man darf hoffen, dass trotz eines immer schwieriger werdenden Umfelds das Messemodell der Liste für jüngere und kleinere Galerien in solider Schweizer Kontinuität um einige weitere erfolgreiche Kapitel ergänzt wird.
Auf einen Blick:
Messe: 23. Liste – Art Fair Basel
Ort: Werkraum Warteck pp, Basel
Katalog: ca. 240 S., zahlreiche Farbabb., 15 CHF
Nächster Termin: 10. bis 16. Juni 2019
Internet: www.liste.ch