Das männlich-weibliche Prinzip

14.10.20  Von Nicole Buesing und Heiko Klaas


Die Hamburger Kunsthalle zeigt Max Beckmann als malenden Erforscher beider Geschlechter

 

Max Beckmann (1884–1950)
Selbstbildnis Florenz, 1907
Öl auf Leinwand, 98 x 90 cm
Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe Nachlass Peter und Maja Beckmann
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Elke Walford

Max Beckmann (1884-1950) gilt als Jahrhundertmaler. Seine auf Leinwand realisierten Landschaften, Gesellschaftsbilder und bühnenhaften Triptychen werden regelmäßig in groß angelegten Ausstellungen und Retrospektiven gezeigt. Rund 850 Gemälde hat der Künstler im Laufe seines Lebens geschaffen. Beckmanns ebenso expressive wie realistische Gemälde, aber auch seine oft feinsinnigen Arbeiten auf Papier reflektieren die für ihn wichtigen Orte und Menschen, seine Auseinandersetzung mit den Geschlechtern, der Gesellschaft, Stadt, Landschaft und Mythologie.

 

Max Beckmann (1884–1950)
Odysseus und Kalypso, 1943
Öl auf Leinwand, 150 x 115,5 cm
Hamburger Kunsthalle
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Elke Walford

 

In der Hamburger Kunsthalle wird jetzt unter dem Titel „Max Beckmann. weiblich-männlich“ untersucht, welche Rolle Geschlechterfragen im Werk des Ausnahmekünstlers Max Beckmann spielen. „Max Beckmann ist eher als viriler, kantiger Maler als einer, der das weibliche Prinzip erforscht, bekannt“, erläutert Kunsthallendirektor Alexander Klar. Und fügt hinzu: „Dies ist eine Ausstellung, die dem sehr gegenwärtigen Thema der Geschlechterrelation unter einer neuen Fragestellung eine neue Dimension abgewinnt.“

 

Max Beckmann (1884–1950)
Bildnis einer Rumänin (Bildnis Frau Dr. Heidel), 1922
Öl auf Leinwand, 100 x 65 cm
Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Elke Walford

 

Stichwort: Gender-Debatte. „Es ist der Versuch, einen gegenwärtigen Blick darauf zu werfen“, so Alexander Klar. Max Beckmann im 21. Jahrhundert: Wie betrachten wir heute seine sensiblen Darstellungen eleganter Frauenfiguren mit extrem gelängten Gliedmaßen oder das Porträt des homosexuellen, jüdischen Filmregisseurs Ludwig Berger, der zwei violette Blumen sanft über seinen linken Handrücken gleiten lässt? Die Kuratorin der Schau, Karin Schick, erläutert ihre Herangehensweise: „Was ist an Beckmanns Werk irritierend, und wie kann ich es ausdrücken? Ich wollte die Nuancen des Farbenreichtums sowohl in den Bildern als auch in den Gedanken greifbar machen.“

 

Max Beckmann (1884–1950)
Bildnis Ludwig Berger, 1945
Öl auf Leinwand, 135,6 x 90,9 cm
Saint Louis Art Museum, Bequest of Morton D. May 854:1983
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Foto: Saint Louis Art Museum, Bequest of Morton D.

Rund 140 Gemälde, Plastiken und Arbeiten auf Papier versammelt diese thematische Schau zum Werk Max Beckmanns, darunter Leihgaben aus Deutschland, Amsterdam und den USA. Karin Schick hat mit dem Nachlass Beckmann zusammengearbeitet und konnte natürlich auch aus dem umfangreichen Beckmann-Bestand der Hamburger Kunsthalle schöpfen.

 

Max Beckmann (1884–1950)
Bildnis Käthe von Porada, 1924
Öl auf Leinwand, 120 x 43 cm
Städel Museum, Dauerleihgabe der SEB, Frankfurt am Main
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Städel Museum – ARTOTHEK
Foto: U. Edelmann

 

Der 1884 in Leipzig geborene Max Beckmann, dessen Lebensstationen unter anderem nach Weimar, Frankfurt, Berlin, ins erzwungene Exil nach Amsterdam und schließlich nach erfolgreicher Auswanderung nach New York führten, hat sich zeitlebens mit philosophischen, naturgeschichtlichen und psychologischen Schriften auseinandergesetzt. Die zu seiner Zeit viel diskutierten Theorien von Sigmund Freud oder Carl Gustav Jung waren ihm vertraut. „Ihn beschäftigte die Frage: Was ist männlich, was ist weiblich?“, so Karin Schick. „Dies ist jedoch keine Ausstellung, die vom Geschlechterkonflikt handelt.“

 

Max Beckmann (1884–1950)
Das Bad, 1930
Öl auf Leinwand, 174,9 x 121,3 cm
Saint Louis Art Museum, Bequest of Morton D. May 846:1983
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Foto: Saint Louis Art Museum, Bequest of Morton D.

