Offen und grenzenlos: Anfang Mai beginnt die 58. Biennale Venedig. Biennale-Präsident Paolo Baratta und der diesjährige Kurator Ralph Rugoff stellten die Eckdaten der Mammut-Schau jetzt in Berlin vor
In diesen Tagen touren der Präsident der Biennale Venedig, Paolo Baratta, und der diesjährige Kurator der Internationalen Kunstausstellung, Ralph Rugoff, durch verschiedene Städte weltweit, um einen ersten Einblick in die Vorbereitungen zur 58. Biennale und deren kuratorisches Konzept zu geben. Am Dienstag, dem 12. März stellten sie die Großausstellung, die unter dem Motto „May You Live In Interesting Times“ steht, in der Italienischen Botschaft in Berlin der deutschen Presse vor. In Zeiten großer Vereinfachungen setze die Biennale ganz bewusst auf Offenheit und Grenzenlosigkeit, so Baratta.
Am 10. Mai wird die 58. Biennale Venedig, die älteste und nach wie vor wichtigste der rund 300 Kunstbiennalen weltweit, eröffnet. Kuratiert wird die Hauptausstellung von dem 1957 in New York geborenen Ralph Rugoff, der seit 2006 Direktor der Hayward Gallery in London ist. „Ich glaube fest daran, dass Biennalen lebende Künstler zeigen und die Entwicklung ihrer Zeit reflektieren sollten“, betonte Ralph Rugoff auf der Pressekonferenz. Mit diesem Statement grenzt er sich gegenüber seinen unmittelbaren Vorgängern, die vermehrt auch historische Positionen nach Venedig holten, klar ab.
Mit der Auswahl seiner Künstler will Ralph Rugoff ausdrücklich die weltweit politisch angespannte Situation reflektieren, den Verlust humanistischer Werte, Traditionen und Beziehungen. Er betont jedoch, dass Kunst den Aufstieg nationalistischer Bewegungen und autoritärer Regime sowie die daraus resultierenden Flüchtlingsströme in vielen Teilen der Welt nicht aufhalten könne. „Aber auf eine indirekte Art und Weise kann die Kunst uns vielleicht zeigen, wie wir leben und worüber wir nachdenken sollten in »interessanten Zeiten« wie diesen“, so Rugoff.
Als Ausgangspunkt seiner kuratorischen Überlegungen nannte er Umberto Ecos ursprünglich 1977 erschienenen Essay „Das offene Kunstwerk“, in welchem der italienische Philosoph das Fragmentarische, die Unabgeschlossenheit und Widersprüch-lichkeit als besondere Qualitätsmerkmale eines offenen Kunstwerks beschreibt. Der Betrachter, so Eco, solle idealerweise mit einbezogen werden und das Kunstwerk interpretatorisch vollenden.
Ralph Rugoff hat 80 internationale Künstler und Künstlergruppen ausgewählt, darunter 42 weibliche und 38 männliche Teilnehmer. Das sind vergleichsweise wenige Künstler für eine Biennale. Rugoff rechtfertigt diese Reduktion jedoch mit seiner Absicht, dem Betrachter einen tieferen Einblick in die jeweilige Praxis der einzelnen Teilnehmer geben zu wollen.
Rugoff unternimmt noch einen zweiten strategischen Schachzug: Alle Künstler werden an beiden Hauptausstellungsorten, dem Zentralen Pavillon auf dem Giardini-Gelände und dem Arsenale, präsent sein, jedoch mit so unterschiedlichen Arbeiten, dass man ihre Autorschaft womöglich gar nicht auf den ersten Blick erkennt. Auf diese Weise soll der Betrachter jedoch Einblicke in die Bandbreite ihres Schaffens erhalten. Seine eher konzeptuelle Herangehensweise unterstreicht Rugoff zusätzlich, indem er die beiden Ausstellungsorte als „Proposition A“ und „Proposition B“ („Vorschlag A“ und „Vorschlag B“) bezeichnet.
Ralph Rugoff hat alle Teilnehmer eingeladen, ihm weitere Künstler zu empfehlen und sich dabei sehr auf die Empfehlungen der Künstler verlassen. Zu den aus Deutschland kommenden Teilnehmern gehören Nairy Baghramian, Alexandra Bircken, das Berliner Künstlerkollektiv Slavs and Tatars, der in Berlin lebende US-Amerikaner Jimmie Durham, Hito Steyerl und Rosemarie Trockel.
Den deutschen Pavillon bespielt in diesem Jahr die an der Hochschule für Künste Bremen lehrende deutsch-iranische Künstlerin Natascha Sadr Haghighian. Sadr Haghighian begreift sich als Geschichtenerzählerin. Sie liebt das Spiel mit Identitäten und hat sich daher für die Präsentation in Venedig das Pseudonym Natascha Süder Happelmann zugelegt. Kuratorin des deutschen Beitrags ist Franciska Zólyom, die Leiterin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig.
In diesem Jahr nehmen insgesamt 90 Länder an der Biennale teil. Algerien, Ghana, Madagaskar und Pakistan werden zum ersten Mal dabei sein. Daneben werden 21 sogenannte „Collateral Events“, das sind Ausstellungen in Stiftungen, Museen und anderen Institutionen, die Hauptausstellungen flankieren.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Biennale Venedig – 58. Internationale Kunstausstellung „May You Live In Interesting Times“
Ort: Venedig, Giardini und Arsenale sowie weitere über die ganze Stadt verteilte Pavillons und Ausstellungsräume
Zeit: 11. Mai bis 24. November 2019, Di – So 10 – 18 Uhr, Mo geschlossen
Internet: www.labiennale.org