 

Vielmehr geht es in dem in acht Kapiteln gegliederten Ausstellungsparcours um Fragen der Identität, die sich gerade auch in den Selbstporträts immer wieder neu stellen. Das Selbst im philosophischen Sinne Schopenhauers durchzieht das gesamte Werk Max Beckmanns als wiederkehrendes Thema mit immer neuen Varianten. Spezifisch für Beckmann sind auch seine Doppelbildnisse, die ihn mit seinen beiden Ehefrauen Minna und der wesentlich exaltierteren Mathilde, genannt „Quappi“, zeigen. Hier begegnet man dem weiblichen Element als komplementärem Part seines männlichen Selbst.

Max Beckmann (1884–1950)
Doppelbildnis (Max und Mathilde Beckmann), 1941
Öl auf Leinwand, 193,5 x 89 cm
Collection Stedelijk Museum Amsterdam
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Foto: Stedelijk Museum, Amsterdam

 

Auch in seinen Gesellschaftsbildern tauchen Frauenfiguren auf: als Sammlerinnen, Salonbetreiberinnen, elegante Lebedamen, seltener als Mutterfiguren oder Familienmenschen. In seinen geradezu psychologischen Porträts entwickelt Beckmann eine große Sensibilität für sein Gegenüber. Ob höllische Kriegsszenen, Transferzonen in Hotels und Bars, mythologische Erzählungen oder Szenen von Lust und Leid – bei Max Beckmann treffen die Geschlechter in ganz unterschiedlichen Konstellationen aufeinander: ineinander verschlungen, dominant, unterwürfig, leidenschaftlich, gleichberechtigt, aber nie einander gleichgültig.

 

Max Beckmann (1884–1950)
Messingstadt, 1944
Öl auf Leinwand, 115 x 150 cm
Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz
Foto: Tom Gundelwein

 

Gegen Ende der sehenswerten Schau wird deutlich, dass Max Beckmann auch den androgynen Momenten immer wieder nachgespürt hat. Urlandschaften, die Geburt aus einem Ei und die Verschmelzung der Geschlechter tauchen hier als Themen auf. Auch Max Beckmanns Enkelin, die Kunsthistorikerin Mayen Beckmann, die die Hamburger Ausstellung wohlwollend begleitet hat, lobt den geschlechterspezifischen Ansatz des Ausstellungskonzepts: „Es zeigt, dass die Bandbreite von seinem Werk viel größer ist, als es seine virilen Selbstbildnisse vermuten lassen.“

 

Max Beckmann (1884–1950)
Frühe Menschen – Urlandschaft, 1939 (überarbeitet 1947/48)
Gouache, Aquarell und Tusche, 49,8 x 64,5 cm
Courtesy of Daxer & Marschall, München
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Foto: Daxer & Marschall, München

 

 Auf einen Blick:

 

Ausstellung: Max Beckmann. weiblich–männlich

 

Ort: Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart

 

Zeit: bis 24. Januar 2021

Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

Bis 21. Januar 2021: Galerie der Gegenwart

Fr und Sa 10-20 Uhr

 

  1. Oktober 2020 10-18 Uhr
  2. Dezember 2020 geschlossen
  3. Dezember 2020 geschlossen
  4. Dezember 2020 10-18 Uhr
  5. Dezember 2020 10-15 Uhr
  6. Januar 2021 12-18 Uhr

 

Katalog: Prestel Verlag, 240 S., 29 Euro (Museumsshop), 45 Euro (Buchhandel)

 

Internet: www.hamburger-kunsthalle.de

 

Max Beckmann (1884–1950)
Zwei Frauen (in Glastür), 1940
Öl auf Leinwand, 80 x 61 cm
Museum Ludwig, Köln
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
© Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c006753
https://www.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05010227

 

Blick in die Ausstellung,
Vordergrund: Max Beckmann: Mann im Dunkeln, 1934, Foto: Heiko Klaas

 

 

 





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